Das einzige Frauengefängnis Österreichs 60 Kilometer südlich von Wien ist in einem kaiserlichen Jagdschloss untergebracht. Alle Frauen, die zu mehr als 18 Monaten verurteilt wurden, verbüßen dort ihre Strafe; derzeit sind es 150. In der Justizanstalt Schwarzau gibt es eine Mutter-Kind-Abteilung und einen eigenen Kindergarten.
Auch das Kulturprogramm hinter Gittern wird gefördert. Dennoch ist der Tagesablauf der Frauen streng geregelt und Arbeit Pflicht, ob in der Näherei, Gärtnerei oder in der Anstaltsküche. Frauen im Gefängnis zwischen Theater-AG und Hierarchiekämpfen, zwischen Psychotherapie und Berufsausbildung.
Noch vor vier Jahrzehnten gab es in keinem europäischen Land so viele Häftlinge pro Einwohner wie in Österreich. Doch nach einer großen Strafrechtsreform 1975 hat sich die Situation entschieden verändert: Österreich liegt mit 76 Gefangenen pro 100.000 Einwohnern im europäischen Durchschnitt. Seit jeher ist die Zahl inhaftierter Frauen im Vergleich zu den Männern sehr gering. Auch in der Alpenrepublik sind nur fünf Prozent aller Strafgefangenen Frauen.
Die Justizanstalt Schwarzau ist die einzige Frauenstrafvollzugsanstalt in ganz Österreich, alle Frauen mit Haftstrafen über 18 Monaten verbringen ihre Zeit hinter den vergitterten Fenstern des Barockschlosses. Derzeit sind es 160.
In die weitläufige Gefängnisanlage gelangt man durch ein doppeltes Schleusentor. Danach fällt der Blick auf das ehemalige Jagdschloss, strahlend weiß steht es inmitten einer weitläufigen Parkanlage. Schloss Schwarzau - ca. 60 km von Wien entfernt - ist ein geschichtsträchtiger Ort, 1911 wurde hier noch der letzte österreichische Kaiser vermählt, das Fest ist lang vorbei: jetzt beherbergt der Barockbau die Abteilungen: Jugend und Erstvollzug, den Normal und den Entlassungsvollzug sowie die Freigänger; und so flaniert unter den stattlichen Linden nicht mehr der Hochadel der K.u.k.-Monarchie, sondern hier leben jetzt, die, die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind.
Nachmittag, halb drei. Die tägliche Stunde Hofgang ist beendet. Silvia Kicker, stellvertretende Abteilungskommandantin im Jugend- und Erstvollzug, überprüft, ob wieder alle neun Jugendliche auf dem Stockwerk sind; brav stellen sie sich vor ihrer Zellentür auf; die jüngste ist 17.
" So wer fehlt noch, 2, 3, 4 ,5 ,6 ,7 ,8 ,9; super, gemma. "
Der Abzählmodus ist wohl noch ein Relikt der Militärwache aus der K.u.k.-Zeit. Das gleiche wiederholt sich auf der Abteilung für Erstvollzug .
Nicht immer stehen die jungen Frauen vor der Zellentüre stramm. Geduldig öffnet Silvia Kicker eine Zellentüre nach der anderen; oft läuft der Fernsehapparat. Die Zellen sind hier von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends unverschlossen. Köpfe schnellen hoch; Finger zeigen auf.
" Wo ist der Rest vom Schützenfest, 1, 2, 3, und wo ist die vierte? "
Zwei Füße ragen aus dem Stockbett. Leise ruft es "da".
Die größte Zelle ist ein Sechser-Belag; sonst sind es Zweier, Dreier und Vierer-Zellen; insgesamt dreiundvierzig Frauen. Der begleitende Wachjustizbeamte hakt sie alle ab. Passt.
Silvia Kicker trägt wie alle Justizwachebeamte Uniform. Das Pfefferspray am Gürtel ist ihre einzige Waffe; Angst hat sie keine. Zurück im Wachzimmer wirft Frau Kicker einen Blick in den Computer. Keine wichtigen Meldungen; Fabienne von Stock 2 muss zwischen drei und vier zur Einzeltherapie.
" Es muss ein Tagesablauf organisiert werden von uns. Das fängt in der früh an wenn die Frauen ausrücken in die Werkstätten, wenn jemand auf Ausgang gehen will, das muss organisiert werden; darauf achten dass die Frauen arbeiten gehen, weil manchmal wollens halt nicht. "
Silvia Kicker schaut auf die Uhr; um Drei beginnt der Betreuungsdienst; vier mal die Woche ist nachmittags Zeit für Töpfer- und Bastelarbeiten; Theaterspielen und vor allem zum Reden. Schon am Vormittag hat sich ein Mädchen für ein Gespräch angemeldet.
" Ich denke dass der Frauenstrafvollzug anders ist als bei den Männern. Bei den Frauen wird schon mehr gesprochen, über die Probleme wird mehr gesprochen, und deshalb glaub ich gibt's auch nicht so viel Aggression. "
Auch Sexualität ist ein Thema; gleichgeschlechtliche Liebe.
" Bei Frauen ist es ja oft so, dass es nicht um den Sexualtrieb geht, sondern, ich gehör zu jemanden, ich kann mit jemandem kuscheln, es drückt mich jemand, und da passiert es halt, dass so Pärchen auch entstehn. Ja wie ich angefangen hab vor 30 Jahren, war das noch verboten. "
Silvia Kicker wirkt entspannt; drei Jahrzehnte Berufserfahrung im Frauenstrafvollzug haben sie nicht hart, sondern offen gemacht. Am Anfang, mit 18 Jahren, als sie frisch nach ihrer Krankenpflegerausbildung zur Justizwache ging, hatte sie Probleme, ernst genommen zu werden. Heute ist sie Ratgeberin, Lehrerin, "Klagemauer" und vor allem Zuhörerin.
" Und ich bin so der Typ Mama überhaupt für die Jugendlichen. Und diese Rolle gefällt mir ganz gut (lacht). "
Ihr Lachen ist ansteckend. Fotos ihrer drei Kinder hängen über dem Schreibtisch. Drei Jahre lang hat sie Supervision gemacht; jetzt spricht sie lieber mit Kolleginnen über allfällige Probleme.
" Am Anfang ist es mir schon sehr vieles sehr nahe gegangen, bis ich gemerkt hab, dass das zuviel ist für mich, und seitdem kann ich mich abgrenzen. "
Silvia Kicker schaut auf einen Sprung in die Küche der Jugendabteilung. Zwei Mädchen machen sich Tee und einen Toast. Sie frieren ein wenig, nach dem Regenspaziergang im Hof.
" Ist dir so kalt? Das ist nicht gut. Bettina, möchtest du jetzt in die Bibliothek gehen wegen Bücher? "
In die Bibliothek im dritten Stock können die Mädchen ohne Begleitung gehen. Chantall lädt die 17-jährige Maria auf einen Toast in ihre Zelle ein. Die Jalousie ist herunter gelassen.
Chantall zündet sich eine selbstgedrehte Zigarette an; seit einem Jahr teilt sie ihre Zelle mit Fabienne, die wegen Beteiligung an einem Mord zehn Jahre Haft bekommen hat. Sie selbst war drogensüchtig und hat Heroin geschmuggelt; mit siebzehn wurde sie zum ersten Mal verhaftet. Heute ist sie 21.
" Ja, meine erste Verhaftung des war eigentlich eh schlimm weil da ist mein Freund weggerannt und hat mich mit meinem halben Kilo Heroin einfach so stehen lassen bei der Grenze und ich bin vor lauter Schock einfach noch steh blieben; ich weiß nicht, ich war im Schockzustand. "
Es folgen Therapie statt Strafe; eine gewonnene Miss-Wahl; Rückfall; Gefängnis; erneuter Rückfall. Chantall zieht die Ärmel ihres schwarzen Trainingsanzugs bis zu den Fingerspitzen. Inzwischen hat sie hier in der Frauenvollzugsanstalt eine Drogen-Gruppentherapie gemacht und die Lehre zur Restaurantfachfrau erfolgreich abgeschlossen; so wie ihre Freundin Fabienne.
" Im Moment geht's mir jetzt gut, es geht mir halt gut weil ich mich einfach wohl fühl und alles passt; ich wird ja eh da nach meiner Haft in Niederösterreich bleiben und ja so wie es ausschaut werd ich dableiben und ins betreute Wohnen in Neunkirchen gehen. Die Barkeeperschule will ich machen in Wien, und das will ich weiterarbeiten. "
Chantall springt auf und legt den deutsch-tunesischen Rapper Bushido auf.
Maria: " Wir sind das Dream-Team hier. (lacht) "
Chantall: " Ja, wir bringen alle immer zum lachen wenn's einem schlecht geht ... "
Rosa Luxemburg, die zusammen mit Karl Liebknecht die linke Opposition gegen den ersten Weltkrieg anführte, musste am 18. Februar 1915 ihre Haftstrafe im Frauengefängnis Berlin antreten. Sie ist des Hochverrats angeklagt. Als sie ein Jahr später entlassen wurde, wurde die politische Gefangene drei Monate schon wieder, zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Aus dieser Zeit sind auch viele Briefe erhalten, wie der an ihre Sekretärin Mathilde Jacob, aus dem August 1917.
Da die Zahl der inhaftierten Frauen im Verhältnis zu den Männern viel geringer ist, wurden ihre speziellen Probleme in der Vergangenheit weit weniger intensiv beachtet und untersucht Doch die Orientierung am Männerstrafvollzug wird den Bedürfnissen der Frauen nicht gerecht. So muss der Frauenstrafvollzug weniger stark gesichert werden, dafür ist aber vermehrt medizinische und psychologisch geschultes Personal nötig, um dem überdurchschnittlich hohen Anteil der Drogen- und Medikamentenabhängigen Frauen zu begegnen.
Die meisten Frauen in Haft hatten schon vor der Verurteilung Erfahrungen mit Drogen, viele waren sogar schwer abhängig. Beschaffungskriminalität ist bei Frauen deshalb der häufigste Grund für eine Gefängnisstrafe. Die Justizvollzuganstalt Schwarzau hat sich darauf eingestellt und bietet verschiedene Entzugstherapien an für Gruppen- oder Einzelne.
Und auch um die unschuldigsten Drogenopfer kümmert sich die Anstaltsleitung.
Auch das Kulturprogramm hinter Gittern wird gefördert. Dennoch ist der Tagesablauf der Frauen streng geregelt und Arbeit Pflicht, ob in der Näherei, Gärtnerei oder in der Anstaltsküche. Frauen im Gefängnis zwischen Theater-AG und Hierarchiekämpfen, zwischen Psychotherapie und Berufsausbildung.
