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Der Abschlussbericht der Rürup-Kommission

Hier finden Sie nach der Sendung das Manuskript des Beitrags. Mitunter liegen aber die Texte nicht als Datei vor oder können aus urheberechtlichen Gründen nicht ins Internet gestellt werden. Der 280 Seiten starke Abschlussbericht der so genannten Rürup-Kommission bringt keine Überraschungen. Denn wenn diese von Kanzler Gerhard Schröder der Sozialministerin praktisch aufs Auge gedrückte Expertenrunde irgendetwas ausgezeichnet hat, dann ist es ihr Drang zur öffentlichen Darstellung. Von Beginn an wurde jede Überlegung publik gemacht - egal ob durch Kommissionschef Bert Rürup oder andere seiner 25 Mitstreiter aus Politik, Wissenschaft, Sozialversicherungen, Wirtschaft und Gewerkschaften. Seit Tagen kursiert auch der Abschlussbericht. Zwischendurch hatte selbst der Kanzler die ständigen Indiskretionen über oft ungelegte Eier so satt, dass er mit der Auflösung der Kommission drohte.

Axel Brower-Rabinowitsch | 28.08.2003
    Gemessen an der wenig harmonischen Zusammensetzung und den öffentlich ausgetragenen Differenzen ist das Schlussergebnis passabel. Angesichts der völlig unterschiedlichen Positionen hat es allerdings - anders als in der Hartz-Kommission - nicht zu einem einstimmigen Ergebnis gereicht. Es gibt zahlreiche Minderheitsvoten.

    Aufgabe der Kommission war es, die finanziellen Grundlagen der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung langfristig zu stabilisieren. Denn sonst würden die Beitragssätze und damit die Lohnnebenkosten in unzumutbare Höhen steigen. Bereits jetzt sind die Sozialversicherungen in Finanznot - vor allem wegen der Massenarbeitslosigkeit und der geringen Lohnsteigerungen als Ergebnis einer dreijährigen Wirtschaftsflaute. Das aktuelle Problem will die Bundesregierung selber in den Griff bekommen. Für die nachhaltige Finanzierung liefert die Rürup-Kommission die Rezepte.

    Würden die Vorschläge umgesetzt, könnten langfristig 3,2 Beitragspunkte allein bei der Renten- und Pflegeversicherung gegenüber geltendem Recht eingespart werden, errechnete die Kommission. Und damit habe sie ihr Ziel erreicht, bei insgesamt steigenden Kosten der sozialen Sicherung den Faktor Arbeit nicht stetig weiter zu verteuern. Denn das ist der ganze Ansatz der Agenda 2010 und der rot-grünen Reformpolitik: Hohe Lohnnebenkosten vernichten Arbeitsplätze und müssen deshalb in Grenzen gehalten, am besten deutlich gesenkt werden. Wissenschaftlich sei das keineswegs nachgewiesen, meinen Kritiker wie der SPD-Linke Ottmar Schreiner. Aber Bert Rürup selber ist einer der eifrigsten Verfechter dieser These.

    Am umstrittensten sind sicherlich die beiden zentralen Vorschläge zur Rente. Eigentlich sollte mit der Riesterreform ja für Jahrzehnte Ruhe an der Rentenfront einkehren. Sie bringt erhebliche Einschnitte bei den Rentenleistungen und stärkt durch staatliche Förderung die Privatvorsorge als zweite Säule der Alterssicherung entscheidend. Aber bereits heute zeigt sich, dass man zu optimistisch gerechnet hatte. Nur mit - noch nicht beschlossenen - Notmaßnahmen kann der derzeitige Beitragssatz von 19,5 Prozent im kommenden Jahr gehalten werden. Der von Ex-Arbeitsminister Walter Riester für das Jahr 2030 versprochene Höchstbeitrag von 22 Prozent wird nach Berechnungen der Rürup-Kommission tatsächlich bei 24,2 Prozent landen. Und trotzdem wird das im Riestergesetz festgeschriebene Netto-Rentenniveau von 67 Prozent unterschritten.

