Die Elf von Sporting Lissabon erfuhr in Deutschland vom Umsturz in der Heimat, genauer gesagt auf der Transitstrecke in den Westen. Sporting war am Abend des 24.April 1974 im Europapokal der Pokalsieger gegen den späteren Sieger Magdeburg ausgeschieden. Die Mannschaft ahnte noch nicht, dass sie in wenigen Wochen der erste Fußballmeister des demokratischen Portugal sein würde.
Bei den Spielern von Sporting herrschte Beunruhigung; niemand wusste schließlich, was in der Heimat geschah. Nur einer reagierte im Mannschaftsbus typisch portugiesisch: er sorgte sich nur um sein Auto, das er in Lissabon auf der Straße geparkt hatte...
Direkt nach dem 25. April ging der Ligabetrieb weiter, allerdings mit wenig Zuschauern. Die Menschen hatten vorerst andere Sorgen. Die Schiedsrichter drohten mit Streik. Sie wollten nicht etwa die Revolution auf den grünen Rasen bringen, sondern hatten Angst um ihre Sicherheit. Nach dem Zusammenbruch der alten Staatsmacht waren nicht mehr bei allen Spielen Polizisten in den Stadien. Das missbrauchten rabiate Fans, um bei missliebigen Entscheidungen mit den Fäusten auf die Schiedsrichter loszugehen.
Den Spielern brachte die Revolution entscheidende Vorteile. Bis dahin waren sie den Vereinen ausgeliefert. Selbst nach Vertragsende konnte man sie zum Bleiben zwingen. Erster Anwalt der Spielergewerkschaft war übrigens der heutige Staatschef Sampaio. Sehr wichtig für die Fußballer, wie für alle jungen Portugiesen, war das Ende der Kolonialkriege - und der Einberufungen nach Afrika. Für die Vereine und die Nationalmannschaft bedeutete der Umbruch 1974/75 eine Schwächung. Vorbei waren die Zeiten, in denen man Talente wie Eusébio für wenig Geld aus Afrika holen konnte.
Manche Fußballer engagierten sich auch politisch beim Aufbau der Demokratie. António Simoes, früherer Kapitän von Benfica, wurde noch als aktiver Spieler Abgeordneter. Er habe sich als Unabhängiger verstanden, sagt er heute. In den Zeiten, als die extreme Linke nach der Revolution die Überhand hatte, habe er deshalb in den Stadien oft die ganzen Zuschauer gegen sich gehabt.
António Simoes war auch schon 1969 bei einer politischen Sternstunde des portugiesischen Fußballs dabei. In diesem Jahr standen sich im Pokalendspiel Benfica Lissabon und Acádemida de Coimbra gegenüber. 15.000 Anhänger waren aus der Universitätsstadt Coimbra in das von Polizei und Militär über alle Maßen gesicherte Nationalstadion bei Lissabon gekommen. Viele von ihnen unterstützten den Protest von Studenten und Dozenten gegen die Diktatur, der sich an der Bildungspolitik entzündet hatte.
Im Stadion breiteten die Fans Transparente aus mit der Forderung nach Freiheit. Tausende von Flugblättern wurden verteilt. Die Elf aus Coimbra trug während des Spiels Trauerflor. Es war eine Demonstration, wie sie Portugal noch nicht gesehen hatte. Gegen alle Tradition war auch niemand aus der Staatsführung im Stadion, um den Pokal zu überreichen. Coimbra zwang Benfica in die Verlängerung, verlor aber schließlich eins zu zwei. Nicht auszudenken, so sagen heute viele, wenn die Rebellen aus der Universitätsstadt das Endspiel gewonnen hätten. So oder so, die Tage der Diktatur waren gezählt, auch dank der mutigen Fußballer und Fans aus Coimbra.
Gesendet im Deutschlandfunk, "Sport am Feiertag", 31.5.2004
Bei den Spielern von Sporting herrschte Beunruhigung; niemand wusste schließlich, was in der Heimat geschah. Nur einer reagierte im Mannschaftsbus typisch portugiesisch: er sorgte sich nur um sein Auto, das er in Lissabon auf der Straße geparkt hatte...
Direkt nach dem 25. April ging der Ligabetrieb weiter, allerdings mit wenig Zuschauern. Die Menschen hatten vorerst andere Sorgen. Die Schiedsrichter drohten mit Streik. Sie wollten nicht etwa die Revolution auf den grünen Rasen bringen, sondern hatten Angst um ihre Sicherheit. Nach dem Zusammenbruch der alten Staatsmacht waren nicht mehr bei allen Spielen Polizisten in den Stadien. Das missbrauchten rabiate Fans, um bei missliebigen Entscheidungen mit den Fäusten auf die Schiedsrichter loszugehen.
Den Spielern brachte die Revolution entscheidende Vorteile. Bis dahin waren sie den Vereinen ausgeliefert. Selbst nach Vertragsende konnte man sie zum Bleiben zwingen. Erster Anwalt der Spielergewerkschaft war übrigens der heutige Staatschef Sampaio. Sehr wichtig für die Fußballer, wie für alle jungen Portugiesen, war das Ende der Kolonialkriege - und der Einberufungen nach Afrika. Für die Vereine und die Nationalmannschaft bedeutete der Umbruch 1974/75 eine Schwächung. Vorbei waren die Zeiten, in denen man Talente wie Eusébio für wenig Geld aus Afrika holen konnte.
Manche Fußballer engagierten sich auch politisch beim Aufbau der Demokratie. António Simoes, früherer Kapitän von Benfica, wurde noch als aktiver Spieler Abgeordneter. Er habe sich als Unabhängiger verstanden, sagt er heute. In den Zeiten, als die extreme Linke nach der Revolution die Überhand hatte, habe er deshalb in den Stadien oft die ganzen Zuschauer gegen sich gehabt.
António Simoes war auch schon 1969 bei einer politischen Sternstunde des portugiesischen Fußballs dabei. In diesem Jahr standen sich im Pokalendspiel Benfica Lissabon und Acádemida de Coimbra gegenüber. 15.000 Anhänger waren aus der Universitätsstadt Coimbra in das von Polizei und Militär über alle Maßen gesicherte Nationalstadion bei Lissabon gekommen. Viele von ihnen unterstützten den Protest von Studenten und Dozenten gegen die Diktatur, der sich an der Bildungspolitik entzündet hatte.
Im Stadion breiteten die Fans Transparente aus mit der Forderung nach Freiheit. Tausende von Flugblättern wurden verteilt. Die Elf aus Coimbra trug während des Spiels Trauerflor. Es war eine Demonstration, wie sie Portugal noch nicht gesehen hatte. Gegen alle Tradition war auch niemand aus der Staatsführung im Stadion, um den Pokal zu überreichen. Coimbra zwang Benfica in die Verlängerung, verlor aber schließlich eins zu zwei. Nicht auszudenken, so sagen heute viele, wenn die Rebellen aus der Universitätsstadt das Endspiel gewonnen hätten. So oder so, die Tage der Diktatur waren gezählt, auch dank der mutigen Fußballer und Fans aus Coimbra.
Gesendet im Deutschlandfunk, "Sport am Feiertag", 31.5.2004