Archiv


Der Argument-Verlag. Ein Radioporträt

Fusionen und Zusammenschlüsse, Aufkäufe, Imprints und Verminderung der Titelzahl: Die Konzentration am Buchmarkt schreitet fort. Überschaubar die Zahl der Verlage, die zwischen den Branchenriesen Bertelsmann und Holtzbrinck noch existieren können. Und gerade planen einige von ihnen, in Zukunft enger zu kooperieren. Umso schwieriger wird das Geschäft für die Klein- und Kleinstverlage. Wer am Markt gehört werden will, muss darum besondere Weisen singen. Eine altes Lied singt auch der Hamburger Argument Verlag - und manche würden sagen: ein garstig Lied. 1959 von dem Berliner Philosophen Wolfgang Fritz Haug und seiner Frau, der Soziologin Frigga Haug, gegründet, vertrieb der Verlag zunächst nur ein einziges Produkt: die linke Theoriezeitschrift "Das Argument". Ursprünglich als Organ der gerade sich formierenden Anti-Atombewegung gegründet, entwickelte sich das Blatt zu einer bedeutenden Stimme der Studentenrevolte der 60er Jahre. Dann aber änderten sich die Zeiten: "Die Studentenbewegung ebbte weg, die wenigen Stützpunkte im Lehrkörper als sonderbare Solitäre zurücklassend", schreibt rückblickend und fast ein wenig melancholisch der Herausgeber Wolfgang Fritz Haug. Doch seinen ideologischen Wurzeln ist der Verlag bis heute treu geblieben - mit einer Konsequenz, die ihn sympathisch macht, gerade, weil sie soviel kostet. Dazu Verlagssprecherin Else Laudan:

Kersten Knipp |
    Wir existieren against all odds, das heißt, in einer ökonomisch für uns geradezu feindlichen Landschaft von Buchmarkt, existieren wir gegen jede Wahrscheinlichkeit mit relativ großen Erfolgen immer wieder, weil wir notwendig sind.

    Ein kleiner Trost vielleicht: Wer weiß, dass er notwendig ist, erträgt die Mühen leichter. Ökonomie, Globalisierung, Neoliberalismus, aber auch Feminismus und cultural studies sind die Schwerpunkte des Verlags. Themen also, die ihre Leser finden - auch wenn man von hohen Auflagen weiterhin nur träumen darf. Und wo die Marktanteile so überschaubar sind, da müssen andere Beweggründe her. Laudan zählt dazu vor allem die Treue ihrer Leserschaft:

    Es wird natürlich anstrengender und zehrender, ein Gegenprogramm zu machen, aber irgendwie auch bedeutender, und die Menschen, die uns wahrnehmen, nehmen uns, denke ich, wirklich auch als einen Verlag wahr, der ein überlebender Verlag ist und auch weiter zu überleben gedenkt. Und das wird dann auch sehr stark goutiert, und das heißt, wir kriegen dann auch eine gewisse Liebe von unserem Publikum dafür zurück, dass wir eben nicht in dieser Konzentration irgendwo stecken, sondern dass wir unsere Unabhängigkeit erhalten.

    Diese Unabhängigkeit kann der deutschen Kulturlandschaft nur gut tun. Denn sie wirkt ungemein belebend. So hat der Argument Verlag die Schriften von Stuart Hall veröffentlicht, einem, wenn nicht dem führenden Vertreter der british cultural studies. Bekannt wurde Hall durch seine Beiträge zur zeitgenössischen Identitätstheorie, die die Probleme des Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften zu entschärfen suchten. Aber auch das zehnbändige Gesamtwerk des italienischen Theoretikers Antonio Gramsci hat der Verlag in jahrelanger Arbeit herausgegeben - gerade ist der letzte, abschließende Registerband erschienen. Auf absehbare Zeit unabgeschlossen wird hingegen das von Wolfgang Fritz Haug herausgegebende "Historisch-Kritische Wörterbuch des Maxismus" bleiben. Bisher ist es erst bei dem Buchstaben "G" - wie "Gegenmacht" - angekommen. So erfrischend die Impulse aus einer derzeit eher vergessenen Provinz des politisch-kulturellen Denkens auch sind - riskiert der Verlag mit einem solchen Programm nicht, sich in Zeiten eines blühenden Kapitalismus endgültig in eine bestimmte ideologische Ecke zu stellen? Else Laudan:

    Ich denke, der Kapitalismus macht uns zu einem skurilen Phänomen, aber umso stolzer sind wir darauf, dass wir existieren können. Wir werden gebraucht, es gibt einen Bedarf für Diskussion, wir müssen das machen, wir müssen auch unsere eigenen Inhalte immer wieder hinterfragen, modifizieren, wir müssen auch in Bezug auf das Programm, das wir machen, auch im Wissenschaftsbereich, immer wieder neue Generationen von Problemen mit einbeziehen.

    Kritisches Denken will gelernt sein - doch bisweilen ist es schön, wenn das Denken mühelos vonstatten geht. Wohl deshalb hat der Verlag Ende der 80er Jahre auch ein literarisches Programm aufgelegt, "Ariadne" mit Namen. Der Schwerpunkt liegt auf Krimis - in denen meist Frauen die Helden, sprich Detektivinnen, sind. Und für junge Leser gibt es seit einiger Zeit die Reihe "nachtbrenner". Doch in welchem Verhältnis steht die Belletristik zur Theorie und Wissenschaftsreihe? Ist sie bloß ein weiterer Geschäftszweig? Oder ergänzt sie das bisherige Programm? Laudan:

    Ja sie ergänzt es, und sie ist aus ihm erwachsen. Um es ganz kurz zu sagen, es folgt natürlich der Idee von Gramsci mit der Politik des Kulturellen, und es zieht natürlich auch die Lehre aus den vergangenen Dekaden, die ja grob vereinfacht lautet: Wenn die Linke meint, dass populäre Kultur zu schnöde ist, um sich damit zu befassen, dann wird die Linke niemals das von ihr so stark gesuchte Volk erreichen können. Und infolgedessen machen wir unsere Romane ganz dezidiert mit dem Ziel, sie sollen auf eine unterhaltsame und vergnügliche und geradezu kultfähige Weise aufklärerisch sein, subversiv sein, und Gegenkultur zelebrieren, die Kritik am Herrschenden zelebrieren, und insofern eigentlich unsere wissenschaftlichen Ansprüche abrunden und ergänzen.

    Hintergründige Motive also treiben den Argument-Verlag - und müssen ihn auch treiben. Denn Werben und Verkaufen ist eine hohe Kunst. Hoffen wir, dass die engagierten Hamburger Verleger sich weiter in ihr üben werden.

    Der Argument-Verlag im Internet: http://www.argument.de