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Der Allesfresser auf dem Vormarsch

Waschbären erfreuen sich durchaus großer Sympathie. Doch der so putzig aussehende Vertreter der Kleinbärenfamilie ist mitunter ein rechter Rabauke, der auch die Nähe zum Menschen nicht scheut. In Vororten durchwühlt er schon einmal den Komposthaufen oder macht sich an Essensabfälle zu schaffen. Derzeit vermehrt sich der Waschbär rasant im südlichen Niedersachsen - und dort wird er deshalb, durchaus im Einklang mit Wildtierforschern, auch bejagt.

Von Michael Wieczorek |
    Sein typisches Kichern kennt man oft nur aus dem Zoo. Wer ihm in der rauen Natur begegnen möchte, der muss es des Nachts tun, denn erst dann werden Waschbären aktiv. Erstmalig wurde der Waschbär aus Nordamerika eingeführt und erstmalig in der Nähe des Edersees bei Kassel im Jahr 1934 ausgesetzt - damals, um die Fauna zu bereichern. Heute ist der Waschbär in vielen Regionen Deutschlands in unterschiedlichen Dichten anzutreffen, hauptsächlich jedoch in Süd- und Ostdeutschland. In den letzten Jahren hat er sich rasant in den Misch- und Laubwäldern Süd-Niedersachsens vermehrt. Kein Wunder, denn hier hat der Allesfresser genau das richtige Habitat gefunden. Jörg Tillmann vom Institut für Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover:

    " Also, der Waschbär ist ein Nahrungsopportunist, er ernährt sich von verschiedenen Ressourcen, je nach Jahreszeit. Man kann sagen, dass ein Drittel vegetarische Nahrung ist, ein Drittel wirbellose Tiere, insbesondere Regenwürmer, Schnecken und Käfer, und ein weiteres Drittel ist dann Fleischnahrung, wobei er als Bewohner von Feuchtgebieten oder Gewässerrändern viele Amphibien, Frösche und Fische frisst. "

    Seine Speisekarte ist so lang wie bei kaum einem anderen Tier. Umgekehrt hat der Waschbär so gut wie keine natürlichen Feinde - von den wenigen Füchsen und Wölfen in Deutschland mal abgesehen. All das ermöglicht es ihm, sich fast ungehindert zu vermehren. Bundesweit gibt es schätzungsweise etwa 100.000 frei lebende Waschbären. Davon wird jährlich etwa ein Viertel abgeschossen oder in Fallen gefangen. Allein in Niedersachsen waren es vergangenes Jahr 2400 Tiere, so viele wie noch nie. Viel öfter aber als vor der Flinte zeigt er sich abends in menschlichen Siedlungen, denn die locken mit Komposthaufen und Küchenabfällen:

    " Der Waschbär hat sich in den Randbereichen von Städten häufig etabliert. Kassel beispielsweise, wo er in Mülltonnen rumwühlt und in Komposthaufen und dementsprechend eine sehr gute Nahrungsgrundlage hat. Dazu kommt, dass die Versteckmöglichkeiten ausgezeichnet sind mit Gartenhäusern und Dachböden, und da ist er ein fester Teil der Fauna im urbanen Bereich, kann man sagen. "

    Vereinzelt nehmen sie sogar ganze Dachböden und Mülltonnen auseinander oder reißen Blumentöpfe um. Den wesentlich größeren Schaden richten sie jedoch in den Ökosystemen an. Gern nimmt der Waschbär Gelege von bodenbrütenden Vögeln aus. Dass er dadurch andere Tierarten völlig ausrotten könnte, gilt bei Tierforschern zwar als unwahrscheinlich. Dennoch ist er ein so genannter Faunenverfälscher. Daher plädieren nicht nur Wildtierforscher dafür, seine Population in Schranken zu halten. Auch Naturschutzverbände schließen sich dem an. Reinhard Löhmer beispielsweise, vom niedersächsischen Landesverband des BUND, steht einer Bejagung sonst sehr kritisch gegenüber:

    " Dennoch muss man das schon biologisch sehen, dass er eigentlich ursprünglich in unserem Ökosystem nicht vorhanden war und insofern ein Fremdling ist. "

    Nur auf die Art des richtigen Bejagens kommt es dem Naturschützer schon an:

    " Bei uns kommt nur der Abschuss in Frage, Fallenfang ist abzulehnen, in der Fortpflanzungsperiode darf man sicher das Weibchen nicht bejagen. Der Schuss vom Hochsitz oder bei der Pirsch ist - wenn er ordnungsgemäß gemacht wird - sicher zu vertreten."

    Und wer Waschbären mag, der sollte sie bei aller Tierliebe weder bedrängen - sonst wehren sie sich mit den Krallen - noch mit Futter locken, so der Expertentipp:

    " Ich wäre schon dafür, dass man grundsätzlich alle Abfälle so entsorgt, dass da keiner von profitieren kann. Wenn sie an Komposthaufen gehen, dann bleibt da eigentlich nur die Lösung, solche Dinge in die Tonnen zu bringen, wo der Waschbär nicht ran kann. "