Ein bundesdeutsches Meinungsforschungsinstitut befragte von 1961 bis 1989 im Auftrag der Bundesregierung regelmäßig DDR-Besucher nach ihren Eindrücken von der Reise in den Osten und verglich sie mit den Meinungen aller Bundesbürger. Die Ergebnisse blieben streng vertraulich, standen sie doch im Gegensatz zur politischen Rhetorik von den Schwestern und Brüdern drüben oder der Einheit der deutschen Nation.
1973 betrachtete ein Viertel der Westdeutschen die DDR als Ausland, 15 Jahre später war es bereits ein Drittel; unter den 14- bis 29-Jährigen sogar mehr als die Hälfte. 1987 hielten nur drei Prozent der Bundesbürger die Wiedervereinigung für ein realistisches politisches Ziel. Unter den attraktiven Reiseländern rangierte die DDR auf dem vorletzten Platz, noch hinter Polen. Nur die Sowjetunion hatte ein noch schlechteres Image. 95 Prozent lehnten ein Leben in der DDR ab.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Anne Köhler führte damals die Befragungen durch:
"Zirka ein Drittel der Bundesbevölkerung zeigten sich interessiert an der DDR. Zwei Drittel waren demgegenüber weniger beziehungsweise gar nicht interessiert. Also das ist auch unterdurchschnittlich gegenüber dem allgemeinem politischen Interesse. "
Bis zum Untergang der DDR hatten zwei Drittel der Bundesbürger noch nie Ostdeutschland besucht. Aber ihre Ansichten unterschieden sich kaum von den Personen, die den SED-Staat kennen gelernt hatten. Reisen bildete im deutsch-deutschen Kontext offensichtlich nicht. Die Einstellungen änderten sich nicht.
Der schwerwiegendste Vorwurf an die Adresse der westdeutschen Gesellschaft und Politik lautet, das soziale Leben in der DDR nicht wahrgenommen zu haben. Nach dem Mauerbau hätten bundesdeutsche Politiker den Blick für die DDR-Realität verloren, meint der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk von der Birthler-Behörde:
"Dass es eigentlich nicht mehr um die Verhältnisse im Inneren der DDR und der anderen osteuropäischen kommunistischen Staaten ging, sondern dass diese Systeme eigentlich nur noch als Vehikel gewissermaßen dienten für die große Politik, ohne dass tatsächlich kommuniziert wurde, was sich dort im Inneren abspielte. Was sich vor allen Dingen darin niederschlägt, dass die Gesellschaft in diesen Systemen, der Widerstand, Opposition, aber auch das anpassungsbereite Verhalten, kaum noch reflektiert wurde."
Ein ähnliches Bild findet sich in westdeutschen Geschichts- und Sozialkundebüchern. Im Vordergrund standen politische Ereignisse wie die Gründung der DDR, der Aufstand vom 17. Juni oder der Mauerbau.
Andreas Helmedach vom Braunschweiger Georg-Eckert-Institut für Schulbuchforschung:
"Was aber in den Schulbüchern bis Ende der 70er Jahre und noch darüber hinaus überhaupt nicht thematisiert worden ist, ist das Alltagsleben der DDR im weitesten Sinne, Sozialgeschichte, also alle die Themen, durch die die Kinder überhaupt einen Einblick in die Lebensrealität der DDR-Bevölkerung hätten gewinnen können auf westlicher Seite. Diese Themen wurden in den Büchern nicht behandelt, und zwar interessanterweise auch dann nicht, als diese Themen in den westdeutschen Büchern für die Bundesrepublik aufgekommen sind bereits. "
So blieb die DDR bis zu ihrem Untergang eine Terra Incognita, ein fernes, weithin unbekanntes Land. Die Folgen dieser jahrzehntelangen asymmetrischen Fremdheitserfahrung - ein Phänomen, das von West nach Ost, nie aber von Ost nach West zu beobachten war - die Folgen sind bis heute spürbar.
Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam, sieht ein so großes Gefälle zwischen West und Ost, dass DDR-Klischees bis zum Fall der Mauer kaum aufkommen konnten.
"Ich würde fast sagen, die Gesellschaft der DDR geriet aus dem westdeutschen Blick, und da war für Stereotypen-Bildung eigentlich wenig Anlass. Nach 1989/90 haben wir diese Stereotypen-Bildung, und dann allerdings in beide Richtungen, des Ossis, des Wessis. Und ich denke, dass erst im Zusammenwachsen das Maß an Fremdheit deutlich wurde, das für Stereotypen-Bildung immer Anlass gibt. Und diese Stereotypen-Bildung wird sicherlich auch noch eine Weile anhalten und sich möglicherweise zu dauerhaften regionalen Wahrnehmungsunterschieden entwickeln."
