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Der Ausstieg ist "auf jeden Fall alarmierend"

Die offizielle Verkündigung des kanadischen Ausstiegs aus dem Kyoto-Protokoll sei alarmierend, aber gebe nun auch die Möglichkeit zum offiziellen Protest der Staatengemeinschaft, sagt Katharina Reuter von der klima allianz deutschland. Kanada umgehe mit dem Ausstieg Strafzahlungen in Höhe von 10,5 Milliarden Euro.

Katharina Reuter im Gespräch mit Theo Geers | 13.12.2011
    Theo Geers: Es ist ein Austritt mit Ansage. Schon vor einem Jahr hatte das Öl und Rohstoff reiche Kanada angekündigt, aus dem Kyoto-Protokoll auszusteigen. In Durban auf dem Klimagipfel letzte Woche wurde dies bereits heftig kritisiert, aber die Regierung in Ottawa hat gestern Abend diese Ankündigung wahr gemacht. Kanada lässt andere Industrieländer, vor allem die Europäer, beim Klimaschutz sitzen und sagt erst mal "Klimaschutz, ohne uns". – Am Telefon in Berlin ist jetzt Katharina Reuter von der klima allianz deutschland, in der sich 110 verschiedene Organisationen wie Umweltverbände, Gewerkschaften, Kirchen und so weiter zusammengeschlossen haben. Frau Reuter, wie ist denn dieser Schritt Kanadas zu beurteilen? Ist das ein Sargnagel für den Klimaschutz?

    Katharina Reuter: Es ist auf jeden Fall alarmierend, dass das jetzt auch offiziell verkündet wurde, und bietet aber natürlich nun auch für die Staatengemeinschaft und die anderen Länder die Möglichkeit, das auch wirklich offiziell zu kritisieren und offiziell dagegen zu protestieren. Man darf das jetzt so nicht stehen lassen und muss das scharf zurückweisen, zumal ja tatsächlich gerade am Wochenende in Durban die Durban-Plattform verabschiedet wurde und es nun darum geht, bis Mai Reduktionsziele für jedes Land festzuschreiben, und da muss die Arbeit jetzt sozusagen begonnen werden.

    Geers: Bleiben wir noch mal kurz beim Einordnen, Frau Reuter. Wie groß ist denn eigentlich der CO2-Ausstoß Kanadas und welchen Anteil hat das Land am weltweiten CO2-Ausstoß?

    Reuter: Am weltweiten CO2-Ausstoß hat Kanada nur einen Anteil von knapp zwei Prozent. Das Problem ist aber, weil es ja die drittgrößten Ölreserven der Welt hat und quasi einfach auch durch die konservative Regierung massiv auf das fossile Zeitalter noch setzt, haben die einen sehr, sehr hohen Pro-Kopf-CO2-Ausstoß. 18 Tonnen gehen da auf jeden kanadischen Kopf quasi, und wenn wir das Ziel der Klimagerechtigkeit in der Welt anstreben, dann haben wir für jeden Kopf nur zwei Tonnen zur Verfügung. Da sieht man quasi, wie stark dort die fossilen Strukturen und die Förderung on Öl und auch der Abbau der Teersande, wie das zum CO2-Ausstoß beiträgt.

    Geers: Nun sagt die Regierung in Kanada, sie zeigt mit dem Finger auf China und die USA, die machten auch nicht mit beim Klimaschutz, also beim Kyoto-Protokoll, deshalb müsse auch Kanada nicht länger dabei sein. Überzeugt Sie das, oder stehen in Wirklichkeit andere Gründe dahinter?

    Reuter: Das überzeugt uns natürlich nicht, weil der Umweltminister hat es ja auch hinterhergeschoben: Sie umgehen damit Strafzahlungen in Höhe von 10,5 Milliarden Euro, und das ist natürlich eine ganze Stange Geld. Sie finden quasi jetzt einfach dieses Schlupfloch, vorher aus dem Vertrag auszusteigen und dann immer sagen zu können, wir haben es ja gar nicht beweisen müssen, wir hätten so ungefähr im letzten Jahr das noch schaffen können. Es ist aber so, dass sie ihre Reduktionsverpflichtungen – wir hatten gesagt, sechs Prozent bis 2012 – das schaffen sie nicht, sondern im Gegenteil: Sie haben den CO2-Ausstoß erhöht um 35 Prozent.

    Geers: Das ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass sie eigentlich reduzieren müssten. Jetzt ist natürlich die spannende Frage, Frau Reuter: Gibt es jetzt wo möglich Nachahmer? Russland, Japan haben auch schon Ähnliches angekündigt wie Kanada, und die spannende Frage heißt ja auch für uns in Europa: Wird hier nicht jetzt auch gefragt werden, warum wir mehr für den Klimaschutz tun müssten, wenn andere wie Kanada sich davon verabschieden?

    Reuter: Es ist richtig, dass auch der Umweltminister von Kanada, Peter Kent, gesagt hat, es würde ihn nicht wundern, wenn andere nachziehen. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass Japan und Russland da jetzt nachziehen, was auch jetzt die Verhandlungen im Rahmen der UN-Klimakonferenz einfach gezeigt haben. Und zum Thema EU: Die EU muss jetzt sich ganz klar in dem Prozess bis Mai positionieren und dort Reduktionsziele festschreiben, die wirklich ambitioniert sind. Das muss mindestens das 30-Prozent-Ziel, wenn nicht das 40-Prozent-Ziel bis 2020 sein.

    Geers: Ausstieg mit Ansage – Kanada steigt beim Kyoto-Protokoll aus. In jedem Fall ein Rückschlag für den internationalen Klimaschutz, sagt Katharina Reuter von der klima allianz deutschland. Vielen Dank nach Berlin.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.