Ab morgen nimmt die Geschichte der Post einen anderen Lauf. Jahre nach Aufteilung der alten Deutschen Bundespost in rechtlich selbständige Aktiengesellschaften gemäß den Geschäftsbereichen Telekommunikation, Postbank und Briefpost werden erstmals Anteile der Deutsche Post World Net AG, wie das Unternehmen nun offiziell heißt, an der Börse gehandelt. In diesem ersten Schritt zur Privatisierung verzichtet der Bund zunächst nur auf ein gutes Viertel seiner Eigentümer-Anteile. Aber dem Bundesfinanzminister als Bundesvermögensverwalter geht es beim Verkauf der Anteile nicht nur darum, Geld für die Pensionsansprüche der alten Postbeamten in die Kasse zu bekommen. Es geht auch um einen wichtigen Schritt der Post auf dem Weg in den freien Wettbewerb, sagt Manfred Overhaus, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium:
Manfred Overhaus: Die Privatisierung der Deutschen Post AG ist auch ein wichtiger Schritt zur Marktöffnung und zum Wettbewerb. Flankierend zu den Privatisierungsmaßnahmen hat der Bund durch Reformen und Gesetze bereits im Vorfeld einer Privatisierung den bundeseigenen Unternehmen Freiräume geschaffen. Denken Sie an die Branchen Luftfahrt, Telekommunikation oder an die Bahnreform. Diese unternehmerischen Freiräume ermöglichen die konsequente Vorbereitung auf den freien Wettbewerb.
Worte aus der Werbekampagne des Bundes für den Börsengang der Post AG. Diese Kampagne hatte bereits im Frühsommer begonnen, als das Unternehmen sein Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm einläutete. Das Angebot richtete sich an mehr als 240 000 inländische Arbeiter, Angestellte und Beamte der Deutschen Post AG und jener Tochterfirmen, die mindestens zur Hälfte zur Post gehören. Den Mitarbeitern hatte Klaus Zumwinkel, der Vorstandsvorsitzende, Mut gemacht, Aktien bei der Erst-Ausgabe zu erwerben und somit versucht, das gemeinsame Engagement ehemaliger Staatsdiener zu stärken. Dieses Vorhaben scheint gelungen, 150.000 Postler zeichneten die neuen Aktien bis zum einem Gegenwert von 10.000 Mark pro Mitarbeiter. Allerdings müssen Belegschaftsaktien mindestens eine Woche gehalten werden, um kurzfristigen Spekulationen nach der morgigen Erstnotierung Vorschub zu leisten. Fazit: Mitarbeiterbeteiligung ist bei der Post eine Erfolgsgeschichte, gemäß den gesetzten Zielen der Geschäftsleitung:
Klaus Zumwinkel: Wir wollen der weltweit führende Logistik-Konzern mit integriertem Brief-, Express-, Logistik- und Finanzdienstleistungen werden.
Die Unternehmensführung hat an dieser Stelle einiges an Vorarbeit geleistet: Sie kaufte Unternehmen jenseits der Grenzen, um die Voraussetzungen für einen global player zu schaffen. Werner Müller, parteiloser Bundeswirtschaftsminister, bestätigte bei der Grundsteinlegung für das neue Hauptquartier dem Unternehmen ausdrücklich die Richtigkeit dieses Kurses:
Werner Müller: Während meinem Eindruck nach noch nicht überall auf der Welt begriffen worden ist, dass der Postbereich ein Zukunftsmarkt ist, hat sich die Deutsche Post AG in diesen Jahren bereits mit großer Zielstrebigkeit und mit Beharrlichkeit auf die Erfordernisse der künftigen Post- und Logistikmärkte eingerichtet. Sie hat sich, ohne über alle Maßen darüber zu reden, vom local hero zum global player ihrer Branche gemausert.
Vorerst letzter Anhaltspunkt dafür war die Übernahme der Mehrheit am führenden Expressgutspediteur DHL. Der Weltmarktprimus beschäftigt mehr als 60 000 Menschen in 2 500 Niederlassungen in immerhin 228 Ländern. Vorstandschef Klaus Zumwinkel begründete seinen Expansionsdrang auf einer Pressekonferenz mit dem Versuch der Post, alle Logistikdienstleistungen unter einem Dach bieten zu können:
Klaus Zumwinkel: Die Strategie dabei ist natürlich, dass wir unseren Kunden die weltweiten Expressdienstleistungen – eben der Firma DHL anbieten wollen unter dem Stichwort: "One stop shopping". Und natürlich sind wir sehr stolz darauf, dass uns das hier und heute gelungen ist.