Noch vor vier Jahrzehnten gab es in keinem europäischen Land so viele Häftlinge pro Einwohner wie in Österreich. Doch nach einer großen Strafrechtsreform 1975 hat sich die Situation entschieden verändert: Österreich liegt mit 76 Gefangenen pro 100.000 Einwohnern im europäischen Durchschnitt. Seit jeher ist die Zahl inhaftierter Frauen im Vergleich zu den Männern sehr gering. Auch in der Alpenrepublik sind nur fünf Prozent aller Strafgefangenen Frauen.
Die Justizanstalt Schwarzau ist die einzige Frauenstrafvollzugsanstalt in ganz Österreich, alle Frauen mit Haftstrafen über 18 Monaten verbringen ihre Zeit hinter den vergitterten Fenstern des Barockschlosses. Derzeit sind es 160.
In die weitläufige Gefängnisanlage gelangt man durch ein doppeltes Schleusentor. Danach fällt der Blick auf das ehemalige Jagdschloss, strahlend weiß steht es inmitten einer weitläufigen Parkanlage. Schloss Schwarzau - ca. 60 km von Wien entfernt - ist ein geschichtsträchtiger Ort, 1911 wurde hier noch der letzte österreichische Kaiser vermählt, das Fest ist lang vorbei: jetzt beherbergt der Barockbau die Abteilungen: Jugend und Erstvollzug, den Normal und den Entlassungsvollzug sowie die Freigänger; und so flaniert unter den stattlichen Linden nicht mehr der Hochadel der K.u.k.-Monarchie, sondern hier leben jetzt, die, die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind.
Nachmittag, halb drei. Die tägliche Stunde Hofgang ist beendet. Silvia Kicker, stellvertretende Abteilungskommandantin im Jugend- und Erstvollzug, überprüft, ob wieder alle neun Jugendliche auf dem Stockwerk sind; brav stellen sie sich vor ihrer Zellentür auf; die jüngste ist 17.
" So wer fehlt noch, 2, 3, 4 ,5 ,6 ,7 ,8 ,9; super, gemma. "
Der Abzählmodus ist wohl noch ein Relikt der Militärwache aus der K.u.k.-Zeit. Das gleiche wiederholt sich auf der Abteilung für Erstvollzug .
Nicht immer stehen die jungen Frauen vor der Zellentüre stramm. Geduldig öffnet Silvia Kicker eine Zellentüre nach der anderen; oft läuft der Fernsehapparat. Die Zellen sind hier von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends unverschlossen. Köpfe schnellen hoch; Finger zeigen auf.
" Wo ist der Rest vom Schützenfest, 1, 2, 3, und wo ist die vierte? "
Zwei Füße ragen aus dem Stockbett. Leise ruft es "da".
Die größte Zelle ist ein Sechser-Belag; sonst sind es Zweier, Dreier und Vierer-Zellen; insgesamt dreiundvierzig Frauen. Der begleitende Wachjustizbeamte hakt sie alle ab. Passt.
Silvia Kicker trägt wie alle Justizwachebeamte Uniform. Das Pfefferspray am Gürtel ist ihre einzige Waffe; Angst hat sie keine. Zurück im Wachzimmer wirft Frau Kicker einen Blick in den Computer. Keine wichtigen Meldungen; Fabienne von Stock 2 muss zwischen drei und vier zur Einzeltherapie.
" Es muss ein Tagesablauf organisiert werden von uns. Das fängt in der früh an wenn die Frauen ausrücken in die Werkstätten, wenn jemand auf Ausgang gehen will, das muss organisiert werden; darauf achten dass die Frauen arbeiten gehen, weil manchmal wollens halt nicht. "
Silvia Kicker schaut auf die Uhr; um Drei beginnt der Betreuungsdienst; vier mal die Woche ist nachmittags Zeit für Töpfer- und Bastelarbeiten; Theaterspielen und vor allem zum Reden. Schon am Vormittag hat sich ein Mädchen für ein Gespräch angemeldet.
" Ich denke dass der Frauenstrafvollzug anders ist als bei den Männern. Bei den Frauen wird schon mehr gesprochen, über die Probleme wird mehr gesprochen, und deshalb glaub ich gibt's auch nicht so viel Aggression. "
Auch Sexualität ist ein Thema; gleichgeschlechtliche Liebe.
" Bei Frauen ist es ja oft so, dass es nicht um den Sexualtrieb geht, sondern, ich gehör zu jemanden, ich kann mit jemandem kuscheln, es drückt mich jemand, und da passiert es halt, dass so Pärchen auch entstehn. Ja wie ich angefangen hab vor 30 Jahren, war das noch verboten. "
Silvia Kicker wirkt entspannt; drei Jahrzehnte Berufserfahrung im Frauenstrafvollzug haben sie nicht hart, sondern offen gemacht. Am Anfang, mit 18 Jahren, als sie frisch nach ihrer Krankenpflegerausbildung zur Justizwache ging, hatte sie Probleme, ernst genommen zu werden. Heute ist sie Ratgeberin, Lehrerin, "Klagemauer" und vor allem Zuhörerin.
" Und ich bin so der Typ Mama überhaupt für die Jugendlichen. Und diese Rolle gefällt mir ganz gut (lacht). "
Ihr Lachen ist ansteckend. Fotos ihrer drei Kinder hängen über dem Schreibtisch. Drei Jahre lang hat sie Supervision gemacht; jetzt spricht sie lieber mit Kolleginnen über allfällige Probleme.
" Am Anfang ist es mir schon sehr vieles sehr nahe gegangen, bis ich gemerkt hab, dass das zuviel ist für mich, und seitdem kann ich mich abgrenzen. "
Silvia Kicker schaut auf einen Sprung in die Küche der Jugendabteilung. Zwei Mädchen machen sich Tee und einen Toast. Sie frieren ein wenig, nach dem Regenspaziergang im Hof.
" Ist dir so kalt? Das ist nicht gut. Bettina, möchtest du jetzt in die Bibliothek gehen wegen Bücher? "
In die Bibliothek im dritten Stock können die Mädchen ohne Begleitung gehen. Chantall lädt die 17-jährige Maria auf einen Toast in ihre Zelle ein. Die Jalousie ist herunter gelassen.
Chantall zündet sich eine selbstgedrehte Zigarette an; seit einem Jahr teilt sie ihre Zelle mit Fabienne, die wegen Beteiligung an einem Mord zehn Jahre Haft bekommen hat. Sie selbst war drogensüchtig und hat Heroin geschmuggelt; mit siebzehn wurde sie zum ersten Mal verhaftet. Heute ist sie 21.
" Ja, meine erste Verhaftung des war eigentlich eh schlimm weil da ist mein Freund weggerannt und hat mich mit meinem halben Kilo Heroin einfach so stehen lassen bei der Grenze und ich bin vor lauter Schock einfach noch steh blieben; ich weiß nicht, ich war im Schockzustand. "
Es folgen Therapie statt Strafe; eine gewonnene Miss-Wahl; Rückfall; Gefängnis; erneuter Rückfall. Chantall zieht die Ärmel ihres schwarzen Trainingsanzugs bis zu den Fingerspitzen. Inzwischen hat sie hier in der Frauenvollzugsanstalt eine Drogen-Gruppentherapie gemacht und die Lehre zur Restaurantfachfrau erfolgreich abgeschlossen; so wie ihre Freundin Fabienne.
" Im Moment geht's mir jetzt gut, es geht mir halt gut weil ich mich einfach wohl fühl und alles passt; ich wird ja eh da nach meiner Haft in Niederösterreich bleiben und ja so wie es ausschaut werd ich dableiben und ins betreute Wohnen in Neunkirchen gehen. Die Barkeeperschule will ich machen in Wien, und das will ich weiterarbeiten. "
Chantall springt auf und legt den deutsch-tunesischen Rapper Bushido auf.
Maria: " Wir sind das Dream-Team hier. (lacht) "
Chantall: " Ja, wir bringen alle immer zum lachen wenn's einem schlecht geht ... "
Rosa Luxemburg, die zusammen mit Karl Liebknecht die linke Opposition gegen den ersten Weltkrieg anführte, musste am 18. Februar 1915 ihre Haftstrafe im Frauengefängnis Berlin antreten. Sie ist des Hochverrats angeklagt. Als sie ein Jahr später entlassen wurde, wurde die politische Gefangene drei Monate schon wieder, zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Aus dieser Zeit sind auch viele Briefe erhalten, wie der an ihre Sekretärin Mathilde Jacob, aus dem August 1917.
Da die Zahl der inhaftierten Frauen im Verhältnis zu den Männern viel geringer ist, wurden ihre speziellen Probleme in der Vergangenheit weit weniger intensiv beachtet und untersucht Doch die Orientierung am Männerstrafvollzug wird den Bedürfnissen der Frauen nicht gerecht. So muss der Frauenstrafvollzug weniger stark gesichert werden, dafür ist aber vermehrt medizinische und psychologisch geschultes Personal nötig, um dem überdurchschnittlich hohen Anteil der Drogen- und Medikamentenabhängigen Frauen zu begegnen.
Die meisten Frauen in Haft hatten schon vor der Verurteilung Erfahrungen mit Drogen, viele waren sogar schwer abhängig. Beschaffungskriminalität ist bei Frauen deshalb der häufigste Grund für eine Gefängnisstrafe. Die Justizvollzuganstalt Schwarzau hat sich darauf eingestellt und bietet verschiedene Entzugstherapien an für Gruppen- oder Einzelne.
Und auch um die unschuldigsten Drogenopfer kümmert sich die Anstaltsleitung.
Mutter-Kind-Abteilung
" Wenn i mit ihr plauder liegts da oben und es taugt ihr, gell, du strampelst gleich. "
Sabine wechselt Windeln; sorgfältig cremt sie ihr Baby ein. Die dunklen Augen ihrer drei Monate alten Tochter fixieren den Schnuller über der Wickelkommode. Daneben hängt ein Foto, das gleich nach der Geburt gemacht wurde, und ein winziger Fußabdruck. Vor drei Monaten hat sie ihr Kind zur Welt gebracht, während der Haftzeit, in einem nahe gelegenen Krankenhaus.
" Ich bin dort hingeführt worden und dann war ich allein dort, 8 Tage. "
Ihre neugeborene Tochter musste aufgrund der Drogensucht der Mutter einen Entzug machen und länger im Krankenhaus bleiben.
