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Der Algerienkrieg gegen die französische Kolonialmacht beginnt

Nach dem zweiten Weltkrieg wird Algerien von den Franzosen als fester Bestandteil der Grande Nation betrachtet. Während Marokko und Tunesien Protektorate bleiben und hier die Erlangung der Unabhängigkeit möglich scheint, sieht die französische Verfassung der IV. Republik von 1946 für Algerien die völlige Integration vor. Das Algerien-Statut ein Jahr später soll den Einwohnern die französische Staatsbürgerschaft gewähren.

Von Tobias Mayer | 01.11.2004
    Hunderttausende französische Siedler waren während der Kolonialzeit gekommen, um das Land zu erschließen. Die Franzosen kontrollierten bald zwei Drittel des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens in Algerien. Sie beherrschten die Wirtschaft, die Banken und Bergwerke, die Schifffahrt und die öffentlichen Institutionen. Die algerischen Araber und Berber hatten kaum mehr Einfluss in ihrer Heimat.

    Aus der Unzufriedenheit über diese Zustände formiert sich die Nationale Befreiungsfront FLN, die die Unabhängigkeit Algeriens anstrebt. In der Nacht zum 1. November 1954 lässt die FLN im ganzen Land etwa 20 Sprengsätze explodieren, ...

    ... der Beginn des bewaffneten Kampfes. Die algerischen Freiheitskämpfer wollen die französischen Besatzer in einem Guerillakrieg zermürben. In den folgenden Jahren reagieren die verschiedenen französischen Regierungen darauf mit Gewalt und Unterdrückung. Die Algerienfrage wird zur Zerreißprobe der politischen Kräfte in Frankreich und ist ein Grund für das Ende der IV. Republik. General Charles de Gaulle geht aus der Krise als Sieger hervor, lässt sich eine Verfassung auf den Leib schneidern und wird Staatspräsident.
    Der frühere algerische Premierminister Rheda Malek erinnert sich:

    Als de Gaulle 1958 an die Macht kam, war eines seiner ersten Anliegen natürlich die Lösung der Algerienfrage. Er hat den politischen Stil im Vergleich zur vierten Republik total verändert. Zum ersten Mal sprach er vom Mut der Algerier und ehrte die Tapferkeit der Kämpfer.

    Im September 1959 stellt de Gaulle zum ersten Mal den Algeriern das Recht auf Selbstbestimmung in Aussicht. Die Franzosen in Algerien aber stemmen sich vehement gegen de Gaulles Politik.

    Im Januar 1960 kommt es zu einem Aufstand der zunehmend radikalen Siedler, stillschweigend gebilligt von den französischen Militärs in Algerien. In Frankreich dagegen wird die Algerienpolitik de Gaulles allgemein unterstützt. Einige französische Generäle in Algerien finden sich damit nicht ab und führen einen Putsch an.

    Die Revolte beginnt ernst, bricht aber nach vier Tagen zusammen. Doch weiterhin bestimmen die ehemaligen Fallschirmjäger und die Geheimorganisation OAS den politischen Stil und mit unüberhörbarer Resignation bittet der mit allen Vollmachten ausgestattete Präsident sein Volk um Hilfe gegen die Tollwut der radikalen Militärs, deren Bestrafung er fordert.

    Die so genannte "Organisation der Geheimarmee" trägt den Terror ins französische Mutterland und verübt zahlreiche Mordanschläge auf Staatspräsident de Gaulle. Der Weg zur Unabhängigkeit Algeriens aber ist bereits beschritten.

    In Evian am Genfer See unterzeichneten im März 1962 Vertreter der französischen Regierung und der algerischen Befreiungsorganisation FLN ein Waffenstillstandsabkommen. Rheda Malek war in Evian Sprecher der algerischen Delegation:

    Für uns sind die Vereinbarungen von Evian in erster Linie das Ende eines grausamen Krieges, in welchem das algerische Volk wirklich schlimm behandelt wurde. Man konnte das nicht mehr ertragen, nicht nur die menschlichen Verluste, sondern auch der Schaden auf moralischer Ebene. Gleichzeitig war Evian für uns die Weihe der algerischen Nation.

    Nur wenige Monate später wird Algerien mit einer schweren Hypothek in die Unabhängigkeit entlassen. Der Krieg hat mindestens eine Viertel Million Opfer gefordert. Die Wirtschaft ist am Boden, auch weil die meisten französischen Siedler das Land verlassen haben. Nach über 25 Jahren sozialistischer Planwirtschaft formiert sich 1989 aus der Masse der Arbeitslosen und sozial Benachteiligten die Islamische Heilsfront, deren bewaffneter Arm das Land bald mit Terroranschlägen überzieht.