Im vergangenen Jahr beförderte die neue Post-Tochter 170 Millionen Sendungen und erwirtschaftete einen Umsatz von rund 5,5 Milliarden US-Dollar. Das passt sehr gut zu den Zahlen, die der Börsenkandidat Post für die erste Hälfte dieses Jahres nannte. Nach einer Steigerung um 58 Prozent erreichte der Umsatz des Mutterkonzerns einen Wert von 15,7 Milliarden Euro. Die dazugehörige Gewinnsteigerung auf 1,4 Milliarden Euro veranlasste Christopher Pleister, den Präsidenten des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, zu folgender Beurteilung:
Christopher Pleister: Die Post ist die Brücke zwischen der alten Ökonomie und der so genannten neuen Ökonomie. Die neue Ökonomie braucht jemanden, der das, was man im Internet bestellt – wenn ich das mal so bezeichnen darf - auch nach Hause bringt. Der auch die Zulauf-Logistik, also aus Asien, aus Amerika an die Internetfirmen in Europa transportiert und umgekehrt. Und insofern ist die gesamte Logistikbranche die Gewinnerin des e-business, oder des e-commerce oder des Internethandels. Deswegen erfahren wir auch in den letzten Monaten oder seit einem Jahr die Aktien oder die Firmen in diesem Feld eine Neubewertung – und zwar eine sehr positive Neubewertung.
Wenngleich die Vorbereitung des Börsengangs – also etwa Bekanntgabe der Zeichnungsfrist oder der Frühzeichnerprämien - von Unruhe und weitgehenden Kurseinbußen an den Börsen begleitet wurde, lobt Bankier Christopher Pleister die Kandidatin:
Christopher Pleister: Sie bietet eine solide Verbindung zwischen traditioneller Unternehmenskultur und auch durchaus attraktiven Segmenten, in die sie sich hineinentwickelt. Ich nenne insbesondere das Stichwort Logistik. Sie ist in der Logistik ein führender Teilnehmer – und zwar nicht nur am nationalen Markt, sondern auch im internationalen Geschäft. Dazu musste sie sich auch entsprechend neu aufstellen und auch entsprechende Akquisitionen vornehmen.
Die – beispielsweise – für die Übernahme der Mehrheit am marktführenden Expressunternehmen DHL rund 1,7 Milliarden DM gekostet haben dürfte. Preiswerter, wenngleich kaum billig, war das amerikanische Luftfrachtunternehmen Air Express. Es öffnet der Post den Zugang zu rund 150 Ländern. Grund genug für Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, das Konzept des Konzerns in höchsten Tönen zu loben:
Werner Müller: Spätestens seit dem Internet-Boom wissen wir, dass ein effizienter und leistungsfähiger Postbereich eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass electronic commerce wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Ohne leistungsfähige Logistikstrukturen bis zu den einzelnen Kunden nutzen elektronische Kaufhäuser und Marktplätze letztlich nichts.
Der Einstieg in diesen Markt der Zukunft ist noch nicht endgültig in Euro und Cent zu bewerten. Bei der Erläuterung der Halbjahreszahlen bestätigte Post-Chef Klaus Zumwinkel aber.......
Klaus Zumwinkel: .....dass wir im ersten Halbjahr hier 1.4 Milliarden Euro verdient haben. Wir gehen davon aus, dass die zweite Jahreshälfte – wie in den vergangenen Jahren auch, das ist nicht neu – schwächer ist. Einfach wegen der Sommermonate, wo wir viele Kosten, aber weniger Umsätze haben. Daraus haben Analysten bestimmte Gewinnschätzungen für dieses ganze Jahr gemacht. Denen kann ich mich anschließen.
Im Klartext heißt das: Mit mutmaßlich kaum mehr als 100 Millionen Euro fällt das Ergebnis in der zweiten Jahreshälfte im Vergleich zu den ersten sechs Monaten eher bescheiden aus. Einen übers Jahresende hinausreichenden Trend mochte Zumwinkel darin aber nicht erkennen. In der Konzernzentrale stützt man diese Auffassung nicht zuletzt auch darauf, dass das überaus einträgliche Monopol für die Beförderung und die Zustellung von Standardbriefen bis zu einem Gewicht von 200 Gramm noch bis Ende 2002 gilt. Parallel dazu steigen die Beiträge der anderen Betriebszweige zum Umsatz und auch zum Ergebnis. Zumwinkel versichert jedenfalls, dass der Anteil des Briefgeschäfts deutlich schrumpft. Noch 1998 erzielte die Post mit der Briefbeförderung rund 70 Prozent ihres Gesamtumsatzes. Im vergangenen Jahr sank dieser Anteil bereits auf knapp 46 Prozent. Im Gegenzug stieg der Beitrag der übrigen Unternehmensbereiche im operativen Geschäft auf mehr als 52 Prozent. Vor diesem Hintergrund relativiert Bankenpräsident Christopher Pleister die mögliche Sorge künftiger Post-Aktionäre über die Kursverluste am Neuen Markt:
Christopher Pleister: Die Risikoprofile der Neuer-Markt-Unternehmen oder der Start-Up-Unternehmen unterscheiden sich doch deutlich von den Risikoprofilen der Deutschen Post AG. Von daher glaube ich, dass unterschiedliche Anlegerbedürfnisse durch das , was an den Markt kommt, abgedeckt werden. Darüber hinaus muss man natürlich sehen, dass die Zeichner im neuen Markt eine wesentlich kleinere Größenordnung ausmachen als das, was in den großen Emissionen an den Mann gebracht wird. Die Zeichner bei Neuer-Markt-Unternehmen liegen zwischen 30 und 50.000. Bei Telekom waren das Hunderttausende bis zu einer Million. Und das wird bei der Post auch so sein.
Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz mochte vor dem ersten Börsen-Handelstag die Zuversicht des Post-Chefs nicht teilen: Er bewertet nicht nur die Risiken des schlechten Marktumfeldes stärker, auch befürchtet er größere Folgen für den Kurswert der Post-Aktie, wenn 2003 das einträgliche Briefmonopol ersatzlos entfällt:
Klaus Nieding: Das Briefmonopol haut dann schon ordentlich ins Kontor. Wenn dieses weg fällt, dann fallen hier auch deutliche Erträge weg. Und im Inland wird noch Geld verdient bei der Post – und nur im Inland. Und das muss man den Anlegern auch deutlich sagen.
Post-Vorstand Zumwinkel räumte bei der Erläuterung der Halbjahresergebnisse zwar ein, dass – wie er sagte - der Ergebnisbeitrag des Briefbereichs nach wie vor signifikant sei. Er unterstrich aber, dass die anderen Geschäftsbereiche – unter anderem die Finanzdienstleistungen und auch die Logistik – ihre Ergebnisse kontinuierlich gesteigert hätten. Dessen ungeachtet hatte sich aber – lange vor dem Börsengang – die EU-Kommission in Brüssel in die Geschäfte des deutschen Dienstleistungsriesen eingemischt: Noch drei Monate vor dem Termin eröffnete die EU-Kommission ein neues Kartellverfahren gegen die Deutsche Post World Net AG. Dabei ging es um mutmaßliche Groß-Rabatte für Versandhäuser. Die Brüsseler Wettbewerbswächter sahen darin den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Post. Und sie störten sich auch am deutschen Briefporto. Zitat:
Die deutsche Post AG wird aufgefordert zu erklären, warum der deutsche Postkunde auch unter Berücksichtigung von Förderqualität und Bevölkerungsdichte im europäischen Vergleich das höchste Porto bezahlt.
Da mögliche Folgen hieraus für die künftigen Postaktionäre, die Bewertung des Unternehmens und dessen Aussichten durchaus bedeutungsvoll sein könnten, bemühte sich Vorstandschef Klaus Zumwinkel schon vor Beginn der Frühzeichnungsphase um Aufklärung und gab Entwarnung:
Klaus Zumwinkel: Wir haben für diese Wettbewerbsverfahren vorgesorgt. Wir haben eine Rückstellung gebildet. Wenn Sie so wollen: eine Sparkasse. Wenn wir hier also tatsächlich verlieren sollten – wovon wir absolut nicht ausgehen - aber ein vorsichtiger Kaufmann baut vor. Hier haben wir 50 Millionen DM Rückstellungen gebildet. Das sind die Verfahren, die gegen die Deutsche Post AG gerichtet sind. Das Verfahren, das gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, ist ein Beihilfeverfahren. Und hier können wir laut den "international counting standards" keine Rückstellung bilden. Aber die Größenordnungen sind so, dass aber nur Teile des Gewinns im schlimmsten Fall betroffen wären. Und wäre dann aus einigen wenigen Gewinnen abdeckbar.
Die Bundesregierung ist an dieser Entwicklung aktiv beteiligt. Der zuständige Bundeswirtschaftsminister hatte die auslaufende Genehmigung für das derzeit noch gültige Brief- und Postkarten-Porto – wenn man so will - angehalten und es per ministerieller Weisung bis Ende 2002 verlängert. Maßgebend für diese Entscheidung, gegen die vor allem der Deutsche Verband der Postbenutzer Sturm lief, war die Überlegung, dass die sonst fällige Senkung des Briefportos dem Börsengang des Unternehmens schaden könnte. Ein Sprecher der Post versicherte zwar, dass der Börsengang keineswegs gefährdet sei. Dennoch: Der zuständige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hielt es für angebracht, bei der Grundsteinlegung für das neue Hauptquartier des gelben Riesen Klartext zu reden:
Werner Müller: Ich will einmal anmerken, dass die Bundesregierung ein wachsames Auge auf faire Praktiken im Markt der Postdienste hat. Dazu gehört auch, die deutsche Post vor Unfairness zu schützen. Ich finde es übrigens auch sehr merkwürdig, dass immer wieder Berichte lanciert werden, die Post habe ab 1.10. dieses Jahres keine genehmigten Tarife. Das ist falsch. Bei den Post-Tarifen gibt es keinen rechtsfreien Raum.