" Da wird schon drauf geachtet, dass der Kontakt auch bleibt nach der Entbindung. Sie war eh lang im Spital weil ich im Methadon-Programm bin und auch hernach bin ich jeden Tag ins Spital gefahren. - Tust du lachen? "
Die Einzelzelle auf der Mutter-Kind-Abteilung im Frauengefängnis Schwarzau ist praktisch und gemütlich eingerichtet: Bettcouch, Kinderbett, Wickelkommode; es riecht nach Babycreme. Im Türrahmen zum Flur hängen Familienfotos: Sabines Vater vor einem riesigen Lastwagen; ihre fünfjährige Tochter und ihr siebenjähriger Sohn.
Liebevoll beruhigt Sabine ihre kleine Tochter. Zurzeit hat sie nur wenig Ausgang: zwei Tage und zwei Nächte in drei Monaten; das hängt mit der langen Haftstrafe zusammen: viereinhalb Jahre wegen räuberischem Diebstahl; nähere Details will sie nicht erzählen. Besuch erhält sie ganz selten.
" Besuch kann ich schon haben, nur da wir von Wien sind ist das schwer, mein Mann arbeitet, wir haben zwei Kinder mit 7 und 5 Jahren, deswegen ist des schwer. Wir telefonieren jeden Tag. "
Auf den langen Flur der Mutter-Kind-Abteilung kommt Bewegung. Bald ist Mittagszeit. Topfpflanzen stehen auf den Fenstersimsen zum grünen Innenhof. An schönen Tagen können die Mütter mit ihren Kindern draußen sitzen. Sieben Plätze für Frauen mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr sind vorhanden; derzeit sind vier besetzt.
Michèle trägt ihren fünf Monate alten Sohn spazieren; auch er ist während der Haftzeit der Mutter auf die Welt gekommen, die allerdings zu dieser Zeit im Untersuchungsgefängnis Wien Josefstadt inhaftiert war und in einer bewachten Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses entbinden musste. Die Nabelschnur hat eine Justizwachebeamtin durchgeschnitten.
" Im Gefängnis a Kind kriegen, das ist schon schwierig. Da waren zwei Beamtinnen dabei im Kreissaal, die ganze Zeit. Um halb zwölf in der Nacht war die Geburt, und dann am nächsten Tag zu Mittag ist er ins Kinderspital gebracht worden und ich wieder ins Gefängnis. Und ich hab dann auch nur zwei Mal die Woche hingehen können weil meine Sozialarbeiterin sich drum gekümmert hat. "
Michèles kleinem Sohn geht es jetzt hier in der Mutter-Kind-Abteilung gut; auch er musste aufgrund der Drogenabhängigkeit der Mutter entwöhnt werden. Wenn dem Kleinen etwas fehlt, kann sie jederzeit mit ihm zum Kinderarzt außerhalb der Strafanstalt. Und schließlich hat er hier schon erste Spielgefährtinnen, Sabines Baby beispielsweise.
" Letztes Mal sind sie relativ lang miteinander auf de Matratze gelegen, sie hat gelacht und er hat sie nur angehimmelt. "
Und auch Maria Seidl, die Leiterin der Mutter-Kind-Abteilung, hat ihn fest ins Herz geschlossen.
" Hast du einen Schlaf; du bist einer ... "
Michèle lächelt verhalten; die 23-Jährige ist stolz auf ihr schönes Baby. Zum Vater ihres Kindes will sie keinen Kontakt.
" Im Moment bin ich allein; ich hab mit meiner Mutter zwei Jahre keinen Kontakt , hab jetzt aber geschrieben und ich hoff halt dass sie sich meldet, schon allein wegen ihm, weil ich will schon, dass er Familie hat. Und hier im Gefängnis ist schon noch gut wenn man wen hat was hinter einem steht, es ist schon schwer alleine. "
" Besuch krieg ich im Moment auch nicht und raus geh ich im Moment auch nicht, weil ich hab gar nicht das Geld dazu, und Kontaktadresse hab ich auch keine; muss man angeben wo man wohnt und wo man schlaft, das hab ich im Moment nicht. "
Michèle schaukelt ihr kleines Baby, um es zu beruhigen; noch acht Monate muss sie bleiben; auch ihr Delikt ist Diebstahl. Übrigens sind die Kinder bis zum ersten Geburtstag den ganzen Tag bei ihrer Mutter; ca. 30 Euro Taschengeld steht den jungen Frauen zur Verfügung. Dann können sie arbeiten, während ihr Kind die Krabbelstube besucht.
Mia ist mit ihrer 15 Monate alten Tochter aus dem anstaltseigenen Kindergarten zurückgekommen; zu Fuß einen Katzensprung, aber doch außerhalb der Mauer. Dort sind auch die Kinder der Justizwachebeamten untergebracht. Die Kleine ist müde und schläft sofort ein.
" Ein Monat vor der Geburt bin ich hierher gekommen, überstellt worden von Innsbruck. Ja es war insofern schwierig, weil mein Partner nicht dabei sein konnte, der ist auch im Gefängnis, und meine Familie - ich bin aus Deutschland - das ist für mich die größte Entbehrung. Ich muss sagen das Haus ist sehr human und in einem anderen Gefängnis wär ich bewacht worden bei der Geburt. Wir bekommen alles, wir werden gut versorgt. "
Mia räumt flink die gewaschenen Kinderkleider in die Schublade. In Kürze wird sie entlassen. Probleme gibt es dann noch genug. Sie muss Österreich verlassen und wird zu ihren Eltern zurückkehren; mittellos. Der Kindvater sitzt weiterhin in Graz im Gefängnis und hofft auf baldige Überstellung nach Deutschland. Beide haben mit Drogen gedealt. An der Wand hängt ein Foto mit Vater, Mutter, Kind.
" Ja mein Blödsinn hat mich viel mehr gekostet wie Freiheitsentzug. Für mich ob ich frei bin, das ist bei mir im Kopf, aber es ist einfach, ich habe die erste komplette Schwangerschaft in Haft gemacht. Wie ich das erste Mal das Kind gespürt hab, hab ich in den Hof hinausgeschrien, heh, er hat sich bewegt. Ich hab niemand gehabt mit dem ich's wirklich teilen kann, vor allem niemand nahe stehenden. "
Niemand der einem nahe steht - und doch muss auch der Alltag im Knast bewältigt werden; viel machen die Frauen selber; waschen, putzen, und auch kochen, wenn das Geld für den Einkauf reicht. Sonst kommt das Essen von der Anstaltsküche; in Plastikboxen. Milchkannen mit frischer Milch vom Gefängnis-Gutshof stehen bereit. Sabine schüttet den Gemüsereis in einen Topf und wärmt ihn auf.
Im großen Aufenthaltsraum, eine Art Wohn-Spiel-Essküche sitzen inzwischen alle vier Frauen um den großen Holztisch; auch die slowakische Roma aus der Zelle gleich neben der Eingangstüre. Sie sagt nicht viel, hat aber ein selbst geschriebenes Wörterbuch mitgebracht; Mia ist neugierig auf die fremde Sprache. Nicht immer versteht sich die zwangsweise entstandene Frauen-Kinder-Wohngemeinschaft so gut.
Eine Frage stellen sich alle Mütter hier: Wie erleben ihre Kinder selbst das Aufwachsen hinter Gittern? Die Trennung von den Kindern sei schwerwiegender, sagen die Pädagogen; erst mit drei Jahren beginne ein Kind zu begreifen, das die Fenster vergittert sind. Mia schaut nachdenklich auf ihre kleine Tochter auf dem Schoss.
" Es sind einfach viele Kleinigkeiten was man hier überhaupt nicht hat. Dass sie mal ein Huhn hüpfen sieht. Wir haben zwar hinten einen Spielplatz - dass man auch mal in den Wald geht oder im Einkaufswagerl sitzen, das gibt's halt da net. "
Und später? In keinem Pass darf stehen, dass das Kind im Gefängnis geboren ist. Wird Mia es ihrer Tochter irgendwann einmal sagen?
" Ich denke, wenn Sie mich danach fragt und wenn ich denk sie ist reif dafür und nicht überfordert mit der Antwort, dann werd ich ihr das sicher sagen. Weil das ist ein Teil von meinem Leben, das hat mein Leben sehr verändert, und ich denke man darf Fehler machen, um daraus zu lernen. "
Im Jugendvollzug sind die 14-21-Jährigen. 13 Haftplätze stellt die Justizanstalt für die Jugendlichen zur Verfügung. Für den sogenannten Erstvollzug sind 33 Haftplätze vorgesehen hier sind die Frauen untergebracht, die zum ersten Mal straffällig wurden. Im Gegensatz zum normalen Vollzug stehen hier die Zellentüren von 6 Uhr früh bis abends um 9 offen, nur über Nacht werden die jungen Frauen eingeschlossen.
Nach dem österreichischen Strafvollzuggesetz ist jede Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet. Möglichkeiten bietet die Schlossanlage zuhauf: in der Gärtnerei, der Wäscherei, Fleischerei, der Küche, Nähstube oder in einer der Werkstätten. Hier wird auch für Privatfirmen außerhalb der Gefängnismauern gefertigt. In einem Jahr erwirtschaften die Frauen schon mal 200 000 Euro. Von ihrem Lohn wird ein Teil der Vollzugskosten abgedeckt. Die Justizanstalt Schwarzau ist stolz, dass sie ihren Frauen die Vollbeschäftigung bieten können und darüber hinaus auch noch Ausbildungsplätze geschaffen haben zum Beispiel zur Land- und Forstwirtschaftlichen Facharbeiterin.
Sabine wechselt Windeln; sorgfältig cremt sie ihr Baby ein. Die dunklen Augen ihrer drei Monate alten Tochter fixieren den Schnuller über der Wickelkommode. Daneben hängt ein Foto, das gleich nach der Geburt gemacht wurde, und ein winziger Fußabdruck. Vor drei Monaten hat sie ihr Kind zur Welt gebracht, während der Haftzeit, in einem nahe gelegenen Krankenhaus.
" Ich bin dort hingeführt worden und dann war ich allein dort, 8 Tage. "
Ihre neugeborene Tochter musste aufgrund der Drogensucht der Mutter einen Entzug machen und länger im Krankenhaus bleiben.
" Da wird schon drauf geachtet, dass der Kontakt auch bleibt nach der Entbindung. Sie war eh lang im Spital weil ich im Methadon-Programm bin und auch hernach bin ich jeden Tag ins Spital gefahren. - Tust du lachen? "
Die Einzelzelle auf der Mutter-Kind-Abteilung im Frauengefängnis Schwarzau ist praktisch und gemütlich eingerichtet: Bettcouch, Kinderbett, Wickelkommode; es riecht nach Babycreme. Im Türrahmen zum Flur hängen Familienfotos: Sabines Vater vor einem riesigen Lastwagen; ihre fünfjährige Tochter und ihr siebenjähriger Sohn.