    Derzeit liegt das Netto-Rentenniveau - das ist das Verhältnis von der verfügbaren Rente nach 45 Beitragsjahren zum vorher erzielten Nettoeinkommen - bei 70 Prozent. Kanzler Gerhard Schröder räumte jüngst ein, dass man bei der Riesterreform Fehler gemacht hat. Man war,

    nicht mutig genug, weil wir zu stark gesetzt haben auf Wachstum und zu sehr die Umlagefinanzierung und ihre Möglichkeiten noch überschätzt haben. Wir haben den Druck, den die Demografie einerseits und Wachstumsschwäche andererseits auf die Alterssicherung ausüben, nicht so ernst genommen, wie das vielleicht schon in der letzten Legislaturperiode nötig gewesen wäre. Hätten wir das getan, wären wir nicht zu einem Betrag von 67 Prozent der Alterssicherung, hergestellt über die Umlagefinanzierung, gekommen. Kein Zweifel.

    Diese Ansage ist klar: Das Rentenniveau wird weiter abgesenkt. Die Kommission weist den Weg dahin. Die Mehrheit schlägt zwei zentrale Maßnahmen vor: Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird vom Jahr 2011 an in jährlichen Stufen von einem Monat auf 67 Jahre angehoben. Das wäre dann im Jahr 2035 erreicht. Ein Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel soll die jährlichen Rentenerhöhungen um durchschnittlich einen halben Prozentpunkt verringern. Er berücksichtigt vor allem das sich langsam verschlechternde Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern. Das allerdings hat zur Folge, dass die Rentner auch das Arbeitsmarktrisiko tragen sollen: Hohe Arbeitslosigkeit führt zu niedrigeren Rentenanpassungen.

    Der Nachhaltigkeitsfaktor wird in dieser Form vor allem von den Gewerkschaften und den Sozialverbänden abgelehnt. Die Union dagegen frohlockt, ist er doch praktisch die Wiedereinführung des von ihr einst beschlossenen und von Rot-Grün ausgesetzten demografischen Faktors. Um das nicht allzu deutlich zu machen, hat Rürup der Sache im Wesentlichen nur einen neuen Namen gegeben. Auch wenn es Widerstände im eigenen Lager gibt, sagte Sozialministerin Ulla Schmidt heute faktisch die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors zu. Sie betonte:

    Denn nur so kann erreicht werden, dass bis 2030 die Renten bezahlbar bleiben und wir der jüngeren Generation die Spielräume eröffnen, die sie brauchen, um die zusätzliche Kapital gedeckte Säule aufbauen zu können.

    Angesichts der aktuellen Finanzprobleme könnte der Nachhaltigkeitsfaktor schon bei der Rentenerhöhung 2004 oder - falls sie verschoben werden sollte - 2005 installiert werden. Kritiker bemängeln vor allem die Häufung der schon beschlossenen und von der Rürup-Kommission zusätzlich geplanten Belastungen für die Rentner. Die Riesterreform verringert im Zuge des Aufbaus der Privatvorsorge bereits die Rentenerhöhungen um insgesamt zwei Prozent. Die anstehende stärkere Besteuerung der Renten aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils trifft zumindest Rentner mit Nebeneinkünften und Renten im oberen Drittel. Die partei-übergreifende Reform der Krankenversicherung fordert Rentnern besonders hohe Opfer ab.

    Hinzu kommt nach dem Willen der Rürup-Kommission noch ein zweiprozentiger Solidarzuschlag der Rentner zur Pflegeversicherung. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer bestreitet nicht, dass auch die Rentner zur Konsolidierung der Sozialversicherungen beitragen müssen. Allerdings fügt sie hinzu:

    Man kann nicht alle so genannten Reformansätze praktisch konzentrieren auf die Verschlechterung der Rentenleistungen. Denn das ist es ja, was jetzt praktisch im Endeffekt dabei rauskommt. Das würde unter 60 Prozent gehen, wenn man das Nettorentenniveau und unter 40 Prozent, wenn man das Bruttorentenniveau in Ansatz bringt. Und das ist nicht vertretbar.

