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Der bewegte Kosmos

Astronomie.- Unser Sonnensystem als ganzes bewegt sich durch die Milchstraße, die sich wiederum um sich selbst dreht und sich außerdem auf die Nachbargalaxie Andromeda zubewegt. Wenn also selbst die großen Strukturen im Weltraum ein Drehmoment haben, was liegt näher als die Frage nach der Drehung des Alls insgesamt zu stellen?

Von Guido Meyer | 22.08.2011
    600 Millionen Lichtjahre weit hat ein Astronomenteam von der University of Michigan ins All geblickt. Die sechs Wissenschaftler um den Physiker Michael Longo in Ann Arbor haben sich dabei den nördlichen Sternenhimmel vorgenommen. Beobachtungsziel war schlicht herauszufinden, in welche Richtung sich die dort vorhandenen Galaxien eigentlich drehen.

    "Wir haben die Drehung von 18.000 Galaxien untersucht. Dabei stießen wir auf ein Missverhältnis: Es drehen sich sieben Prozent mehr Galaxien links- als rechtsherum. Dass dieser Überschuss purer Zufall ist, halten wir für so gut wie ausgeschlossen. Das wäre so, als würfen sie 10.000 Mal eine Münze und erhielten sieben Prozent mehr Kopf als Zahl. Das ist extrem unwahrscheinlich."

    Wenn nicht der Zufall Grund dafür ist, dass sich die Mehrheit der Galaxien im Uhrzeigersinn dreht, muss es dafür eine andere Ursache geben – so die Überlegungen der amerikanischen Astronomen. Jemand oder besser etwas muss den Galaxien einen Schubs verliehen haben, und zwar überwiegend den gleichen Schubs, in die gleiche Richtung.

    "Wenn sich alles im All dreht, erscheint es wahrscheinlich, dass das Universum schon mit einem Drehmoment geboren wurde. Der Urknall selbst dürfte einen Spin gehabt haben, der einen sich drehenden Kosmos entstehen ließ."

    Da die wenigsten Explosionen völlig homogen und in alle Richtungen gleichmäßig ablaufen, erscheint die Möglichkeit solch eines Drehimpulses plausibel. Die Galaxien hätten sich dann kaum gegen diesen Sog der Rotation des Raums insgesamt wehren können und den Drehmoment übernommen. Doch so einleuchtend diese Erklärung zunächst klingen mag, so wirft sie doch gleich die nächste Frage auf:

    "Wenn sich das Universum dreht, müssen wir uns nach dem Bezugspunkt fragen. "Worin" dreht es sich? Meine Antwort ist: Es dreht sich relativ zu anderen Universen, in einem Hyper-Raum. In diesem Multiversum gäbe es eben nicht nur unser Universum, sondern viele andere. Manche drehen sich rechts-, andere linksherum. Wir können sie nur derzeit nicht nachweisen, da wir nicht einfach aus unserem Universum herausblicken können."

    Schon gibt es Gegenstimmen, die argumentieren, die neuesten Beobachtungen würden keinesfalls das Postulat der Kosmologen verletzen, wonach das Weltall – in großen Maßstäben betrachtet – homogen aufgebaut ist. Schließlich wäre es möglich, dass es sich in entfernten, von der Erde aus nicht einsehbaren Regionen des Kosmos' mit dem Drehmoment ganz anders verhält. Michael Longo:

    "Das wäre natürlich möglich. Es wäre jedoch schwer nachzuvollziehen, warum ein so großes wie das von uns untersuchte Gebiet Galaxien mit der einen Drehrichtung hervorgebracht haben soll und Galaxien sich außerhalb davon andersherum drehen. Dafür gibt es kein Modell."

    Als nächstes will sich das Team nun den südlichen Sternenhimmel vornehmen. Sollte es hier zum selben Ergebnis kommen – in diesem Fall also: dass sich die Mehrheit der Galaxien rechtsherum dreht – , wäre dies, so Michael Longo, ein Beweis für die Drehung des Weltalls insgesamt. Und dies käme einem ersten indirekten Nachweis der Existenz eines schon lange postulierten Hyperraums mit weiteren Universen gleich. Jedenfalls so lange, bis jemand eine bessere Erklärung findet.