Liebevoll beruhigt Sabine ihre kleine Tochter. Zurzeit hat sie nur wenig Ausgang: zwei Tage und zwei Nächte in drei Monaten; das hängt mit der langen Haftstrafe zusammen: viereinhalb Jahre wegen räuberischem Diebstahl; nähere Details will sie nicht erzählen. Besuch erhält sie ganz selten.
" Besuch kann ich schon haben, nur da wir von Wien sind ist das schwer, mein Mann arbeitet, wir haben zwei Kinder mit 7 und 5 Jahren, deswegen ist des schwer. Wir telefonieren jeden Tag. "
Auf den langen Flur der Mutter-Kind-Abteilung kommt Bewegung. Bald ist Mittagszeit. Topfpflanzen stehen auf den Fenstersimsen zum grünen Innenhof. An schönen Tagen können die Mütter mit ihren Kindern draußen sitzen. Sieben Plätze für Frauen mit Kindern bis zum dritten Lebensjahr sind vorhanden; derzeit sind vier besetzt.
Michèle trägt ihren fünf Monate alten Sohn spazieren; auch er ist während der Haftzeit der Mutter auf die Welt gekommen, die allerdings zu dieser Zeit im Untersuchungsgefängnis Wien Josefstadt inhaftiert war und in einer bewachten Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses entbinden musste. Die Nabelschnur hat eine Justizwachebeamtin durchgeschnitten.
" Im Gefängnis a Kind kriegen, das ist schon schwierig. Da waren zwei Beamtinnen dabei im Kreissaal, die ganze Zeit. Um halb zwölf in der Nacht war die Geburt, und dann am nächsten Tag zu Mittag ist er ins Kinderspital gebracht worden und ich wieder ins Gefängnis. Und ich hab dann auch nur zwei Mal die Woche hingehen können weil meine Sozialarbeiterin sich drum gekümmert hat. "
Michèles kleinem Sohn geht es jetzt hier in der Mutter-Kind-Abteilung gut; auch er musste aufgrund der Drogenabhängigkeit der Mutter entwöhnt werden. Wenn dem Kleinen etwas fehlt, kann sie jederzeit mit ihm zum Kinderarzt außerhalb der Strafanstalt. Und schließlich hat er hier schon erste Spielgefährtinnen, Sabines Baby beispielsweise.
" Letztes Mal sind sie relativ lang miteinander auf de Matratze gelegen, sie hat gelacht und er hat sie nur angehimmelt. "
Und auch Maria Seidl, die Leiterin der Mutter-Kind-Abteilung, hat ihn fest ins Herz geschlossen.
" Hast du einen Schlaf; du bist einer ... "
Michèle lächelt verhalten; die 23-Jährige ist stolz auf ihr schönes Baby. Zum Vater ihres Kindes will sie keinen Kontakt.
" Im Moment bin ich allein; ich hab mit meiner Mutter zwei Jahre keinen Kontakt , hab jetzt aber geschrieben und ich hoff halt dass sie sich meldet, schon allein wegen ihm, weil ich will schon, dass er Familie hat. Und hier im Gefängnis ist schon noch gut wenn man wen hat was hinter einem steht, es ist schon schwer alleine. "
" Besuch krieg ich im Moment auch nicht und raus geh ich im Moment auch nicht, weil ich hab gar nicht das Geld dazu, und Kontaktadresse hab ich auch keine; muss man angeben wo man wohnt und wo man schlaft, das hab ich im Moment nicht. "
Michèle schaukelt ihr kleines Baby, um es zu beruhigen; noch acht Monate muss sie bleiben; auch ihr Delikt ist Diebstahl. Übrigens sind die Kinder bis zum ersten Geburtstag den ganzen Tag bei ihrer Mutter; ca. 30 Euro Taschengeld steht den jungen Frauen zur Verfügung. Dann können sie arbeiten, während ihr Kind die Krabbelstube besucht.
Mia ist mit ihrer 15 Monate alten Tochter aus dem anstaltseigenen Kindergarten zurückgekommen; zu Fuß einen Katzensprung, aber doch außerhalb der Mauer. Dort sind auch die Kinder der Justizwachebeamten untergebracht. Die Kleine ist müde und schläft sofort ein.
" Ein Monat vor der Geburt bin ich hierher gekommen, überstellt worden von Innsbruck. Ja es war insofern schwierig, weil mein Partner nicht dabei sein konnte, der ist auch im Gefängnis, und meine Familie - ich bin aus Deutschland - das ist für mich die größte Entbehrung. Ich muss sagen das Haus ist sehr human und in einem anderen Gefängnis wär ich bewacht worden bei der Geburt. Wir bekommen alles, wir werden gut versorgt. "
Mia räumt flink die gewaschenen Kinderkleider in die Schublade. In Kürze wird sie entlassen. Probleme gibt es dann noch genug. Sie muss Österreich verlassen und wird zu ihren Eltern zurückkehren; mittellos. Der Kindvater sitzt weiterhin in Graz im Gefängnis und hofft auf baldige Überstellung nach Deutschland. Beide haben mit Drogen gedealt. An der Wand hängt ein Foto mit Vater, Mutter, Kind.
" Ja mein Blödsinn hat mich viel mehr gekostet wie Freiheitsentzug. Für mich ob ich frei bin, das ist bei mir im Kopf, aber es ist einfach, ich habe die erste komplette Schwangerschaft in Haft gemacht. Wie ich das erste Mal das Kind gespürt hab, hab ich in den Hof hinausgeschrien, heh, er hat sich bewegt. Ich hab niemand gehabt mit dem ich's wirklich teilen kann, vor allem niemand nahe stehenden. "
Niemand der einem nahe steht - und doch muss auch der Alltag im Knast bewältigt werden; viel machen die Frauen selber; waschen, putzen, und auch kochen, wenn das Geld für den Einkauf reicht. Sonst kommt das Essen von der Anstaltsküche; in Plastikboxen. Milchkannen mit frischer Milch vom Gefängnis-Gutshof stehen bereit. Sabine schüttet den Gemüsereis in einen Topf und wärmt ihn auf.
Im großen Aufenthaltsraum, eine Art Wohn-Spiel-Essküche sitzen inzwischen alle vier Frauen um den großen Holztisch; auch die slowakische Roma aus der Zelle gleich neben der Eingangstüre. Sie sagt nicht viel, hat aber ein selbst geschriebenes Wörterbuch mitgebracht; Mia ist neugierig auf die fremde Sprache. Nicht immer versteht sich die zwangsweise entstandene Frauen-Kinder-Wohngemeinschaft so gut.
Eine Frage stellen sich alle Mütter hier: Wie erleben ihre Kinder selbst das Aufwachsen hinter Gittern? Die Trennung von den Kindern sei schwerwiegender, sagen die Pädagogen; erst mit drei Jahren beginne ein Kind zu begreifen, das die Fenster vergittert sind. Mia schaut nachdenklich auf ihre kleine Tochter auf dem Schoss.
" Es sind einfach viele Kleinigkeiten was man hier überhaupt nicht hat. Dass sie mal ein Huhn hüpfen sieht. Wir haben zwar hinten einen Spielplatz - dass man auch mal in den Wald geht oder im Einkaufswagerl sitzen, das gibt's halt da net. "
Und später? In keinem Pass darf stehen, dass das Kind im Gefängnis geboren ist. Wird Mia es ihrer Tochter irgendwann einmal sagen?
" Ich denke, wenn Sie mich danach fragt und wenn ich denk sie ist reif dafür und nicht überfordert mit der Antwort, dann werd ich ihr das sicher sagen. Weil das ist ein Teil von meinem Leben, das hat mein Leben sehr verändert, und ich denke man darf Fehler machen, um daraus zu lernen. "
Im Jugendvollzug sind die 14-21-Jährigen. 13 Haftplätze stellt die Justizanstalt für die Jugendlichen zur Verfügung. Für den sogenannten Erstvollzug sind 33 Haftplätze vorgesehen hier sind die Frauen untergebracht, die zum ersten Mal straffällig wurden. Im Gegensatz zum normalen Vollzug stehen hier die Zellentüren von 6 Uhr früh bis abends um 9 offen, nur über Nacht werden die jungen Frauen eingeschlossen.
Nach dem österreichischen Strafvollzuggesetz ist jede Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet. Möglichkeiten bietet die Schlossanlage zuhauf: in der Gärtnerei, der Wäscherei, Fleischerei, der Küche, Nähstube oder in einer der Werkstätten. Hier wird auch für Privatfirmen außerhalb der Gefängnismauern gefertigt. In einem Jahr erwirtschaften die Frauen schon mal 200 000 Euro. Von ihrem Lohn wird ein Teil der Vollzugskosten abgedeckt. Die Justizanstalt Schwarzau ist stolz, dass sie ihren Frauen die Vollbeschäftigung bieten können und darüber hinaus auch noch Ausbildungsplätze geschaffen haben zum Beispiel zur Land- und Forstwirtschaftlichen Facharbeiterin.
Die Nähstube
Die Näherei ist im Erdgeschoss des Schlosses untergebracht, direkt unter den Räumen der Anstaltsleitung. Durch die vergitterten Fenster fällt der Blick auf blühende Rosensträuche und den Parkplatz.
Die Arbeitstimmung ist gelockert; ein Radio läuft; drei Frauen stehen im Vorraum und rauchen; eine ältere Frau sitzt zurückgelehnt vor einer Nähmaschine und strickt eine kleine Mütze.
" I mach da a Hauberl für den Schneemann, fürn Weihnachtsbazar. Des tu i sowieso gern, is eh glaub i der angenehmste Betrieb. "
Am Boden liegen stapelweise alte graumelierte Handtücher aus verschiedenen österreichischen Haftanstalten. Ein junges Mädchen schneidet aus einem zerschlissenen Handtuch Flicken; in ihrem vorherigen Leben hat sie Haare geschnitten und geföhnt, hier bessert sie kleine und große Löcher aus.
" Ich bin seit drei Monaten hier, hab das aber schon gelernt, geht eh ganz schnell. Mir gefällt's eigentlich besser sogar als draußen ; hier ist es viel ruhiger, und schöne Arbeitszeiten hat man auch. "
Arbeitszeit ist von sieben bis 12 Uhr 30. In einer Glaskabine sitzt Betriebschefin Susanne Thonhauser; von dort aus hat sie ihre neunzehn Frauen im Blick und ihren Kater Garfield, der als Bildschirmschoner dient. Am Gürtel ihrer Uniform mit dem österreichischen Staatswappen hängen neben dem obligatorischen Schlüsselbund Handschuhe und Pfefferspray; gebraucht hat sie es noch nie in ihren fünfzehn Jahren Dienstzeit. Und aufsässige Frauen gibt es selten.
