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Der Abgesang der Lerche

"Biodiversität" heißt soviel wie "biologische Vielfalt". Die Vereinten Nationen haben 2010 zum "Internationalen Jahr der Biodiversität" erklärt. Jedes Land auf dieser Erde müsse sich um den Schutz der heimischen Fauna und Flora kümmern. Doch wie ist es um die Biodiversität hier zu Lande bestellt?

Von Michael Engel | 04.01.2010
    "Es war die Lerche" - Der Bodenbrüter ist nur noch selten zu hören in Deutschland. Ebenso Braunkehlchen, Grauammer und viele andere Vogelarten. Intensive Landnutzung und hoher Flächenverbrauch - für Straßen, Siedlungen, Infrastruktur - sind die Hauptbedrohungen für heimische Tier- und Pflanzenarten, bedauert Stefan Ott vom Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND:

    "Also um die Biodiversität ist es in der Tat schlecht bestellt. Auf EU-Ebene war ja im Jahre 2001 beschlossen worden, dass man den Artenschwund bis 2010 stoppen wollte - das sogenannte 2010-Ziel. Und bereits 2009 hat man festgestellt bei einer Tagung in Athen, dass uns das auf keinen Fall gelingen wird. Also es ist weiterhin schlecht bestellt mit der Biodiversität."

    Jedoch: Es gibt nicht nur Verlierer. Kranich, Rabenkrähe, Ringeltaube - diese Arten vermehren sich. Auch Wildschweine, die in den umfangreichen Maisfeldern ideale Bedingungen finden. Nicht zu vergessen: Die Klimaerwärmung, so tummeln sich schon heute mediterane Sardinen in der Elbmündung. Die Natur in Deutschland befindet sich in einem Umbruch, so die Beobachtung von Hansjörg Küster, Professor für Geobotanik an der Uni Hannover:

    "Biodiversität ist natürlich etwas, wofür wir verantwortlich sind, denn wir haben es in der Hand - zu einem ganz großen Teil - welche Tiere und Pflanzen wir auch in der Zukunft bei uns sehen wollen."

    Artenschutz kostet Geld, durch die Pflege von Naturschutzgebieten zum Beispiel, hilft aber Kosten sparen. So konnte durch den Erhalt von 12.000 Hektar Mangroven in Vietnam rund sieben Millionen Dollar für die Instandhaltung der Deiche gespart werden - bei gleichzeitiger Gewährleistung des Hochwasserschutzes. Ganz in diesem Sinne argumentiert auch BUND-Mitarbeiter Stefan Ott, der ein geplantes Deich-Projekt für die Flüsse Sude und Krainke östlich der niedersächsischen Elbe angreift:

    "Wenn es darum geht, Hochwasserschutz im Binnenland zu betreiben, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Ich regele das technisch: Mit vielen Millionen Euro baue ich Deiche, um das Wasser schneller abzuleiten. Ich habe natürlich auch die Option Deichrückverlegungen zu realisieren und Retentionsräume zu schaffen. Also, an diesem Beispiel, das ich Ihnen genannt habe, an Sude und Krainke, wäre die Umsetzung mit der Schaffung von über 100 Hektar Retentionsflächen deutlich billiger zu realisieren, das würde gleichzeitig den Hochwasserschutz gewährleisten und, im Deichvorland Überflutungsflächen schaffen für viele Tierarten, die darauf angewiesen sind und dem Erhaltung der Biodiversität dienen."

    Renaturierung ist eine zentrale Forderung des BUND, um die Biodiversität in Deutschland zu fördern - so sollten beispielsweise die Moore wieder hergestellt werden, was auch dem Klimaschutz dienen würde. Strengere Auflagen für Naturschutzgebiete lautet eine weitere Forderung. Wenn die Natur sich selbst überlassen wird, entsteht aber nicht automatisch mehr Biodiversität, schränkt der Biologe Hansjörg Küster ein:

    "Die Biodiversität ist auch dadurch bedroht, dass wir auf bestimmten entlegenen Flächen keine Bewirtschaftung mehr machen. Dort lassen wir einfach den Wald wuchern, oder wir forsten auf, und damit sind ganz viele Flächen mit besonders seltenen Tieren und Pflanzen verschwunden wie beispielsweise alte Weinberge, kleine Äcker im Gebirge oder ehemals bewässerte Wiesen im Bergland."
    "Artenvielfalt ist eine unterschätzte Ressource, die jedoch notwendig ist für die menschliche Existenz", so die Vereinten Nationen in ihrer Begründung zum "Internationalen Jahr der Biodiversität". Ein Umdenken ist dringend erforderlich: Schätzungen zufolge sterben weltweit 150 Arten am Tag aus.