    Umgerechnet heißt das: Gegenüber dem heutigen Rentenniveau von Netto 70 und Brutto gut 48 Prozent würden die Renten um rund 20 Prozent bis zum Höhepunkt der demo-grafischen Entwicklung im Jahr 2030 sinken. Die realen Renten würden dennoch bis dahin um 20 Prozent steigen, rechnet die Rürup-Kommission vor. Das sind allerdings Rentensteigerungen von real deutlich unter einem Prozent pro Jahr. Frau Engelen-Kefer traut selbst dieser Berechnung nicht:

    Dann sind wir ungefähr bei 100 Euro Abzüge von den Rentenleistungen. Und es könnte durchaus sein, dass es dann nicht nur um die Verringerung der Zuwächse geht, wie immer wieder gesagt wird, sondern dass es tatsächlich um die Verringerung von Rentenleistungen geht. Und das halte ich nicht für in Ordnung. Und deshalb haben wir hier nicht zustimmen können.

    Umstritten ist auch die vorgeschlagene Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters. Es liegt derzeit bei 65 Jahren. Wer früher aus dem Arbeitsprozess aussteigt, dem wird die Rente um 0,3 Prozent pro Monat gekürzt. Das Hauptproblem ist, dass das durchschnittliche tatsächliche Renteneintrittsalter zur Zeit nur etwas über 60 Jahre beträgt. Frühverrentungsprogramme, gesundheitsbedingte Erwerbsminderung sowie der möglichst schnelle Wechsel von älteren Arbeitlosen in die Rente sind die Hauptgründe. Dahinter steht vor allem die schlechte Arbeitsmarktlage.

    Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft in den kommenden Jahren erzwingt hier ein Umdenken. Denn wenn der Nachwuchs rar wird, müssen die Alten ran und länger arbeiten. Rein finanztechnisch ist dafür, so sagen die Kritiker übereinstimmend, aber gar keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters nötig. Die Deutschen müssten den tatsächlichen Rentenbezug möglichst nahe an die 65-Jahres-Grenze schieben. Das könnte fast die gesamten Finanzprobleme der Rentenversicherung lösen. Denn jedes Jahr, das die Deutschen länger als bisher arbeiten, spart einen Beitragspunkt in der Rentenversicherung.

    In allen Parteien gibt es deshalb starke Kräfte, die eine Förderung älterer Arbeitnehmer für ausreichend halten, um deren Lebensarbeitszeit zu verlängern. Das will auch die Rürup-Kommission, die offenbar weiß, dass die meisten sonst überhaupt keine Chance haben, sich bis 67 in Arbeit und Lohn zu halten. Alexander Gunkel, Sozialexperte der Arbeitgeberverbände, erläutert, was aus Sicht der Wirtschaft nötig wäre:

    Zum Beispiel müssen wir dahin kommen, dass die ganzen Frühverrentungsanreize, die wir heute noch im Arbeitsförderungsrecht haben, abgebaut werden. Wir müssen auch dahin kommen, dass wir in den Betrieben in der Personalpolitik in der Weiterbildungspolitik eine Umstellung vornehmen. Und wir müssen - wo noch vorhanden - tarifvertragliche Senioritätsprivilegien abbauen. Das heißt solche Regelungen, die dazu führen, dass ältere Arbeitnehmer einen höheren Kündigungsschutz haben, dass sie ein höheres Entgelt beziehen. Denn das sind natürlich alles Regeln, die dazu führen, dass Arbeitgeber zurückhaltend sind, bevor sie einen älteren Arbeitnehmer einstellen.

    Die Kommission schlägt zudem vor, dass künftig Versicherte, die mindestens 45 Jahre gearbeitet und Beiträge gezahlt haben, bereits fünf Jahre früher in Rente gehen können - allerdings dann auch mit den hohen Rentenabschlägen von 3,6 Prozent pro Jahr. Sollte die Politik den Kommissionsempfehlungen zur Rente folgen, dürfte das Verfassungsgericht das letzte Wort haben. Denn der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Peter Vetter, hält die drastischen Rentenkürzungen für verfassungswidrig:

    Wir werden, wenn das 1 zu 1 umgesetzt wird, das so nicht hinnehmen und dann rechtliche Schritte einleiten. Gar keine Frage.

    Für die Kommission allerdings stand etwas ganz anderes im Vordergrund, wie Rürup deutlich machte:

    Da nur finanzierbare Renten sichere Renten sind, wären die Renten bei Umsetzung der Kommissionsempfehlung langfristig gesichert.