" Manche sind a bissel schneller, manche ein bisschen langsamer und des gleicht sich dann aus. Und wann eine sagt, ma heut geht's mer net gut, dann sag i auch, setzens sich draußen hin, machens a kurze Pause und dann geht's a wieder. "
Frau Thonhauser begutachtet den Stapel geflickter Handtücher. Die gebürtige Schwarzauerin, hat, wenn gewünscht, auch ein offenes Ohr für ihre Frauen.
" Also i reds nit an die Frauen drauf auf irgendwas, aber sie kommen von selber und wollen a bissel reden wenn's Probleme oder was haben und da wird's dann auch a bissl persönlich, dass sie von eana selber reden. "
Auf einem Tisch liegen Stoffbahnen mit aufgedruckten Feuerwehr-Abzeichen; sie müssen ausgeschnitten und zusammengenäht werden. Eine Näherin verdient hinter Gittern nach Abzug des 75-prozentigen Vollzugskostenbeitrags und der Arbeitslosenversicherung zwischen 1,05 und 1,27 Euro; davon bleibt ihr nach Einbehaltung des Rücklagenbeitrags ein monatliches Taschengeld von ca. 60 bis 80 Euro. Kosmetikartikel, Zigaretten, Telefonwertkarte, frisches Obst - dafür muss dieses sogenannte "Hausgeld" reichen.
Die meisten Näherinnen sind froh, arbeiten zu können. Die Zeit vergeht schneller, sagen die Frauen. Außerdem lockt der Verdienst; bei Arbeitsunfähigkeit und Beschäftigung in der Ergo-Therapie gibt es nur ein "Sitzgeld" von 22 Cent pro Stunde.
Im Nebenraum riecht es nach frischer Zitronenmelisse; hier werden Kräutersäckchen genäht und gefüllt. Über einem Arbeitsplatz hängt, handgemalt, die deutsche Flagge.
" I bin eigentlich seit 16. Januar da, also i bin mit meiner Tochter da und wir lassen uns wieder nach Deutschland überstellen und da warten wir jetzt tagtäglich dass die Überstellung endlich funktioniert, nach Schwäbisch Gmünd, also Baden-Württemberg. "
Die ältere Dame mit dem flotten Kurzhaarschnitt will -wie die anderen Frauen auch - anonym bleiben. Sie hat wegen Betrugs bereits im Frauengefängnis Schwäbisch Gmünd eine Haftstrafe verbüßt. In Österreich ist sie als Wiederholungstäterin zu viereinhalb Jahren verurteilt wurden. Im Normalvollzug, wo die Zellentüren bis auf Spaziergang- und Freizeitraum-Zeiten geschlossen sind, fühlt sie sich überhaupt nicht wohl.
" I bin ja jetzt hier a Rentnerin und in Baden-Württemberg ist so, als Rentnerin hab i den ganzen Tag Türen offen. Und was halt hier ganz schlimm is, wenn sie hier schon mal im Knast warn, dann sind die Türen zu, dass des jeder sieht, die war schon mal da und is jetzt wieder rückfällig worden und des gibt's in Baden-Württemberg nit. Bei uns in Deutschland sind sie halt abends bis dreiviertel Zehn offe; des is halt einfach anders. "
Flink näht sie ein Feuerwehrabzeichen an das andere; sozusagen ein Band von Feuerwehrabzeichen für die Dampfbügelpresse. Frau Thonhauser bringt einen Stapel Bettwäsche: Die Namen der Insassinnen müssen eingestickt werden.
" Also die halten alle zam, da gibt's überhaupt nix. Es gibt auch immer Tränen wenn welche heimgehn, die wos eam umminehmen, drucken. Es is a schon was schönes a, wenn man siecht, man hat a bissi was guts gemacht. "
Normalvollzug bedeutet: leben in einer geschlossenen Abteilung. Die beiden Spazierhöfe sind Kameraüberwacht, ebenso das Besprechungszimmer. Die sogenannte Sonderzelle wird ohnehin ständig beobachtet, hier sind die Frauen untergebracht bei denen Suizidgefahr besteht. Schwarzau hat 55 Haftplätze im Normalvollzug, hier sitzen die wirklich harten Fälle, fünf Frauen sitzen lebenslang ein wegen Mord.
In Schwarzau gibt es eine ständige Theatergruppe, Kunst im Knast soll auch helfen spielerisch das Grauen vor den Mauern zu verarbeiten, denn viele Frauen wurden vor ihrer Haft Opfer von Gewalt, oft sexueller Gewalt. Die personifizierte Rache in der griechischen Mythologie ist Medea, auf der Bühne des Frauengefängnisses lebte sie im letzen Jahr neu auf: Unter professioneller Regie spielten die Frauen aus Schwarzau das erste Mal mit den jungen Strafgefangenen des benachbarten Gefängnisses Gerasdorf.
Die Arbeitstimmung ist gelockert; ein Radio läuft; drei Frauen stehen im Vorraum und rauchen; eine ältere Frau sitzt zurückgelehnt vor einer Nähmaschine und strickt eine kleine Mütze.
" I mach da a Hauberl für den Schneemann, fürn Weihnachtsbazar. Des tu i sowieso gern, is eh glaub i der angenehmste Betrieb. "
Am Boden liegen stapelweise alte graumelierte Handtücher aus verschiedenen österreichischen Haftanstalten. Ein junges Mädchen schneidet aus einem zerschlissenen Handtuch Flicken; in ihrem vorherigen Leben hat sie Haare geschnitten und geföhnt, hier bessert sie kleine und große Löcher aus.
" Ich bin seit drei Monaten hier, hab das aber schon gelernt, geht eh ganz schnell. Mir gefällt's eigentlich besser sogar als draußen ; hier ist es viel ruhiger, und schöne Arbeitszeiten hat man auch. "
Arbeitszeit ist von sieben bis 12 Uhr 30. In einer Glaskabine sitzt Betriebschefin Susanne Thonhauser; von dort aus hat sie ihre neunzehn Frauen im Blick und ihren Kater Garfield, der als Bildschirmschoner dient. Am Gürtel ihrer Uniform mit dem österreichischen Staatswappen hängen neben dem obligatorischen Schlüsselbund Handschuhe und Pfefferspray; gebraucht hat sie es noch nie in ihren fünfzehn Jahren Dienstzeit. Und aufsässige Frauen gibt es selten.
" Manche sind a bissel schneller, manche ein bisschen langsamer und des gleicht sich dann aus. Und wann eine sagt, ma heut geht's mer net gut, dann sag i auch, setzens sich draußen hin, machens a kurze Pause und dann geht's a wieder. "
Frau Thonhauser begutachtet den Stapel geflickter Handtücher. Die gebürtige Schwarzauerin, hat, wenn gewünscht, auch ein offenes Ohr für ihre Frauen.
" Also i reds nit an die Frauen drauf auf irgendwas, aber sie kommen von selber und wollen a bissel reden wenn's Probleme oder was haben und da wird's dann auch a bissl persönlich, dass sie von eana selber reden. "
Auf einem Tisch liegen Stoffbahnen mit aufgedruckten Feuerwehr-Abzeichen; sie müssen ausgeschnitten und zusammengenäht werden. Eine Näherin verdient hinter Gittern nach Abzug des 75-prozentigen Vollzugskostenbeitrags und der Arbeitslosenversicherung zwischen 1,05 und 1,27 Euro; davon bleibt ihr nach Einbehaltung des Rücklagenbeitrags ein monatliches Taschengeld von ca. 60 bis 80 Euro. Kosmetikartikel, Zigaretten, Telefonwertkarte, frisches Obst - dafür muss dieses sogenannte "Hausgeld" reichen.
Die meisten Näherinnen sind froh, arbeiten zu können. Die Zeit vergeht schneller, sagen die Frauen. Außerdem lockt der Verdienst; bei Arbeitsunfähigkeit und Beschäftigung in der Ergo-Therapie gibt es nur ein "Sitzgeld" von 22 Cent pro Stunde.
Im Nebenraum riecht es nach frischer Zitronenmelisse; hier werden Kräutersäckchen genäht und gefüllt. Über einem Arbeitsplatz hängt, handgemalt, die deutsche Flagge.
" I bin eigentlich seit 16. Januar da, also i bin mit meiner Tochter da und wir lassen uns wieder nach Deutschland überstellen und da warten wir jetzt tagtäglich dass die Überstellung endlich funktioniert, nach Schwäbisch Gmünd, also Baden-Württemberg. "
Die ältere Dame mit dem flotten Kurzhaarschnitt will -wie die anderen Frauen auch - anonym bleiben. Sie hat wegen Betrugs bereits im Frauengefängnis Schwäbisch Gmünd eine Haftstrafe verbüßt. In Österreich ist sie als Wiederholungstäterin zu viereinhalb Jahren verurteilt wurden. Im Normalvollzug, wo die Zellentüren bis auf Spaziergang- und Freizeitraum-Zeiten geschlossen sind, fühlt sie sich überhaupt nicht wohl.
" I bin ja jetzt hier a Rentnerin und in Baden-Württemberg ist so, als Rentnerin hab i den ganzen Tag Türen offen. Und was halt hier ganz schlimm is, wenn sie hier schon mal im Knast warn, dann sind die Türen zu, dass des jeder sieht, die war schon mal da und is jetzt wieder rückfällig worden und des gibt's in Baden-Württemberg nit. Bei uns in Deutschland sind sie halt abends bis dreiviertel Zehn offe; des is halt einfach anders. "
Flink näht sie ein Feuerwehrabzeichen an das andere; sozusagen ein Band von Feuerwehrabzeichen für die Dampfbügelpresse. Frau Thonhauser bringt einen Stapel Bettwäsche: Die Namen der Insassinnen müssen eingestickt werden.
" Also die halten alle zam, da gibt's überhaupt nix. Es gibt auch immer Tränen wenn welche heimgehn, die wos eam umminehmen, drucken. Es is a schon was schönes a, wenn man siecht, man hat a bissi was guts gemacht. "
Normalvollzug bedeutet: leben in einer geschlossenen Abteilung. Die beiden Spazierhöfe sind Kameraüberwacht, ebenso das Besprechungszimmer. Die sogenannte Sonderzelle wird ohnehin ständig beobachtet, hier sind die Frauen untergebracht bei denen Suizidgefahr besteht. Schwarzau hat 55 Haftplätze im Normalvollzug, hier sitzen die wirklich harten Fälle, fünf Frauen sitzen lebenslang ein wegen Mord.
