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Der andere Code

Biologie. - Bakterien sind unverzichtbare Partner bei der Verdauung und stellen überdies einige wichtige Vitamine zur Verfügung. Aber niemand weiß bisher, wer da alles im Darm lebt. Das soll sich jetzt mit dem europäischen Projekt Metahit ändern. Auf der Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Genetik in Köln wurden erste Ergebnisse vorgestellt.

Von Michael Lange |
    Der menschliche Darm ist für Bakterien ein idealer Lebensraum. Hier leben 100 Mal mehr Bakterienzellen als der Mensch Körperzellen besitzt. Die Vielfalt dieses Ökosystems soll jetzt mit Hilfe der Genom-Analyse erforscht werden. Der Mikrobiologe Dusko Ehrlich vom französischen staatlichen Forschungszentrum Inra in der Nähe von Paris koordiniert das EU-Projekt Metahit.
    "70 oder 80 Prozent der Bakterien in unserem Darm können wir nicht im Labor kultivieren und vermehren. Deshalb untersuchen wir ihre Erbmoleküle, die DNA. Wir gewinnen sie einfach aus Stuhlproben. Im Stuhl finden wir das Erbgut aller Bakterien, die im Darm leben, und dann analysieren wir alle Gene, die wir finden."

    Genau wie im Human-Genom-Projekt geht es bei Metahit darum, die Reihenfolge der Informationsbausteine vollständig zu erfassen. Sequenzieren nennen das die Wissenschaftler. Aber das Projekt erforscht nicht einen Organismus, der in jeder Zelle das gleiche Erbgut trägt, sondern Hunderte verschiedene Arten. Jede mit ihrem eigenen Erbgut. Millionen fremde Gene, die sich in unserem Darm tummeln. Ehrlich:

    "Metahit läuft gerade einmal eineinhalb Jahre. Und wir haben bereits 1000 Bakterien-Genome vollständig entziffert. Die Gesamtmenge aller von uns entzifferten genetischen Buchstaben ist schon jetzt 200 Mal so groß wie beim Human-Genom-Projekt. Die Technik hat sich seitdem enorm verbessert."

    Erst im Computer entsteht aus der riesigen Menge der Sequenzen ein Gesamtbild. Dabei beschränkt sich das Projekt nicht auf den Darminhalt eines Menschen. Von Anfang an finden vergleichende Untersuchungen bei mehreren Personen statt. Dusko Ehrlich wagt eine vorsichtige Interpretation der ersten Ergebnisse.

    "Wir haben bisher 3,3 Millionen bakterielle Gene erfasst. Sie stammen aus den Stuhlproben von 120 Testpersonen: 80 aus Dänemark und 40 aus Spanien. Die Gene in den Stuhlproben weisen große Übereinstimmungen auf. Überall ähnliche Gene von ähnlichen Bakterienarten – und das gleiche fanden wir auch beim Vergleich mit Probanden aus den Vereinigten Staaten und Japan."

    Etwa 150 Bakterienarten kommen anscheinend überall auf der Welt vor. Sie bilden den harten Kern der Darmbewohner. Jeder Mensch hat sie. Aber es gibt auch Unterschiede zwischen verschiedenen Personen. Und auf die kommt es an, wenn die Daten von Metahit in Zukunft Anwendung in der Medizin finden sollen. Ehrlich:

    "Bei Metahit konzentrieren wir uns auf zwei Krankheitsbilder. Zum einen erforschen wir entzündliche Darmerkrankungen, zum anderen starkes Übergewicht. Wir wissen schon jetzt: Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen den Genen der Bakterien im Darm und dem Übergewicht des Menschen."

    Dick oder dünn? Krank oder gesund? Die Bakterien im Darm und ihre Gene spielen eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Menschen. Ob und wie sie gedeihen, das wiederum entscheidet nicht zuletzt die Nahrung, die ihr Mensch ihnen liefert. Denn ganz gleich, was wir zu uns nehmen, die Bakterien essen mit.