    Das hätte man auch anders erreichen können, meinen die Kritiker - etwa nach Schweizer Modell durch Beitragspflicht auf alle Einkommen in voller Höhe bei gleichzeitiger Deckelung der Höchstrenten. Darüber denkt man vor allem bei den Gewerkschaften nach. Der Sozialverband Deutschland schlägt einen zusätzlichen Wertschöpfungsbeitrag kapitalintensiver und personalarmer Betriebe vor. Präsident Vetter fordert zudem:

    Die betriebliche Altersversorgung muss als obligatorische Zusatzversorgung mit dem Ziel ausgebaut werden, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eine dynamisch angelegte und paritätisch finanzierte Altersvorsorge einzubeziehen. Erst wenn alle Arbeitnehmer den Anspruch auf eine obligatorische Betriebsrente haben, könnte man über weitere Einschnitte bei der Sozialrente nachdenken. Das heißt also frühestens in 15 bis 20 Jahren.

    Aber auch in der SPD regt sich Widerstand bis in die Führungsriege hinein. Der stellvertretende Fraktionschef Michael Müller:

    Ich sehe beispielsweise viel Kritik auch in der Fraktion am Vorschlag der Erhöhung des Renteneintrittsalters, auch in der Absenkung des Niveaus. Ich sehe nicht, dass das in dieser Form machbar ist mit der SPD.

    Soviel zur Rente; kommen wir zum nächsten Reizthema, der Finanzreform der Krankenversicherung. Hier hat es nicht einmal eine Mehrheitsentscheidung gegeben. Man stellt der Politik zwei Konzepte zur Auswahl. Rürup und seine Anhänger schlagen ein Kopfpauschalen-Modell vor. Danach wird der Arbeitgeberbeitrag auf den Lohn aufgeschlagen und versteuert. Je höher der Verdienst und deshalb der Krankenkassenbeitrag, umso stärker wächst das Nettoeinkommen trotz steigender Steuerbelastung. Aus dem so angehobenen Nettoeinkommen muss dann jeder Erwachsene - auch bisher beitragsfreie Hausfrauen sowie Rentner- 210 Euro in die Krankenkasse zahlen.

    Da das eine unzumutbare Belastung für die unteren Einkommensbezieher und die meisten Rentner wäre, zahlt der Staat bis zu Jahreseinkommen von etwa 30.000 Euro einen gestaffelten Zuschuss zur Kopfpauschale. Je nach Ausgestaltung kostet das bis zu 24 Milliarden Euro. Dafür müssten die allgemeinen Steuern um bis zu acht Milliarden Euro angehoben werden. Denn nur rund 16 Milliarden nimmt der Fiskus durch die Steuer auf den ausgezahlten Arbeitgeberanteil ein. Profitieren würden Geringverdiener, deren Kopfpauschale ganz oder überwiegend vom Staat subventioniert wird, und Besserverdienende. Benachteiligt würden vor allem Familien mit mittlerem Einkommen. Den wirklichen Vorteil aber hätten die Arbeitgeber, die von sämtlichen künftigen Kosten- und Beitragssteigerungen verschont blieben.

    Für die Bürgerversicherung plädieren Regierungsberater und der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach, Gewerkschaften, Sozialverbände, die Grünen, große Teile der SPD und der stellvertretende CSU-Chef Horst Seehofer. Das Modell der Kommission sieht vor, stufenweise alle künftigen Arbeitnehmer, Beamten und Selbständigen einzubeziehen. Gleichzeitig soll die Beitragsbemessungsgrenze deutlich auf 5.100 Euro angehoben werden. Das bedeutet höhere Beiträge für Gutverdienende. Schließlich sollen Miet- und Zinseinkünfte beitragspflichtig werden. Insgesamt könnte der durchschnittliche Beitragssatz so um zwei Prozentpunkte sinken.

    Verlierer wären bei diesem Modell eindeutig die Besserverdienenden sowie untere und mittlere Einkommen, die über Miet- oder Kapitaleinkünfte verfügen. Gewinner wären alle Einkommen unter 40.000 Euro. Aber selbst die Arbeitgeber, die für die Kopfpauschalen sind, sehen sich nicht als Verlierer, sollte die Bürgerversicherung kommen. Denn die Beitragssätze sinken. Zudem müssen sie keinen Arbeitgeberanteil für Beiträge auf Zinsen und Mieten leisten. Alexander Gunkel meint deshalb zu den zwei Modellen:

    Beides wäre eine deutliche Loslösung von dem heutigen System der Gesetzlichen Krankenversicherung. Hier ist sicherlich die weitgehenste Änderung vorgenommen worden.