In Schwarzau gibt es eine ständige Theatergruppe, Kunst im Knast soll auch helfen spielerisch das Grauen vor den Mauern zu verarbeiten, denn viele Frauen wurden vor ihrer Haft Opfer von Gewalt, oft sexueller Gewalt. Die personifizierte Rache in der griechischen Mythologie ist Medea, auf der Bühne des Frauengefängnisses lebte sie im letzen Jahr neu auf: Unter professioneller Regie spielten die Frauen aus Schwarzau das erste Mal mit den jungen Strafgefangenen des benachbarten Gefängnisses Gerasdorf.
Medea unter Häftlingen
" Verstehen Sie, warum auf allen Kanälen gepredigt wird: "Skalpiere deinen Nächsten wie dich selbst!" "
Miranda steht auf der Bühne im barocken Festsaals des Frauengefängnis Schwarzau und fixiert ihr Publikum: Justizministerin, Staatsanwaltschaften, Gerichtsvertreter und Justizwachebeamte in Rente. Die junge Bosnierin spielt die Medea, die Kindsmörderin aus der griechischen Tragödie des Euripides; ihr Gesicht ist mit bläulicher Schminke fast unkenntlich gemacht - eine Auflage des Justizministeriums. Miranda konzentriert sich ganz auf die Schlussszene: Dort tritt Medea selbst als Richterin über den untreuen Vater ihrer Kinder auf, mit einem ganz eigenen Vokabular der Rechtssprechung:
" Jason aus Kalkos, Sie sind schuldig der Herzenssprengung, der Lebenslüge, des Hochzeitsverrats, der Kinderhirnwäsche, des Seelenbruchs, des Würdeausverkaufs und des Zukunftsdiebstahls. Und verurteilt zur lebenslänglichen Verbannung ins Reich der Freudlosigkeit. Schlimmer als der Tod. "
Die Performance "Medea bloß zum Trotz" ist ein voller Erfolg. Neun Monate lang haben Regisseurin Tina Leisch und ihr Gefängnis-Ensemble das antike Drama um verratene Liebe und tödliche Rache neu geschrieben; eigene Lebensgeschichten der Insassinnen eingeflochten: Drogenmissbrauch, Prostitution, Raub, Diebstahl, Mord. Tina Leisch sitzt erschöpft, aber zufrieden in der Garderobe.
" Der Ausgangspunkt der Überlegung war, dass unter Frauen im Gefängnis diejenigen, die den geringsten Status haben, diejenigen sind, die Kinder was angetan haben, also Kindsmörderinnen. Und insofern fand ich das auch interessant so ein klassisches Drama zu nehmen wo es genau darum geht, eben um eine Frau, die ein literarisches Vorbild ist für die, die in der Gefängnishierarchie ganz unten stehen. "
Die Premierenfeier für die Insassinnen ist kurz, bevor es zurück in die Zellen geht; in kleinen Grüppchen sitzen sie auf der Bühne; das Wachpersonal verteilt panierte Hühnerteile und Schnitzel. Miranda wischt sich Schminkreste und Schweiß vom Gesicht.
" Das Theater ist für mich was Besonderes. Da hab ich erstens nette Leute kennen gelernt und zweitens, ich bin eher schüchtern sozusagen, da lern ich mich zu öffnen, das ist schon was Gutes. "
Auf der Bühne verkauft sich Medeas Freundin für Drogen. Miranda erzählt offen, dass sie schon zum dritten Mal wegen Diebstahl im Gefängnis sitzt. Als Wiederholungstäterin hat sie drei Jahre Haft bekommen.
" Ich hab schon Drogen genommen, aber dass ich meinen Körper verkaufe, das sicher nicht. Es gibt immer so Hintergründe warum und wieso; bei mir warn's familiäre; mein Vater war Alkoholiker, ist noch immer Alkoholiker, und da gabs immer Zwischenfälle, wie ich immer geschlagen wurde von meinem Vater hab ich nur den einen Ausweg gesehen, Drogen. Und da war ich 2,3, Tage ruhig und dann san wieder die Probleme gekommen. "
Anstaltsleiter Gottfried Neuberger zeigt sich auf der Premierenfeier tief beeindruckt; trotz seines militärischen Rangs als Oberstleutnant trägt er keine Uniform. Gesellig schwirrt er durch die Räume. Über die Konsequenzen, die so ein Theaterprojekt für die geschlossene Gefängniswelt haben kann, ist er sich bewusst.
" Ich denke, dass das auch gut ist, wenn manches bewirkt wird, was möglicherweise in der Therapie noch ein Jahr gedauert hätte; d.h. unsere Arbeit ist nicht aus, wenn das Team geht, sondern da schauen unsere Kollegen in den Abteilungen nach, die müssen mit denen reden, die Psychologin, die Sozialabeiter: also es ist ein ständiger Prozess des weiter Nachschauens. "
Ein halbes Jahr später. Die 22-jährige Miranda ist nach einem Rückfall freiwillig vom Jugendstrafvollzug in den Normalvollzug gewechselt.
Justizwachebeamtin Elisabeth Schissler führt Miranda in ein kleines Besucherzimmer mit hochgelegenen vergitterten Fenstern.
" Damals war ich auf der Jugendabteilung und da hab ich ein paar Probleme gehabt, weil ich zuviel Freiheit gehabt hab und mit den Jugendlichen fällt ja nur Blödsinn ein. "
Hier ist für Blödsinn nicht viel Platz. Im geschlossenen Vollzug sei sie besser aufgehoben, erklärt sie sanft, aber bestimmt. Miranda setzt sich kerzengerade auf ihren Stuhl; ihr schönes Gesicht ist sorgfältig geschminkt.
" Ich bin grad sozusagen befördert worden zur Suppenköchin. Ich geh um acht in die Standküche arbeiten bis halb zwei und dann ist der Freizeitraum und da kann man zwei Stunden bleiben. Und in der Halbzeit kann man dann anläuten nach einer Stunde wenn man auf Toilette gehen will oder in Haftraum zurückgehen. Und auf dem Normalvollzug sind die Beamten auch sehr nett, das ist auch wichtig. Wenn man Probleme hat, man kann wirklich mit ihnen reden. "
Miranda wirkt ruhig, gefasst. Denkt sie noch manchmal an ihre Rolle als Medea, die leidenschaftliche Rächerin aus verratener Liebe?
" Dass sie so stark gewesen ist, das hat mir gefallen. Weil sie hat auch kämpfen müssen, die Liebe hat's verloren sozusagen und am Anfang hab ich mich ein bisschen mit der Geschichte verglichen, aber am Ende überhaupt nicht. Ich würd' nie mein Kind umbringen, um Gottes willen. "
Die Theaterarbeit habe ihr Selbstbewussten gestärkt; sie habe aber auch psychischen Stress verursacht, überlegt Miranda.
" Wie ich im Theater angefangen hab, haben mich alle Leute veräppelt sozusagen; die haben gesagt jetzt bin ich ein Star, ich fühl mich wie ein Star, aber das stimmt nicht. In der Zelle war ich so wie ich bin. Nur auf der Bühne hab ich mich ein bisschen verstellt. "
Draußen auf dem Gang gehen zwei Justizwachbeamte vorbei, die Hände in Gummihandschuhen. Regelmäßig werden die Zellen auf Drogen oder gehortete Medikamente durchsucht. Miranda möchte nach ihrer Entlassung eine stationäre Drogentherapie machen.
" Ich bin 22 Jahre alt, ich hab schon die Unterstützung von der Mutter, aber ich möchte schon auf meinen eigenen Beinen stehen. "
Deswegen will sie auch den Pflichtschulabschluss im Gefängnis nachholen.
" Ich hab am Montag mit meiner Mama telefoniert und da braucht man ja die letzten Schulzeugnisse und die schickt mir das jetzt rein und dann probier ich's da zu machen. "
Der Kontakt zur Mutter und vor allem zu ihrem kleinen Bruder sei ihr das wichtigste, sagt Miranda, und ihre Augen strahlen für einen Augenblick.
" Das ist mein ein und alles, wirklich, wegen ihm geb ich ja nicht auf, der ist ja 13 Jahre alt, das ist meine Energiequelle sozusagen. "
In Deutschland gilt laut Strafvollzugsgesetz als einziges Vollzugsziel die Resozialisierung: Das ältere österreichische Strafvollzuggesetzt möchte - so wörtlich - "den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Bedürfnissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen. Doch in Schwarzau setzt der Anstaltsleiter Gottfried Neuberger trotzdem voll auf Resozialisierung. Und so gehört zum Strafvollzug neben der gesundheitlichen Betreuung und der Seelsorge vor allem der Soziale Dienst. Er ist die Schnittstelle nach draußen, die professionelle Hilfe bei Beschwerdeverfahren, bei der Vorbereitung auf die Entlassung und beim Umgang mit Familienangehörigen. Die Sozialarbeiterin ist auch oft die moralische Instanz, ...
Ruhe herrscht selten im linken Flügel des Schlosses, hier liegt das Büro des Sozialarbeiter Helmut Meier. Er leitet den Sozialen Dienst der Strafvollzugsanstalt. Hohe Räume, stuckverzierte Decken und hinter den großen Fenstern liegt der Park. An der Tür klopfen, die auf Hilfe hoffen um mit Meiers Hilfe ihr neues Leben jenseits der Mauern zu regeln.
Miranda steht auf der Bühne im barocken Festsaals des Frauengefängnis Schwarzau und fixiert ihr Publikum: Justizministerin, Staatsanwaltschaften, Gerichtsvertreter und Justizwachebeamte in Rente. Die junge Bosnierin spielt die Medea, die Kindsmörderin aus der griechischen Tragödie des Euripides; ihr Gesicht ist mit bläulicher Schminke fast unkenntlich gemacht - eine Auflage des Justizministeriums. Miranda konzentriert sich ganz auf die Schlussszene: Dort tritt Medea selbst als Richterin über den untreuen Vater ihrer Kinder auf, mit einem ganz eigenen Vokabular der Rechtssprechung:
" Jason aus Kalkos, Sie sind schuldig der Herzenssprengung, der Lebenslüge, des Hochzeitsverrats, der Kinderhirnwäsche, des Seelenbruchs, des Würdeausverkaufs und des Zukunftsdiebstahls. Und verurteilt zur lebenslänglichen Verbannung ins Reich der Freudlosigkeit. Schlimmer als der Tod. "
Die Performance "Medea bloß zum Trotz" ist ein voller Erfolg. Neun Monate lang haben Regisseurin Tina Leisch und ihr Gefängnis-Ensemble das antike Drama um verratene Liebe und tödliche Rache neu geschrieben; eigene Lebensgeschichten der Insassinnen eingeflochten: Drogenmissbrauch, Prostitution, Raub, Diebstahl, Mord. Tina Leisch sitzt erschöpft, aber zufrieden in der Garderobe.
