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Der BLL zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland

Angesichts der diversen Lebensmittelkrisen hat der Bundeskanzler im letzten Jahr eine Studie in Auftrag gegeben, die nach Möglichkeiten für eine Neuorganisation der Lebensmittelüberwachung suchen sollte. Das Ergebniss dieser Untersuchung wurden im Juni 2001 der Öffentlichkeit vorgestellt. Unter dem Titel "Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes mit Schwerpunkt Lebensmittel" wird betont, dass alle betroffenen Gruppen im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes gut mit einer Neuregelung leben können. Die Öffentliche Hand, die Landwirtschaft, die Wirtschaft und die Verbraucher seien neuen Anforderungen durchaus gewachsen. Zu dem Thema äußerte sich heute auf der ANUGA in Köln auch der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL).

Von Dietrich Sondermann |
    Was ist drin in unserm Essen und wie wird es hergestellt? Was ist bedenklich oder gar ungesund? Diese Fragen wollen Verbraucher beantwortet haben. Und auch der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, BLL, hat als Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft ein vitales Interesse an neuen Regeln bei der Nahrungskontrolle. Mit den Ergebnissen der Studie ist der BLL durchaus einverstanden. Einen Schwerpunkt sieht er in der Konzentration und Koordination der verschiedenen Aufgaben in der Lebensmittelüberwachung. Der aktuelle Bericht fordert, dass man auf Bundesebene die Zuständigkeiten bündelt, die früher auf die drei Ressorts Gesundheit, Landwirtschaft und Umwelt verteilt waren. Das ist jetzt schon partiell geschehen mit dem neuen Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Auch in der Koordination der Behörden auf Landes- und Bundesebene besteht dringend Handlungsbedarf, meint Matthias Horst, der Hauptgeschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde:

    In Deutschland gibt es den Föderalismus. Die Bundesländer sind zuständig für die Lebensmittelüberwachung. Der Bund ist im wesentlichen zuständig für die Gesetzgebung auch auf europäischer Ebene und da muss das Zusammenspiel noch besser werden. Es kann nicht sein, dass unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden jetzt, ob ich in einem nördlichen Bundesland oder in einem südlichen Bundesland bin und da muss auch etwas verbessert werden.

    Den zentralen Punkt für eine Neuregelung im gesundheitlichen Verbraucherschutz sieht der BLL aber in der Unabhängigkeit der Institution, die letztendlich zu entscheiden hat über die Gefahren von Stoffen oder Verfahren:

    Was ganz besonders wichtig ist, dass wir eine wirklich unabhängige wissenschaftliche Einrichtung bekommen, die unabhängig und zwar unabhängig von der Wirtschaft - das ist erstens - unabhängig von sonstigen Gruppierungen, NGO und unabhängig von der Politik auf höchstem wissenschaftlichen Niveau arbeitet und sagt, was Sache ist aus ihrer Sicht.

    Die Entscheidungen, die eine solche Stelle trifft, sind für die Lebensmittelerzeuger - also Bauern und Industrie - und auch die Verbraucher enorm wichtig.

    Ist ein Stoff sicher; ist ein Verfahren sicher oder ist es unsicher? Muss ein Stoff, wenn er möglicherweise Allergien auslösen könnte, gekennzeichnet sein? Usw, usw. aber bitte unabhängig und da hoffen wir auch, dass wir so eine hohe Kompetenz auch in Deutschland bekommen, damit diese Stelle dann mit der europäischen Lebensmittelbehörde, die jetzt eingerichtet wird im Jahr 2002, dann auch zusammenarbeiten kann.

    Eine solche zentrale Stelle für die Lebensmittelüberwachung gibt es bislang nicht wirklich:

    Es gibt das Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in Berlin. Das soll um einige Kompetenzen noch angereichert werden und das soll vor allem auch von der Politik unabhängig werden. Das untersteht bislang ... dem Verbraucherschutzministerium jetzt aber es untersteht auch so seiner politischen Einflussnahme und die muss auch weg.

    Der BLL weiß, dass eine solche Stelle nicht immer bequem sein kann für seine Klientel, also die Lebensmittelindustrie. Aber nur mit einer solchen wirklich unabhängigen Institution kann das Misstrauen gegenüber den Lebensmitteln bei den Kunden dauerhaft abgebaut werden.

    Die müssen wirklich unabhängig forschen, unabhängig bewerten um auch letztlich mehr Verbrauchervertrauen zu bekommen. Wenn die Politik was sagt, denen glaubt man nicht, wenn die Wirtschaft was sagt, das glaubt man nicht; wir müssen deshalb eine wirklich gute wissenschaftliche Institution haben die eine hohe Reputation gewinnt und dann profitieren wir alle davon.

    Ein weiterer Punkt für mehr Sicherheit, der in der Studie gefordert wird, ist die verstärkte Mitarbeit in Brüssel. Zu lange, so der BLL, habe sich Deutschland etwas zögerlich verhalten mit seinem Engagement in der europäischen Politik. Die Chancen beurteilt Matthias Horst jedenfalls positiv:

    Ich glaub' die Chancen stehen gut, denn die Frau Künast ist ja mit einem hohen Anspruch angetreten und hat ja auch hohe Zustimmung in der Bevölkerung bekommen und sie wird etwas tun und sie wird etwas tun müssen unter politischen Gesichtspunkten. Ich denke, dass die ganz konkrete Vorschläge noch vor Ende des Jahres auf den Tisch gelegt werden.

    Und dabei soll die unabhängige Wissenschaft im Zentrum stehen:

    Ich hoffe, dass es in die Richtung geht, dass wir vor allem die Wissenschaft wirklich unabhängig haben. Das hilft uns, auch wenn's uns manchmal nicht passen wird, es wird den anderen nicht passen aber an was soll man sich denn sonst halten?