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Der Afghanistan-Konflikt 2oo1 -Ein Handbuch

Afghanistan kommt nicht zur Ruhe. Auch nach dem Sturz des Taliban-Regimes und der In- stallierung einer neuen, demokratisch gesinnten Regierung, ist immer wieder von Anschlägen und Kämpfen zu lesen. Der Arm der Regierung scheint kaum über Kabul hinauszureichen. Offenbar ist den Amerikanern nicht gelungen, das Land zu befrieden und die terroristischen Elemente zu vertreiben. Afghanistan wird wohl ein Konfliktherd bleiben, auch nach dem Krieg in der Folge des 11. September. Der Politologe Hans Krech hat in der von ihm herausgegebenen Reihe ‚Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts' selber ein Handbuch zu Afghanistan geschrieben. Lutz Rathenow bespricht es:

Lutz Rathenow |
    Zahlreiche Bücher wollen uns die Welt nach dem 11. September 2oo1 erklären. Eines der eigenwilligsten legt Hans Krech als Mitarbeiter der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg vor. " Der Afghanistan-Konflikt 2oo1. Ein Handbuch" nennt es sich nüchtern. Es ordnet sich in eine von dem Nahost-Experten geschriebene Reihe über 'Bewaffnete Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts' ein. Der Wissenschaftler verleiht seinen Büchern eine doppelte Perspektive: Sie beschreiben aus militärstrategischer Sicht und sie leuchten politische Hintergründe im Sinne ihrer möglichen Beeinflussung aus. Selten verschmelzen so bei einem Autor Faszination an militärischen Fragen und der unbedingte, manchmal fast aufdringliche Wille zur aktiven Friedenspolitik. Krech stellt dem Leser keinen raschen Überblick in Aussicht und unterteilt sein Handbuch in Abschnitte, die sich auch stilistisch stark unterscheiden. Im Vorwort gibt es erst einmal kühne Thesen:

    Saddam Hussein hat Osama bin Laden mit seinen Geheimdiensten massiv unterstützt, gelenkt und benutzt. Das eigentliche Zentrum des Terrors hat nur eine islamistische Scheinfassade, dahinter steht ein ehemaliger Verbündeter der Sowjetunion, ein weltlicher Diktator, ein Relikt des Kalten Krieges. Auch das MfS der ehemaligen DDR war an den An- schlägen beteiligt.

    Dann folgt eine 2o-seitige essayistische Einführung in die jüngere Geschichte Afghanistans. Hier gelingt es Krech - inhaltlich plausibel und sprachlich sehr anschaulich -, die Macht- kämpfe in Saudi Arabien als wesentliche Voraussetzung für die Terroranschläge in den USA herauszuarbeiten - und damit auch für diesen Krieg. Die USA als wichtigster Verbündeter des saudischen Herrscherhauses geraten logischerweise zum Hauptfeind von bin Laden. Krech stellt sich einerseits treu an die Seite der USA, andererseits erkennt er im militärischen Eingreifen in Afghanistan einen Fehler. Schlimmer noch, er kommt zu der These:

    Der amerikanische Gegenschlag war von der saudischen Opposition gezielt provo- ziert worden, er war Phase 2 des Angriffs auf König Fahd und die USA. Die USA befinden sich in einer Falle der saudischen Opposition und des Irak.

    Zuvor aber gibt es 12o Seiten minutiöse Auflistung der Kampfhandlungen und politischen Aktivitäten um den Krieg herum. Die leben von der Kraft des Faktischen und zeigen noch einmal, welche Ereignisse sich gleichzeitig vollziehen. Hier nimmt sich der Politiker Krech ganz zurück und konserviert Tatsachen, ohne sie zu deuten - auch solche, die in den Nachrichten nicht oder nur am Rande vorkamen. Einige könnten erst noch wichtig werden, zum Beispiel jene vom 8.12.2oo1 über das Einfrieren aller Konten der somalischen Bank in den USA. Eine Million Auslandssomali können ihre Familien in der Heimat nicht mehr unterstützen.

    Grafiken und Tabellen ergänzen die Chronik und erhöhen den Informationswert. Nach 142 Buchseiten gibt es einen abrupten Perspektivwechsel und zehn Seiten komprimierte Thesen Hans Krechs. Ein sehr ausführlicher Dokumentenanhang, Register und Literaturhinweise ergänzen ein Buch, das nur an diesen Stellen ausschließlich für Fachleute interessant ist.

    In den Thesen geht es ihm um weiter gespannte Zusammenhänge. Die Verquickung des Irak in all diese Ereignisse wird zum eigentlichen Thema. Die Zusammenhänge bleiben auch nach der Lektüre nicht geklärt. Dennoch sprechen sehr viele Indizien für einen entscheiden- den Einfluß des irakischen Diktators. Ob er der eigentliche Schöpfer des Terrors ist? Der Autor Krech als praktizierender Politiker schlägt aber keinen erneuten Krieg vor:

    Die nächsten Ziele im Anti-Terror-Kampf (...) sollten der Sturz Saddam Husseins mit- tels einer in (...) Deutschland auszurichtenden Golf-Friedenskonferenz sein. Bomber und Soldaten werden dazu nicht gebraucht. (...) Vorgespräche mit einigen Botschaften von Golf- Anliegerstaaten wurden bereits geführt. Das Konzept zielt auf eine politische Stärkung der irakischen Opposition.

    Nicht eingelöst wird die Ankündigung des Buches, Spuren zum DDR-MfS zu präsentieren. Sie sind ohnehin schon dünn. Eine Mitwirkung am aktuellen Terror geht daraus nicht her- vor. - Ende Januar 2oo2 endet das Buch von Hans Krech. Das macht es zu einem der aktuellsten zu diesem Thema. Und doch hättes es bis heute schon weiter geschrieben werden können. So wie sich die Politik eben in ihrem permanenten Fortgang präsentiert: wirre und zielgerichtet gleichermaßen.

    Lutz Rathenow besprach Hans Krech: "Der Afghanistan-Konflikt 2oo1", erschienen im Verlag Dr. Köster in Berlin. Das Buch hat 26o Seiten - einschließlich Abbildungen - und kostet 31,80 Euro.