" Der Ausgangspunkt der Überlegung war, dass unter Frauen im Gefängnis diejenigen, die den geringsten Status haben, diejenigen sind, die Kinder was angetan haben, also Kindsmörderinnen. Und insofern fand ich das auch interessant so ein klassisches Drama zu nehmen wo es genau darum geht, eben um eine Frau, die ein literarisches Vorbild ist für die, die in der Gefängnishierarchie ganz unten stehen. "
Die Premierenfeier für die Insassinnen ist kurz, bevor es zurück in die Zellen geht; in kleinen Grüppchen sitzen sie auf der Bühne; das Wachpersonal verteilt panierte Hühnerteile und Schnitzel. Miranda wischt sich Schminkreste und Schweiß vom Gesicht.
" Das Theater ist für mich was Besonderes. Da hab ich erstens nette Leute kennen gelernt und zweitens, ich bin eher schüchtern sozusagen, da lern ich mich zu öffnen, das ist schon was Gutes. "
Auf der Bühne verkauft sich Medeas Freundin für Drogen. Miranda erzählt offen, dass sie schon zum dritten Mal wegen Diebstahl im Gefängnis sitzt. Als Wiederholungstäterin hat sie drei Jahre Haft bekommen.
" Ich hab schon Drogen genommen, aber dass ich meinen Körper verkaufe, das sicher nicht. Es gibt immer so Hintergründe warum und wieso; bei mir warn's familiäre; mein Vater war Alkoholiker, ist noch immer Alkoholiker, und da gabs immer Zwischenfälle, wie ich immer geschlagen wurde von meinem Vater hab ich nur den einen Ausweg gesehen, Drogen. Und da war ich 2,3, Tage ruhig und dann san wieder die Probleme gekommen. "
Anstaltsleiter Gottfried Neuberger zeigt sich auf der Premierenfeier tief beeindruckt; trotz seines militärischen Rangs als Oberstleutnant trägt er keine Uniform. Gesellig schwirrt er durch die Räume. Über die Konsequenzen, die so ein Theaterprojekt für die geschlossene Gefängniswelt haben kann, ist er sich bewusst.
" Ich denke, dass das auch gut ist, wenn manches bewirkt wird, was möglicherweise in der Therapie noch ein Jahr gedauert hätte; d.h. unsere Arbeit ist nicht aus, wenn das Team geht, sondern da schauen unsere Kollegen in den Abteilungen nach, die müssen mit denen reden, die Psychologin, die Sozialabeiter: also es ist ein ständiger Prozess des weiter Nachschauens. "
Ein halbes Jahr später. Die 22-jährige Miranda ist nach einem Rückfall freiwillig vom Jugendstrafvollzug in den Normalvollzug gewechselt.
Justizwachebeamtin Elisabeth Schissler führt Miranda in ein kleines Besucherzimmer mit hochgelegenen vergitterten Fenstern.
" Damals war ich auf der Jugendabteilung und da hab ich ein paar Probleme gehabt, weil ich zuviel Freiheit gehabt hab und mit den Jugendlichen fällt ja nur Blödsinn ein. "
Hier ist für Blödsinn nicht viel Platz. Im geschlossenen Vollzug sei sie besser aufgehoben, erklärt sie sanft, aber bestimmt. Miranda setzt sich kerzengerade auf ihren Stuhl; ihr schönes Gesicht ist sorgfältig geschminkt.
" Ich bin grad sozusagen befördert worden zur Suppenköchin. Ich geh um acht in die Standküche arbeiten bis halb zwei und dann ist der Freizeitraum und da kann man zwei Stunden bleiben. Und in der Halbzeit kann man dann anläuten nach einer Stunde wenn man auf Toilette gehen will oder in Haftraum zurückgehen. Und auf dem Normalvollzug sind die Beamten auch sehr nett, das ist auch wichtig. Wenn man Probleme hat, man kann wirklich mit ihnen reden. "
Miranda wirkt ruhig, gefasst. Denkt sie noch manchmal an ihre Rolle als Medea, die leidenschaftliche Rächerin aus verratener Liebe?
" Dass sie so stark gewesen ist, das hat mir gefallen. Weil sie hat auch kämpfen müssen, die Liebe hat's verloren sozusagen und am Anfang hab ich mich ein bisschen mit der Geschichte verglichen, aber am Ende überhaupt nicht. Ich würd' nie mein Kind umbringen, um Gottes willen. "
Die Theaterarbeit habe ihr Selbstbewussten gestärkt; sie habe aber auch psychischen Stress verursacht, überlegt Miranda.
" Wie ich im Theater angefangen hab, haben mich alle Leute veräppelt sozusagen; die haben gesagt jetzt bin ich ein Star, ich fühl mich wie ein Star, aber das stimmt nicht. In der Zelle war ich so wie ich bin. Nur auf der Bühne hab ich mich ein bisschen verstellt. "
Draußen auf dem Gang gehen zwei Justizwachbeamte vorbei, die Hände in Gummihandschuhen. Regelmäßig werden die Zellen auf Drogen oder gehortete Medikamente durchsucht. Miranda möchte nach ihrer Entlassung eine stationäre Drogentherapie machen.
" Ich bin 22 Jahre alt, ich hab schon die Unterstützung von der Mutter, aber ich möchte schon auf meinen eigenen Beinen stehen. "
Deswegen will sie auch den Pflichtschulabschluss im Gefängnis nachholen.
" Ich hab am Montag mit meiner Mama telefoniert und da braucht man ja die letzten Schulzeugnisse und die schickt mir das jetzt rein und dann probier ich's da zu machen. "
Der Kontakt zur Mutter und vor allem zu ihrem kleinen Bruder sei ihr das wichtigste, sagt Miranda, und ihre Augen strahlen für einen Augenblick.
" Das ist mein ein und alles, wirklich, wegen ihm geb ich ja nicht auf, der ist ja 13 Jahre alt, das ist meine Energiequelle sozusagen. "
In Deutschland gilt laut Strafvollzugsgesetz als einziges Vollzugsziel die Resozialisierung: Das ältere österreichische Strafvollzuggesetzt möchte - so wörtlich - "den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Bedürfnissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen. Doch in Schwarzau setzt der Anstaltsleiter Gottfried Neuberger trotzdem voll auf Resozialisierung. Und so gehört zum Strafvollzug neben der gesundheitlichen Betreuung und der Seelsorge vor allem der Soziale Dienst. Er ist die Schnittstelle nach draußen, die professionelle Hilfe bei Beschwerdeverfahren, bei der Vorbereitung auf die Entlassung und beim Umgang mit Familienangehörigen. Die Sozialarbeiterin ist auch oft die moralische Instanz, ...
Ruhe herrscht selten im linken Flügel des Schlosses, hier liegt das Büro des Sozialarbeiter Helmut Meier. Er leitet den Sozialen Dienst der Strafvollzugsanstalt. Hohe Räume, stuckverzierte Decken und hinter den großen Fenstern liegt der Park. An der Tür klopfen, die auf Hilfe hoffen um mit Meiers Hilfe ihr neues Leben jenseits der Mauern zu regeln.
Ameise und Ameisenbär
Meier: " Ja, grüss Gott, grüss Gott. "
Susanne: " Grüss Sie. "
Meier: " Nehmen Sie sich einen Sessel und setzen sie sich kurz her da. Der Herr Neuwirth hat mir was dalassen für sie. und da gibt es einen Termin vom Fond Soziales Wien, Beratungszentrum Wohnungslosenhilfe in der Lederergasse. Und zwar ist der am 13.8. um 11 Uhr bei der Frau Haindl. "
Susanne: Ja "
Susanne liest das Formular mit dem Vorsprachetermin in einer betreuten Wohngemeinschaft sorgfältig durch. Derzeit ist sie im Entlassungsvollzug untergebracht; vieles gilt es vorzubereiten; die Wohnungssuche steht an erster Stelle.
" Meier: Die Sachen müssen's mitnehmen, Lichtbildausweis
Susanne: Lichtbildausweis hab i eh.
Meier: Staatsbürgernachweis oder Geburtsurkunde ...
Susanne: Einkommensnachweis ...
Meier: Einkommensnachweis ...
Susanne: Des wird a bissi ...
Meier: Die wissen aber eh dorten von wo sie kommen, dass sie da nit wirkli ein Einkommen haben. Bitte planen Sie mir einen Ausgang, dass sie da um die Zeit draußen san, ja
Susanne: Ja, auf alle Fälle, des is kein Problem. "
Susanne faltet das Formular energisch zusammen; aufmerksam beobachtet sie ihren Gesprächspartner. Sie arbeitet in der Wäscherei und war schon öfter auf Ausgang. Im Entlassungsvollzug stehen den Frauen mehrere Tage zu. Helmut Meier, salopp in Jeans und rotem Sweatshirt gekleidet, kennt alle seit dem ersten Zugangsgespräch - eine Art soziale Anamnese: Welche Familienkontakte gibt es, sind sie erwünscht, welche Kontaktadressen für Ausgänge kommen in Frage; welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es - erste Entlassungsvorbereitungen, gleich nach der Aufnahme.
" Es geht vor allem auch darum den Angehörigen oder der Kontaktadresse zu erklären, wie funktioniert Gefängnis, was ist im Gefängnis erlaubt, was ist nicht erlaubt. Es kommt zu Missverständnissen dass die Angehörigen jetzt glauben, im Gefängnis ist ihre Tochter immer eingesperrt, hat keine Möglichkeiten zu telefonieren. Sie muss ihr eigenes Geld verdienen, sie verdient auch ihr eigenes Geld, also diese 2.Welt des Gefängnisses zu transportieren. "
Ein anschauliches Abbild dieser zweiten Gefängnis-Welt hat Helmut Meier gleich neben seinem Schreibtisch aufgestellt: Ein quirliger Ameisenbau, in den ein riesiger Ameisenbär tief seinen Rüssel senkt; Ameisen verschließen den Saugrüssel mit einem Pfropfen. Der Ameisenbär - das Justizministerium als Vertreter des Staates? Helmut Meier lacht verhalten.
