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Der Blick in die Glaskugel

Auf dem Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart muss Parteichef Philipp Rösler die Erwartungen seiner Partei erfüllen. Seine Rede könnte zur Schicksalsrede werden. Stefan Maas hat einen Blick in die Zukunft geworfen und sich in die Rolle des FDP-Chefs begeben.

Von Stefan Maas |
    "Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,"

    Es ist auf den Tag ein Jahr her, da stand statt meiner hier noch Guido Westerwelle an genau dieser Stelle. Ein angeschlagener Parteichef einer angeschlagenen Partei. Damals haben alle gesagt: Es ist die wichtigste Rede seines politischen Lebens. Kann er das Ruder noch einmal herumreißen für die Partei? Für sich? Immerhin hat er stets gesagt - Sie erinnern sich vielleicht an Guido Westerwelle:

    "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt's einen, der die Sache regelt."

    Ich muss die Sache nun regeln. Und ich wäre froh, wenn die FDP überhaupt noch ein Schiff wäre. Schaut man auf die Umfragewerte, dann sind uns ein paar Planken geblieben. Mal zwei, mal vier, aber konstant weniger als fünf. In den Umfragen bläst uns der Wind direkt ins Gesicht.

    "Trotz der Erfolge, die wir haben, die auch mit Zahlen belegbar sind, verbinden die Menschen diese Erfolge nicht mit uns. "

    Und dann haben ab Oktober ein paar Parteifreunde auch noch versucht, ein S.O.S-Feuer anzuzünden, mit den paar Schiffsplanken. Rettungsring für die FDP statt für Europa. Aber die Parteispitze hat tapfer gekämpft, um auf unserem europafreundlichen Kurs zu bleiben. Sie, liebe Freundinnen und Freunde, haben das Feuer ja dann auch zum Glück ausgetreten.

    "Und darauf können wir stolz sein ... "

    ... wenn auch eigentlich nicht genug von Ihnen mitgemacht haben, damit es eine richtig bindende Entscheidung gab.
    Wenigstens musste ich so nicht als Verlierer über die Planke gehen. Aussetzen im Beiboot hätten sie mich auch nicht gekonnt. Mit dem hat sich kurz vorher Christian Lindner davon gemacht - ohne das neue Grundsatzprogramm fertig zu stellen. Und das, wo sich doch alle fragen: Wofür steht die FDP eigentlich noch - außer für umfassende Steuersenkungen, die dann nicht einmal kommen?

    "Die letzten Monate waren für mich ganz schon hart. Und ich frage mich ... wie war das wohl für Sie? "

    Als Wahlkämpfer. Zu sehen, wie wir immer wieder gescheitert sind an der Fünf-Prozent-Hürde. In Sachsen- Anhalt, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Bremen.

    "Solch eine Situation darf sich für die Freien Demokraten in Deutschland nicht noch einmal wiederholen."

    Wenigstens in unserem Stammland Baden-Württemberg haben wir es - zwar nicht in die Regierung, aber wieder in den Landtag geschafft. Mit 5,3 Prozent. Immerhin die Hälfte von dem, was wir fünf Jahre vorher hatten. Im Bund können wir das wohl vergessen. Glauben sie mir, wenn ich sage: Bescheidenheit - auch das ist neuerdings liberal! Und so sollten wir uns auch eingestehen. Der große steuerpolitische Wurf wird uns wohl in dieser Legislaturperiode nicht mehr gelingen. Das ist nicht schlimm, denn so liegen wir endlich wieder auf einer Linie mit unseren potenziellen Wählerinnen und Wählern, die wollen ob der Eurokrise und der enormen Staatsverschuldung ja auch gar keine Steuersenkungen.

    "Schluss mit der Trauer, Schluss mit den Tränen. Jetzt ist es an der Zeit, die Taschentücher wegzupacken."

    Wir haben nämlich viel erreicht.

    "Den Menschen in Deutschland geht es heute besser als zu Zeiten der Großen Koalition."

    Doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Es gibt immer weniger junge Fachkräfte, die die anspruchsvollen Jobs noch erledigen können. Was haben wir hier bei der FDP im vergangen Jahr händeringend gesucht als wir Guido Westerwelle loswerden wollten. Auch deshalb ist es wichtig, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fördern. Es wird ja jetzt schon nach Ihnen gerufen - sie sollen es richten.

    "Liebe Freunde ... "

    ... doch es gilt auch: die Älteren sollten den Jüngeren nicht die Jobs wegnehmen. Auch deshalb ist die Rente mit 67 wichtig.

    Mit 67 sollte wirklich Schluss sein im Job, dann sollte man sich zurückziehen, die Früchte seiner Arbeit genießen können. Wenn's auch noch sechs Monate zu früh ist, an dieser Stelle schon einmal vorab meinen herzlichen Glückwunsch an unseren Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle - zum 67. Geburtstag.

    Ihm rufe ich zu - Du weißt: Wir Liberale können kämpfen, auch ich bin ein Kämpfer - selbst wenn mein neuer Generalsekretär mir in Interviews in den Rücken fällt.

    "Es war für mich enttäuschend ... "

    Was aber bleibt mir übrig, dieses Jahr: Die FDP-Fraktion im Saarland ist seit Wochen ohne Führung und gefährdet damit die Jamaika Koalition. Im bayerischen Memmingen löst sich gerade ein kompletter Kreisverband auf, weil er unsere Politik nicht mehr ertragen kann. Wenn die Wahl in Kiel, wo wir noch in der Regierung sind und lokal gut verankert - wenn diese Wahl in die Hose geht, dann muss ich wirklich über die Planke und die Liberale Partei kann sich versenken. Das sieht nicht gut aus. Aber bleiben wir bescheiden optimistisch: wir haben ja auch erst den 06. Januar. Ein ganzes Jahr liegt noch vor uns. Ein Jahr, in dem wir den Menschen beweisen müssen, was wir können:

    "Liebe Wählerinnen und Wähler. Ab heute wird die FDP liefern."