Allerdings muss sich die Post schon jetzt – also lange, bevor Ende 2002 das Beförderungsmonopol für Briefe ausläuft – die Konkurrenz privater Briefzusteller gefallen lassen. Vier Wochen vor dem Börsengang fällte das Oberlandesgericht in Düsseldorf eine entsprechende Entscheidung. Mitte Oktober unterlag die Post in zweiter Instanz einem privaten Briefzusteller im linksrheinischen Mönchengladbach. Wenn der kleine Konkurrent der Post einen besseren Service zu günstigeren Tarifen biete, dürfe er – so urteilten die Richter - weiterhin Briefe zustellen. Trotz des bis Ende 2002 gültigen Briefmonopols der Post. Für Christopher Pleister, den Präsidenten des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, beeinträchtigt das die Attraktivität der Postaktie als seriöse Geldanlage keineswegs – ganz im Gegenteil:
Christopher Pleister Es ist ein attraktives Unternehmen, das sicherlich auf eine interessierte Anlegerschaft in Deutschland stoßen wird. Es wird immer mehr Geld für die private Altersvorsorge aufgebracht werden müssen. Hier wird man verstärkt nach den Zukunftschancen der Geldanlage gucken. Die Aktie hat sich inzwischen als wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge etabliert. Ich halte die Post für ein attraktives Unternehmen, das für die Altersvorsorge die nötige Standfestigkeit und Solidität aufweist.
Die zwischenzeitlich bestätigte mehrfache Überzeichnung der Aktie Gelb scheint Pleisters Perspektive zu bestätigen. Schon beim Start der Zeichnungsphase sahen Börsianer klare Kurschancen für die Post. Seinerzeit hatten 5 Millionen private Kleinanleger Interesse an Post-Aktien bekundet. Dessen ungeachtet bleibt Klaus Nieding von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erst einmal skeptisch:
Klaus Nieding: Ich sehe sie durchaus in die Verlustzone rutschen, vor allem vor dem Hintergrund der Pensionsrückstellungen, die hier mitgeschleppt werden müssen, die noch aus dem Zeitalter des Staatsunternehmens stammen. Wenn diese alle bedient werden müssen, dann bedeutet das deutliche Belastungen für die Post – wie wir sie im übrigen ja auch bei der Telekom haben.
Diese Skepsis war nicht neu. Neu war auch nicht, dass die Unternehmensführung und die Bundesregierung als Allein-Aktionärin solchem Pessimismus stets widersprachen. Bei der Grundsteinlegung für den Post-Tower in Bonn nutzte Bundeswirtschaftsministert Werner Müller die Gelegenheit, um dem Post-Vorstand zu bescheinigen, im Hinblick auf den Börsengang den richtigen Kurs abgesteckt zu haben:
Werner Müller: Im Zeitalter der Globalisierung reicht es auch nicht mehr, die Logistik-Infrastruktur auf regionale oder nationale Märkte zu begrenzen. Weltweite Netze sind erforderlich. Und nur diejenigen Unternehmen, die Zugriff auf diese weltweiten Netze haben, werden die Chancen einer internationalen und modernen Wirtschaft voll ausnutzen können.
Ohne Zweifel: Von der Post als Behörde bleiben zwar die Beamten und Pensionäre als Zeugen einer staatlich dominierten Vergangenheit, doch die Zukunft wird geprägt nach der Entlassung in die unternehmerische Selbständigkeit durch kräftige Expansion. Einige Dutzend Unternehmen – regionale und nationale Marktführer – wurden übernommen und knüpften so die Maschen des weltweiten Logistiknetzes immer enger. Trotz dieser unerlässlichen Internationalisierung des Geschäfts sieht Volksbankier Christopher Pleister - gerade im Hinblick auf den Börsengang - eine solide Verankerung im Stammland:
Christopher Pleister: Bei der Post sind die Voraussetzungen dafür natürlich sehr gut, weil sie nun einmal ein traditionelles Unternehmen mit sehr vielen Mitarbeitern, und auch mit sehr vielen ehemaligen Mitarbeitern. Da wird die Identifikation mit dem alten Unternehmen auch dadurch sicherlich gefördert, dass man auch Anteile von dem Unternehmen kaufen kann ...