1973 betrachtete ein Viertel der Westdeutschen die DDR als Ausland, 15 Jahre später war es bereits ein Drittel; unter den 14- bis 29-Jährigen sogar mehr als die Hälfte. 1987 hielten nur drei Prozent der Bundesbürger die Wiedervereinigung für ein realistisches politisches Ziel. Unter den attraktiven Reiseländern rangierte die DDR auf dem vorletzten Platz, noch hinter Polen. Nur die Sowjetunion hatte ein noch schlechteres Image. 95 Prozent lehnten ein Leben in der DDR ab.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Anne Köhler führte damals die Befragungen durch:
"Zirka ein Drittel der Bundesbevölkerung zeigten sich interessiert an der DDR. Zwei Drittel waren demgegenüber weniger beziehungsweise gar nicht interessiert. Also das ist auch unterdurchschnittlich gegenüber dem allgemeinem politischen Interesse. "
Bis zum Untergang der DDR hatten zwei Drittel der Bundesbürger noch nie Ostdeutschland besucht. Aber ihre Ansichten unterschieden sich kaum von den Personen, die den SED-Staat kennen gelernt hatten. Reisen bildete im deutsch-deutschen Kontext offensichtlich nicht. Die Einstellungen änderten sich nicht.
Der schwerwiegendste Vorwurf an die Adresse der westdeutschen Gesellschaft und Politik lautet, das soziale Leben in der DDR nicht wahrgenommen zu haben. Nach dem Mauerbau hätten bundesdeutsche Politiker den Blick für die DDR-Realität verloren, meint der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk von der Birthler-Behörde:
"Dass es eigentlich nicht mehr um die Verhältnisse im Inneren der DDR und der anderen osteuropäischen kommunistischen Staaten ging, sondern dass diese Systeme eigentlich nur noch als Vehikel gewissermaßen dienten für die große Politik, ohne dass tatsächlich kommuniziert wurde, was sich dort im Inneren abspielte. Was sich vor allen Dingen darin niederschlägt, dass die Gesellschaft in diesen Systemen, der Widerstand, Opposition, aber auch das anpassungsbereite Verhalten, kaum noch reflektiert wurde."
Ein ähnliches Bild findet sich in westdeutschen Geschichts- und Sozialkundebüchern. Im Vordergrund standen politische Ereignisse wie die Gründung der DDR, der Aufstand vom 17. Juni oder der Mauerbau.
Andreas Helmedach vom Braunschweiger Georg-Eckert-Institut für Schulbuchforschung:
"Was aber in den Schulbüchern bis Ende der 70er Jahre und noch darüber hinaus überhaupt nicht thematisiert worden ist, ist das Alltagsleben der DDR im weitesten Sinne, Sozialgeschichte, also alle die Themen, durch die die Kinder überhaupt einen Einblick in die Lebensrealität der DDR-Bevölkerung hätten gewinnen können auf westlicher Seite. Diese Themen wurden in den Büchern nicht behandelt, und zwar interessanterweise auch dann nicht, als diese Themen in den westdeutschen Büchern für die Bundesrepublik aufgekommen sind bereits. "
So blieb die DDR bis zu ihrem Untergang eine Terra Incognita, ein fernes, weithin unbekanntes Land. Die Folgen dieser jahrzehntelangen asymmetrischen Fremdheitserfahrung - ein Phänomen, das von West nach Ost, nie aber von Ost nach West zu beobachten war - die Folgen sind bis heute spürbar.
Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam, sieht ein so großes Gefälle zwischen West und Ost, dass DDR-Klischees bis zum Fall der Mauer kaum aufkommen konnten.
"Ich würde fast sagen, die Gesellschaft der DDR geriet aus dem westdeutschen Blick, und da war für Stereotypen-Bildung eigentlich wenig Anlass. Nach 1989/90 haben wir diese Stereotypen-Bildung, und dann allerdings in beide Richtungen, des Ossis, des Wessis. Und ich denke, dass erst im Zusammenwachsen das Maß an Fremdheit deutlich wurde, das für Stereotypen-Bildung immer Anlass gibt. Und diese Stereotypen-Bildung wird sicherlich auch noch eine Weile anhalten und sich möglicherweise zu dauerhaften regionalen Wahrnehmungsunterschieden entwickeln."