    Zu guter Letzt die Pflegeversicherung. Die Pflegeversicherungsbeiträge müssten - wegen der zunehmenden Zahl der Senioren und Hochbetagten und damit auch der Pflegebedürftigen - langfristig von jetzt 1,7 auf 3 Prozent steigen. Um den Beitragssatz stabil zu halten, sollen die Rentner von 2010 an zusätzlich 2 Prozent ihres Einkommens in die Pflegeversicherung zahlen. Durchschnittlich sind das 20 Euro monatlich. Begründet wird das damit, dass Rentner am meisten von der 1995 eingeführten Versicherung profitieren, ohne vorher ausreichend lange Beiträge gezahlt zu haben. Dieses Konzept lobte Ulla Schmidt als Antwort auf die demografische Herausforderung:

    Deshalb halte ich den Vorschlag, die Versicherung durch einen intergenerativen Ausgleich nachhaltig zu stärken, für eine sehr bedenkenswerte Lösung.

    Künftige Rentnergenerationen werden dadurch übrigens nicht belastet. Denn der Sonderbeitrag der Rentner sorgt dafür, dass die Arbeitnehmer einen halben Prozentpunkt ihres Pflegebeitrags in eine Kapital gedeckte individuelle Anlage geben können und müssen. Mit diesem Geld können sie im Rentenalter dann ihren höheren Pflegebeitrag finanzieren. Es handelt sich also um ein Sonderopfer der jetzigen Rentner und der rentennahen Jahrgänge.

    Um dem Wunsch fast aller Pflegebedürftigen nach häuslicher Betreuung besser nachzukommen, sollen künftig die Leistungen für häusliche Pflege und Heimpflege angeglichen werden. Bis auf die Pflegestufe drei bedeutet das deutlich weniger Geld für die Heimunterbringung und spürbar mehr für die häusliche Pflege. Es soll einheitliche Beträge von 400 Euro für Pflegestufe eins, 1.000 Euro für Pflegestufe zwei und 1500 Euro für Pflegestufe drei geben.

    Seit Einführung der Pflegeversicherung sind deren Leistungen - entgegen den Versprechungen aller Politiker - niemals angehoben worden. Damit aber sinken die Pflegeleistungen real. Sie werden jedes Jahr weniger wert - egal ob Geld ausgezahlt wird, ob ambulante Pflege oder Heimpflege finanziert werden. Das will die Rürup-Kommission ändern. Die Leistungen sollen ab 2005 dynamisiert werden und jedes Jahr um durchschnittlich 2,25 Prozent steigen.

    Das Pflegekonzept stößt auf breite Zustimmung. Selbst die sonst von der Rürup-Kommission eher frustrierte Ursula- Engelen-Kefer lobt:

    Ich finde das ist noch mit das Beste. Da sind Teile auch durchaus interessant. Unser Problem damit ist eben nur in der Kumulation der zukünftigen Belastung für die Rentner.

    Womit wir wieder beim Thema der sozialen Gerechtigkeit angelangt sind. Kritiker bemängelten auch heute wieder eine unsoziale Kürzungspolitik und mangelnde Generationengerechtigkeit zu Lasten der Rentner. Bert Rürup sieht das natürlich ganz anders:

    Wir sind der Überzeugung, dass eine Umsetzung unserer Empfehlungen wirklich ein großer sozialpolitischer Wurf wäre. Denn wenn diese Vorschläge, die die Interessen der Älteren wie der Jüngeren ausgewogen berücksichtigen, umgesetzt werden, würden 1. Die Finanzierung unserer Sozialversicherungen deutlich beschäftigungsfreundlicher und die demografisch bedingt steigenden Kosten der sozialen Sicherung würden deutlich gerechter auf die Generationen verteilt.

    Jetzt muss die Politik entscheiden. Eine Umsetzung 1 zu 1 - wie bei der Hartz-Kommission - hat der Kanzler vorsichtshalber nicht versprochen.