...und mutmaßlich auch hält. Für ausgesprochene Zocker sei die "Aktie Gelb" kaum das richtige Papier. Das gilt nach Überzeugung von Christopher Pleister auch für die Zeit, wenn die erste Tranche der Post-Anteile untergebracht ist. Zwar solle man, meint der Volksbankier, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Allerdings auch nicht auf dem Weg der Privatisierung vor dem letzten Schritt stehen bleiben:
Christopher Pleister: Auf lange Sicht ist eine Privatisierung nur dann sinnvoll, wenn sie konsequent durchgeführt wird. Das bedeutet, dass man die Privatisierung auch ohne die Sperrminorität des Bundes dann durchziehen sollte.
Darüber hat man sich im Bundesfinanzministerium zwar bereits Gedanken, gemacht - konkrete Pläne gibt es aber noch nicht. Die deutliche Überzeichnung des rund 270 Millionen Aktien betragenden ersten Angebots signalisiert einen Erlös, der – wie es heißt – im kalkulatorischen Rahmen liegt. Wann der Bund als Mehrheitsaktionär das nächste Paket Postaktien aus seinem Besitz an der Börse anbietet - und wie groß es sein wird - das steht noch in den Sternen. Allerdings meldete sich vor dem ersten Handelstag der Post-Aktien einer der Väter der Postreform zu Wort: Christian Schwarz-Schilling, der als Bundespostminister die Dreiteilung der ehemaligen Behörde betrieben hatte und damit die Privatisierung auf den Weg brachte – nach 15 Jahren angestrengter Diskussion. Er habe keine ordnungspolitischen Bauchschmerzen, wenn der Bund im Endeffekt die Sperrminorität an der mehrheitlich privatisierten Post behalte. Ob es dazu kommt - und wann - vermag auch Klaus Zumwinkel nicht zu sagen. Der Vorstandsvorsitzende, der die so genannte Gelbe Post zur Börsenreife führte, bleibt gleichwohl recht zuversichtlich, dass der morgige Termin den Anfang markiert einer vollständig privatisierten Post:
Klaus Zumwinkel: Der Finanzminister hat schon mehrfach gesagt, dass natürlich nach dieser ersten Tranche weitere Tranchen folgen werden. Das Ziel ist ja letztlich, dass insgesamt die Deutsche Post World Net in Privathände, in die Hände der Bürger übergeht. Deswegen hat man ja vor einigen Jahren diese große Anstrengung unternommen, mit zwei Drittel Mehrheit – mit dem Votum aller Parteien diesen Börsengang und die Privatisierung zu machen.
Manfred Overhaus: Die Privatisierung der Deutschen Post AG ist auch ein wichtiger Schritt zur Marktöffnung und zum Wettbewerb. Flankierend zu den Privatisierungsmaßnahmen hat der Bund durch Reformen und Gesetze bereits im Vorfeld einer Privatisierung den bundeseigenen Unternehmen Freiräume geschaffen. Denken Sie an die Branchen Luftfahrt, Telekommunikation oder an die Bahnreform. Diese unternehmerischen Freiräume ermöglichen die konsequente Vorbereitung auf den freien Wettbewerb.
Worte aus der Werbekampagne des Bundes für den Börsengang der Post AG. Diese Kampagne hatte bereits im Frühsommer begonnen, als das Unternehmen sein Mitarbeiter-Beteiligungsprogramm einläutete. Das Angebot richtete sich an mehr als 240 000 inländische Arbeiter, Angestellte und Beamte der Deutschen Post AG und jener Tochterfirmen, die mindestens zur Hälfte zur Post gehören. Den Mitarbeitern hatte Klaus Zumwinkel, der Vorstandsvorsitzende, Mut gemacht, Aktien bei der Erst-Ausgabe zu erwerben und somit versucht, das gemeinsame Engagement ehemaliger Staatsdiener zu stärken. Dieses Vorhaben scheint gelungen, 150.000 Postler zeichneten die neuen Aktien bis zum einem Gegenwert von 10.000 Mark pro Mitarbeiter. Allerdings müssen Belegschaftsaktien mindestens eine Woche gehalten werden, um kurzfristigen Spekulationen nach der morgigen Erstnotierung Vorschub zu leisten. Fazit: Mitarbeiterbeteiligung ist bei der Post eine Erfolgsgeschichte, gemäß den gesetzten Zielen der Geschäftsleitung:
Klaus Zumwinkel: Wir wollen der weltweit führende Logistik-Konzern mit integriertem Brief-, Express-, Logistik- und Finanzdienstleistungen werden.
