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"Der Adolf lädt zum Tanzduell"

Mel Brooks' Musical-Hit "The Producers" sorgte in New York und London für volle Häuser. Doch ob das Stück, das die Ästhetik der Nazis persifliert, in Berlin - dem einstigen Machtzentrum der Nazis - nicht ein wenig taktlos wirken könnte, fragten sich vorab einige Kritiker. Bei der Vorabaufführung hat sich nach anfänglicher Beklemmung das vorwiegend junge Publikum jedoch köstlich amüsiert.

Von Eberhard Spreng |
    Die Wimpel und Fahnen flattern lustig im Wind. Weiße Kreise auf rotem Tuch, darin die Abbildung einer Brezel oder einer Bratwurst. Im Foyer werden kleine Fähnchen verteilt, auch sie Parodien von Nazi-Fahnen. Man passiert nicht ganz ohne Beklemmungsgefühle den Zugang zum Admiralpalast; eine Symbolik, die am Broadway, während der jahrelangen Spielserie des größten Musicalerfolgs aller Zeiten, kaum Probleme bereitet hat, kehrt in das einstige Machtzentrum der Nazis zurück, ins Zentrum Berlins und an ein Haus, an dem vor mehr als 60 Jahren richtige Nazifahnen geweht haben und jüdische Schauspieler und Sänger wie überall im Reich Auftrittsverbot hatten.

    Dass um die Person Hitlers komische, satirische, parodistische Geschichten erzählt werden können, haben zahllose Filme gezeigt: Vom großen Diktator Charly Chaplins zu "Mein Führer" mit Helge Schneider im Film von Dani Levy.

    Dass aber auch alles andere, die Fahne, der Wehrmachtshelm, der Hitlergruß, der Reichsadler und so weiter grundsätzlich und zuverlässig ein Witz sind, scheint bei diesem Musical von vornherein ausgemacht. Immer wenn sich auf der Bühne ein Arm zum Nazigruß reckt, wenn ein debiler Alt-Nazi in seiner New Yorker Schmuddelecke mit seinem Wehrmachtshelm auf dem Kopf in Hitler-Erinnerungen schwelgt, dann brandet im Publikum ein schenkelklopfendes Gelächter auf.

    Die Nazi-Herrschaft hat ein eigenes System von Zeichen entwickelt und hier wird jedes von ihnen zuverlässig erkannt und sofort verlacht. Vor allem das junge Publikum in dieser Voraufführung hat sich von der Betretenheitskultur der vergangenen sechs Jahrzehnte befreit, wobei noch nicht auszumachen ist, ob dieses Musical die historische Katastrophe bewältigen hilft, oder endgültig im Show-Biz auflöst und damit unkenntlich macht.

    "Früher wollte ich Maler werden, doch ich war kein Dürer,
    plötzlich rief der Reichstag an und sprach 'Sei unser Führer'
    Deutschland ohne Mut, niemand der was tut,
    ich hob das Bein, nahm Frankreich ein, jetzt geht's uns wieder gut
    - Tanzduell, Tanzduell, der Adolf lädt zum Tanzduell ..."

    Adolf Hitler tanzt auf einem Podest zwischen den beiden auseinadergefahrenen Hälften eines effektvoll leuchtenden Show-Reichsadlers. Das steht am Ende einer Geschichte, die im Unterhaltungsbusiness der Vergangenheit spielt. Das mit zwölf Tony Awards ausgezeichnete Spektakel "The Producers" folgt der Geschichte des ersten Mel-Brooks-Films von 1964 - "Frühling für Hitler" - und bettet seine Nazi-Veralberung in eine Making-Off-Rahmenhandlung: Eine grenzenlose Nazi-Geschmacklosigkeit soll dem verschuldeten, hemdsärmeligen und raubeinigen Broadway-Produzent Max Bialystock und seinem verdrucksten und zu Panikattacken neigenden Steuerprüfer Leo Bloom einen sicheren Flop bescheren, weil letzterer ein wenig per Zufall herausgefunden hatte, das auch damit viel Geld - es kommt letztlich von reichen, frustrierten Witwen - gemacht, genauer veruntreut werden kann. Ein völlig talentloser Regisseur und ein verschwiemelter Altnazi als Autor sollen für den sicheren Flop sorgen. Aber was von der geschmacksverwirrten Tunte Roger de Bris auf die Bühne gebracht wird, erweist sich überraschend als Erfolg.

    Mel Brooks, der Freund deftiger Comedy-Effekte aus früheren Musicaltraditionen, konterkariert den etwas schwülstigen Broadway-Stil der letzten Jahre. Vor allem in der Plüschwohnung des Tuntenregisseurs fehlt es nicht an krassen Effekten der Parodie, die Brooks Arbeit immer schon ausmachten.

    Mel Brooks erlebt in der Wirklichkeit das, was die Story dieses Making-Off -Musical erzählt: Einen finanziellen Überraschungserfolg. Eine Milliarde hat "The Producers" weltweit bislang eingespielt. Ein Hitler-Musical ist das nicht, die Figur des Nazi-Führers wird hier anders als berühmte Vorläufer nicht Gegenstand der Satire, Parodie, Karikatur. Es geht um die Eingemeindung der Nazi-Ästhetik in das Bilderinventar des Show-Business und das scheint zu beweisen, dass, wie abgeschmackt auch immer das erscheinen mag, der Schrecken, der den Bildern anhaftet, nicht auf ewig bewahrt werden kann.