" Es gibt eigene Gesetze in einem Gefängnis, d.h. man muss nit alles erfahren draußen, wie so ein System funktioniert. Es gibt sicher einen guten Teil der Bevölkerung die das sehr gut verstehn würden; der andere Teil der Bevölkerung, der assoziiert andere Sachen mit Gefängnis, würd nit verstehn, dass in jedem Haftraum ein Fernseher is, is eher so geprägt von den großen Massenmedien. Die Durchschnittsbevölkerung sagt, huch die hat wen umgebracht, 15 Jahr is erstens mal zu wenig und die muss die 15 Jahre sitzen und nach 15 Jahren stellen's wir halt aussi. Nur des is Gott sei Dank nicht so, weil sonst hätten wir wirklich ein Problem. "
Mehr als zwanzig Jahre Berufserfahrung haben Helmut Meier gelehrt, wie schwierig es für die Frauen ist, draußen wieder Fuß zu fassen. Der zweifache Familienvater lässt sich nicht entmutigen.
" Wir haben natürlich Kontakte zu Einrichtungen, Wohngemeinschaften, wobei man sagen muss, es wird immer schwieriger Plätze für inhaftierte Frauen aufzutreiben. Das hängt damit zusammen, dass in den letzten Jahren doch einige Projekte verloren gegangen sind, die so auf privater Basis mit Förderungen gelaufen sind und jetzt nicht mehr gefördert werden; das hängt auch damit zusammen, dass Frauen eine Minderheit im Strafvollzug ausmachen und für diese Minderheit dann nicht genug Wohnplätze zur Verfügung sind. "
Susanne: rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her; sie hat noch etwas auf dem Herzen.
" Susanne: Ja i hätt ein Angebot wegen einer Wohnung; in der Thaliastrasse. Da erfahr i am Freitag am Abend näheres von dem Hausverwalter, des wäret ein ausgebauter Dachboden, wunderschön, i hab ihn schon angeschaut, ne.
Meier: Die Problematik is, wer wird des wie finanzieren ...
Susanne: Eben des isses ja. Jetzt hat der mir am Freitag gesagt, i könnt die Wohnung haben, ab Mitte September, da müsst i wissen ob ich ab Mitte September nachhause gehen kann oder nicht. Des weiss i ja noch nit ...
Meier: I weiss es a nit ...
Susanne: Na super
Meier: I mein, was tät die Wohnung kosten?
Susanne: Na ja,- er tät veranschlagen beim Vermieter so bei die 450 Euro bei 60 Quadratmeter. Zahlt mir des Sozialamt da irgendwas mit bei 60 Quadratmeter für a Einzelperson.
Meier: Des wird etwas schwierig , da wird man sich erst erkundigen müssen ... Was mir wichtig ist, dass sie auf den Termin auf alle Fälle hingehn.
Susanne: Unbedingt
Meier: Na gut. Wiederschaun.
Susanne: Wiederschaun, Herr Meier. "
Mit Terminen zu jonglieren, daran hat man sich im Sozialen Dienst gewöhnt. Das Vollzugsgericht entscheidet relativ kurzfristig den Entlassungstermin, oft erst zwei Wochen vorher. Eines ist Helmut Meier besonders wichtig: die inhaftierten Frauen zu motivieren, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, auch oder gerade hinter Gittern.
" Ich stelle ihr mein Telefon zur Verfügung, ich stelle ihr mein Wissen zur Verfügung, ich stelle ihr vielleicht das eine oder andere Formular zur Verfügung, und ein Teil unserer Arbeit ist, diese Eigenverantwortung, die jeder hat, der im Gefängnis ist, wieder zu lernen wahrzunehmen. Hier ist der Ort, wo man sein Leben wieder in den Griff bekommen sollte, und wir sind dafür zuständig diese Probleme wieder zu ordnen.
Susanne: " Grüss Sie. "
Meier: " Nehmen Sie sich einen Sessel und setzen sie sich kurz her da. Der Herr Neuwirth hat mir was dalassen für sie. und da gibt es einen Termin vom Fond Soziales Wien, Beratungszentrum Wohnungslosenhilfe in der Lederergasse. Und zwar ist der am 13.8. um 11 Uhr bei der Frau Haindl. "
Susanne: Ja "
Susanne liest das Formular mit dem Vorsprachetermin in einer betreuten Wohngemeinschaft sorgfältig durch. Derzeit ist sie im Entlassungsvollzug untergebracht; vieles gilt es vorzubereiten; die Wohnungssuche steht an erster Stelle.
" Meier: Die Sachen müssen's mitnehmen, Lichtbildausweis
Susanne: Lichtbildausweis hab i eh.
Meier: Staatsbürgernachweis oder Geburtsurkunde ...
Susanne: Einkommensnachweis ...
Meier: Einkommensnachweis ...
Susanne: Des wird a bissi ...
Meier: Die wissen aber eh dorten von wo sie kommen, dass sie da nit wirkli ein Einkommen haben. Bitte planen Sie mir einen Ausgang, dass sie da um die Zeit draußen san, ja
Susanne: Ja, auf alle Fälle, des is kein Problem. "
Susanne faltet das Formular energisch zusammen; aufmerksam beobachtet sie ihren Gesprächspartner. Sie arbeitet in der Wäscherei und war schon öfter auf Ausgang. Im Entlassungsvollzug stehen den Frauen mehrere Tage zu. Helmut Meier, salopp in Jeans und rotem Sweatshirt gekleidet, kennt alle seit dem ersten Zugangsgespräch - eine Art soziale Anamnese: Welche Familienkontakte gibt es, sind sie erwünscht, welche Kontaktadressen für Ausgänge kommen in Frage; welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es - erste Entlassungsvorbereitungen, gleich nach der Aufnahme.
" Es geht vor allem auch darum den Angehörigen oder der Kontaktadresse zu erklären, wie funktioniert Gefängnis, was ist im Gefängnis erlaubt, was ist nicht erlaubt. Es kommt zu Missverständnissen dass die Angehörigen jetzt glauben, im Gefängnis ist ihre Tochter immer eingesperrt, hat keine Möglichkeiten zu telefonieren. Sie muss ihr eigenes Geld verdienen, sie verdient auch ihr eigenes Geld, also diese 2.Welt des Gefängnisses zu transportieren. "
Ein anschauliches Abbild dieser zweiten Gefängnis-Welt hat Helmut Meier gleich neben seinem Schreibtisch aufgestellt: Ein quirliger Ameisenbau, in den ein riesiger Ameisenbär tief seinen Rüssel senkt; Ameisen verschließen den Saugrüssel mit einem Pfropfen. Der Ameisenbär - das Justizministerium als Vertreter des Staates? Helmut Meier lacht verhalten.
" Es gibt eigene Gesetze in einem Gefängnis, d.h. man muss nit alles erfahren draußen, wie so ein System funktioniert. Es gibt sicher einen guten Teil der Bevölkerung die das sehr gut verstehn würden; der andere Teil der Bevölkerung, der assoziiert andere Sachen mit Gefängnis, würd nit verstehn, dass in jedem Haftraum ein Fernseher is, is eher so geprägt von den großen Massenmedien. Die Durchschnittsbevölkerung sagt, huch die hat wen umgebracht, 15 Jahr is erstens mal zu wenig und die muss die 15 Jahre sitzen und nach 15 Jahren stellen's wir halt aussi. Nur des is Gott sei Dank nicht so, weil sonst hätten wir wirklich ein Problem. "
Mehr als zwanzig Jahre Berufserfahrung haben Helmut Meier gelehrt, wie schwierig es für die Frauen ist, draußen wieder Fuß zu fassen. Der zweifache Familienvater lässt sich nicht entmutigen.
" Wir haben natürlich Kontakte zu Einrichtungen, Wohngemeinschaften, wobei man sagen muss, es wird immer schwieriger Plätze für inhaftierte Frauen aufzutreiben. Das hängt damit zusammen, dass in den letzten Jahren doch einige Projekte verloren gegangen sind, die so auf privater Basis mit Förderungen gelaufen sind und jetzt nicht mehr gefördert werden; das hängt auch damit zusammen, dass Frauen eine Minderheit im Strafvollzug ausmachen und für diese Minderheit dann nicht genug Wohnplätze zur Verfügung sind. "
Susanne: rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her; sie hat noch etwas auf dem Herzen.
" Susanne: Ja i hätt ein Angebot wegen einer Wohnung; in der Thaliastrasse. Da erfahr i am Freitag am Abend näheres von dem Hausverwalter, des wäret ein ausgebauter Dachboden, wunderschön, i hab ihn schon angeschaut, ne.
Meier: Die Problematik is, wer wird des wie finanzieren ...
Susanne: Eben des isses ja. Jetzt hat der mir am Freitag gesagt, i könnt die Wohnung haben, ab Mitte September, da müsst i wissen ob ich ab Mitte September nachhause gehen kann oder nicht. Des weiss i ja noch nit ...
Meier: I weiss es a nit ...
Susanne: Na super
Meier: I mein, was tät die Wohnung kosten?
Susanne: Na ja,- er tät veranschlagen beim Vermieter so bei die 450 Euro bei 60 Quadratmeter. Zahlt mir des Sozialamt da irgendwas mit bei 60 Quadratmeter für a Einzelperson.
Meier: Des wird etwas schwierig , da wird man sich erst erkundigen müssen ... Was mir wichtig ist, dass sie auf den Termin auf alle Fälle hingehn.
Susanne: Unbedingt
Meier: Na gut. Wiederschaun.
Susanne: Wiederschaun, Herr Meier. "
Mit Terminen zu jonglieren, daran hat man sich im Sozialen Dienst gewöhnt. Das Vollzugsgericht entscheidet relativ kurzfristig den Entlassungstermin, oft erst zwei Wochen vorher. Eines ist Helmut Meier besonders wichtig: die inhaftierten Frauen zu motivieren, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, auch oder gerade hinter Gittern.
" Ich stelle ihr mein Telefon zur Verfügung, ich stelle ihr mein Wissen zur Verfügung, ich stelle ihr vielleicht das eine oder andere Formular zur Verfügung, und ein Teil unserer Arbeit ist, diese Eigenverantwortung, die jeder hat, der im Gefängnis ist, wieder zu lernen wahrzunehmen. Hier ist der Ort, wo man sein Leben wieder in den Griff bekommen sollte, und wir sind dafür zuständig diese Probleme wieder zu ordnen.
Literatur:
Rosa Luxemburg: "Ich umarme Sie in großer Sehnsucht."
Briefe aus dem Gefängnis 1915-1918;
Verlag J. H. W. Dietz Nachf.1980 Berlin. Bonn ; ISBN 3-8012-0044-2
Briefe aus dem Gefängnis 1915-1918;
Verlag J. H. W. Dietz Nachf.1980 Berlin. Bonn ; ISBN 3-8012-0044-2