Die Unternehmensführung hat an dieser Stelle einiges an Vorarbeit geleistet: Sie kaufte Unternehmen jenseits der Grenzen, um die Voraussetzungen für einen global player zu schaffen. Werner Müller, parteiloser Bundeswirtschaftsminister, bestätigte bei der Grundsteinlegung für das neue Hauptquartier dem Unternehmen ausdrücklich die Richtigkeit dieses Kurses:
Werner Müller: Während meinem Eindruck nach noch nicht überall auf der Welt begriffen worden ist, dass der Postbereich ein Zukunftsmarkt ist, hat sich die Deutsche Post AG in diesen Jahren bereits mit großer Zielstrebigkeit und mit Beharrlichkeit auf die Erfordernisse der künftigen Post- und Logistikmärkte eingerichtet. Sie hat sich, ohne über alle Maßen darüber zu reden, vom local hero zum global player ihrer Branche gemausert.
Vorerst letzter Anhaltspunkt dafür war die Übernahme der Mehrheit am führenden Expressgutspediteur DHL. Der Weltmarktprimus beschäftigt mehr als 60 000 Menschen in 2 500 Niederlassungen in immerhin 228 Ländern. Vorstandschef Klaus Zumwinkel begründete seinen Expansionsdrang auf einer Pressekonferenz mit dem Versuch der Post, alle Logistikdienstleistungen unter einem Dach bieten zu können:
Klaus Zumwinkel: Die Strategie dabei ist natürlich, dass wir unseren Kunden die weltweiten Expressdienstleistungen – eben der Firma DHL anbieten wollen unter dem Stichwort: "One stop shopping". Und natürlich sind wir sehr stolz darauf, dass uns das hier und heute gelungen ist.
Im vergangenen Jahr beförderte die neue Post-Tochter 170 Millionen Sendungen und erwirtschaftete einen Umsatz von rund 5,5 Milliarden US-Dollar. Das passt sehr gut zu den Zahlen, die der Börsenkandidat Post für die erste Hälfte dieses Jahres nannte. Nach einer Steigerung um 58 Prozent erreichte der Umsatz des Mutterkonzerns einen Wert von 15,7 Milliarden Euro. Die dazugehörige Gewinnsteigerung auf 1,4 Milliarden Euro veranlasste Christopher Pleister, den Präsidenten des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, zu folgender Beurteilung:
Christopher Pleister: Die Post ist die Brücke zwischen der alten Ökonomie und der so genannten neuen Ökonomie. Die neue Ökonomie braucht jemanden, der das, was man im Internet bestellt – wenn ich das mal so bezeichnen darf - auch nach Hause bringt. Der auch die Zulauf-Logistik, also aus Asien, aus Amerika an die Internetfirmen in Europa transportiert und umgekehrt. Und insofern ist die gesamte Logistikbranche die Gewinnerin des e-business, oder des e-commerce oder des Internethandels. Deswegen erfahren wir auch in den letzten Monaten oder seit einem Jahr die Aktien oder die Firmen in diesem Feld eine Neubewertung – und zwar eine sehr positive Neubewertung.
Wenngleich die Vorbereitung des Börsengangs – also etwa Bekanntgabe der Zeichnungsfrist oder der Frühzeichnerprämien - von Unruhe und weitgehenden Kurseinbußen an den Börsen begleitet wurde, lobt Bankier Christopher Pleister die Kandidatin:
Christopher Pleister: Sie bietet eine solide Verbindung zwischen traditioneller Unternehmenskultur und auch durchaus attraktiven Segmenten, in die sie sich hineinentwickelt. Ich nenne insbesondere das Stichwort Logistik. Sie ist in der Logistik ein führender Teilnehmer – und zwar nicht nur am nationalen Markt, sondern auch im internationalen Geschäft. Dazu musste sie sich auch entsprechend neu aufstellen und auch entsprechende Akquisitionen vornehmen.
Die – beispielsweise – für die Übernahme der Mehrheit am marktführenden Expressunternehmen DHL rund 1,7 Milliarden DM gekostet haben dürfte. Preiswerter, wenngleich kaum billig, war das amerikanische Luftfrachtunternehmen Air Express. Es öffnet der Post den Zugang zu rund 150 Ländern. Grund genug für Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, das Konzept des Konzerns in höchsten Tönen zu loben:
Werner Müller: Spätestens seit dem Internet-Boom wissen wir, dass ein effizienter und leistungsfähiger Postbereich eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass electronic commerce wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Ohne leistungsfähige Logistikstrukturen bis zu den einzelnen Kunden nutzen elektronische Kaufhäuser und Marktplätze letztlich nichts.
Der Einstieg in diesen Markt der Zukunft ist noch nicht endgültig in Euro und Cent zu bewerten. Bei der Erläuterung der Halbjahreszahlen bestätigte Post-Chef Klaus Zumwinkel aber.......
Klaus Zumwinkel: .....dass wir im ersten Halbjahr hier 1.4 Milliarden Euro verdient haben. Wir gehen davon aus, dass die zweite Jahreshälfte – wie in den vergangenen Jahren auch, das ist nicht neu – schwächer ist. Einfach wegen der Sommermonate, wo wir viele Kosten, aber weniger Umsätze haben. Daraus haben Analysten bestimmte Gewinnschätzungen für dieses ganze Jahr gemacht. Denen kann ich mich anschließen.
Im Klartext heißt das: Mit mutmaßlich kaum mehr als 100 Millionen Euro fällt das Ergebnis in der zweiten Jahreshälfte im Vergleich zu den ersten sechs Monaten eher bescheiden aus. Einen übers Jahresende hinausreichenden Trend mochte Zumwinkel darin aber nicht erkennen. In der Konzernzentrale stützt man diese Auffassung nicht zuletzt auch darauf, dass das überaus einträgliche Monopol für die Beförderung und die Zustellung von Standardbriefen bis zu einem Gewicht von 200 Gramm noch bis Ende 2002 gilt. Parallel dazu steigen die Beiträge der anderen Betriebszweige zum Umsatz und auch zum Ergebnis. Zumwinkel versichert jedenfalls, dass der Anteil des Briefgeschäfts deutlich schrumpft. Noch 1998 erzielte die Post mit der Briefbeförderung rund 70 Prozent ihres Gesamtumsatzes. Im vergangenen Jahr sank dieser Anteil bereits auf knapp 46 Prozent. Im Gegenzug stieg der Beitrag der übrigen Unternehmensbereiche im operativen Geschäft auf mehr als 52 Prozent. Vor diesem Hintergrund relativiert Bankenpräsident Christopher Pleister die mögliche Sorge künftiger Post-Aktionäre über die Kursverluste am Neuen Markt:
Christopher Pleister: Die Risikoprofile der Neuer-Markt-Unternehmen oder der Start-Up-Unternehmen unterscheiden sich doch deutlich von den Risikoprofilen der Deutschen Post AG. Von daher glaube ich, dass unterschiedliche Anlegerbedürfnisse durch das , was an den Markt kommt, abgedeckt werden. Darüber hinaus muss man natürlich sehen, dass die Zeichner im neuen Markt eine wesentlich kleinere Größenordnung ausmachen als das, was in den großen Emissionen an den Mann gebracht wird. Die Zeichner bei Neuer-Markt-Unternehmen liegen zwischen 30 und 50.000. Bei Telekom waren das Hunderttausende bis zu einer Million. Und das wird bei der Post auch so sein.
Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz mochte vor dem ersten Börsen-Handelstag die Zuversicht des Post-Chefs nicht teilen: Er bewertet nicht nur die Risiken des schlechten Marktumfeldes stärker, auch befürchtet er größere Folgen für den Kurswert der Post-Aktie, wenn 2003 das einträgliche Briefmonopol ersatzlos entfällt:
Klaus Nieding: Das Briefmonopol haut dann schon ordentlich ins Kontor. Wenn dieses weg fällt, dann fallen hier auch deutliche Erträge weg. Und im Inland wird noch Geld verdient bei der Post – und nur im Inland. Und das muss man den Anlegern auch deutlich sagen.
Post-Vorstand Zumwinkel räumte bei der Erläuterung der Halbjahresergebnisse zwar ein, dass – wie er sagte - der Ergebnisbeitrag des Briefbereichs nach wie vor signifikant sei. Er unterstrich aber, dass die anderen Geschäftsbereiche – unter anderem die Finanzdienstleistungen und auch die Logistik – ihre Ergebnisse kontinuierlich gesteigert hätten. Dessen ungeachtet hatte sich aber – lange vor dem Börsengang – die EU-Kommission in Brüssel in die Geschäfte des deutschen Dienstleistungsriesen eingemischt: Noch drei Monate vor dem Termin eröffnete die EU-Kommission ein neues Kartellverfahren gegen die Deutsche Post World Net AG. Dabei ging es um mutmaßliche Groß-Rabatte für Versandhäuser. Die Brüsseler Wettbewerbswächter sahen darin den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Post. Und sie störten sich auch am deutschen Briefporto. Zitat:
Die deutsche Post AG wird aufgefordert zu erklären, warum der deutsche Postkunde auch unter Berücksichtigung von Förderqualität und Bevölkerungsdichte im europäischen Vergleich das höchste Porto bezahlt.
Da mögliche Folgen hieraus für die künftigen Postaktionäre, die Bewertung des Unternehmens und dessen Aussichten durchaus bedeutungsvoll sein könnten, bemühte sich Vorstandschef Klaus Zumwinkel schon vor Beginn der Frühzeichnungsphase um Aufklärung und gab Entwarnung:
Klaus Zumwinkel: Wir haben für diese Wettbewerbsverfahren vorgesorgt. Wir haben eine Rückstellung gebildet. Wenn Sie so wollen: eine Sparkasse. Wenn wir hier also tatsächlich verlieren sollten – wovon wir absolut nicht ausgehen - aber ein vorsichtiger Kaufmann baut vor. Hier haben wir 50 Millionen DM Rückstellungen gebildet. Das sind die Verfahren, die gegen die Deutsche Post AG gerichtet sind. Das Verfahren, das gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist, ist ein Beihilfeverfahren. Und hier können wir laut den "international counting standards" keine Rückstellung bilden. Aber die Größenordnungen sind so, dass aber nur Teile des Gewinns im schlimmsten Fall betroffen wären. Und wäre dann aus einigen wenigen Gewinnen abdeckbar.
Die Bundesregierung ist an dieser Entwicklung aktiv beteiligt. Der zuständige Bundeswirtschaftsminister hatte die auslaufende Genehmigung für das derzeit noch gültige Brief- und Postkarten-Porto – wenn man so will - angehalten und es per ministerieller Weisung bis Ende 2002 verlängert. Maßgebend für diese Entscheidung, gegen die vor allem der Deutsche Verband der Postbenutzer Sturm lief, war die Überlegung, dass die sonst fällige Senkung des Briefportos dem Börsengang des Unternehmens schaden könnte. Ein Sprecher der Post versicherte zwar, dass der Börsengang keineswegs gefährdet sei. Dennoch: Der zuständige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hielt es für angebracht, bei der Grundsteinlegung für das neue Hauptquartier des gelben Riesen Klartext zu reden:
Werner Müller: Ich will einmal anmerken, dass die Bundesregierung ein wachsames Auge auf faire Praktiken im Markt der Postdienste hat. Dazu gehört auch, die deutsche Post vor Unfairness zu schützen. Ich finde es übrigens auch sehr merkwürdig, dass immer wieder Berichte lanciert werden, die Post habe ab 1.10. dieses Jahres keine genehmigten Tarife. Das ist falsch. Bei den Post-Tarifen gibt es keinen rechtsfreien Raum.
Allerdings muss sich die Post schon jetzt – also lange, bevor Ende 2002 das Beförderungsmonopol für Briefe ausläuft – die Konkurrenz privater Briefzusteller gefallen lassen. Vier Wochen vor dem Börsengang fällte das Oberlandesgericht in Düsseldorf eine entsprechende Entscheidung. Mitte Oktober unterlag die Post in zweiter Instanz einem privaten Briefzusteller im linksrheinischen Mönchengladbach. Wenn der kleine Konkurrent der Post einen besseren Service zu günstigeren Tarifen biete, dürfe er – so urteilten die Richter - weiterhin Briefe zustellen. Trotz des bis Ende 2002 gültigen Briefmonopols der Post. Für Christopher Pleister, den Präsidenten des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken, beeinträchtigt das die Attraktivität der Postaktie als seriöse Geldanlage keineswegs – ganz im Gegenteil:
Christopher Pleister Es ist ein attraktives Unternehmen, das sicherlich auf eine interessierte Anlegerschaft in Deutschland stoßen wird. Es wird immer mehr Geld für die private Altersvorsorge aufgebracht werden müssen. Hier wird man verstärkt nach den Zukunftschancen der Geldanlage gucken. Die Aktie hat sich inzwischen als wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge etabliert. Ich halte die Post für ein attraktives Unternehmen, das für die Altersvorsorge die nötige Standfestigkeit und Solidität aufweist.
Die zwischenzeitlich bestätigte mehrfache Überzeichnung der Aktie Gelb scheint Pleisters Perspektive zu bestätigen. Schon beim Start der Zeichnungsphase sahen Börsianer klare Kurschancen für die Post. Seinerzeit hatten 5 Millionen private Kleinanleger Interesse an Post-Aktien bekundet. Dessen ungeachtet bleibt Klaus Nieding von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erst einmal skeptisch:
Klaus Nieding: Ich sehe sie durchaus in die Verlustzone rutschen, vor allem vor dem Hintergrund der Pensionsrückstellungen, die hier mitgeschleppt werden müssen, die noch aus dem Zeitalter des Staatsunternehmens stammen. Wenn diese alle bedient werden müssen, dann bedeutet das deutliche Belastungen für die Post – wie wir sie im übrigen ja auch bei der Telekom haben.
Diese Skepsis war nicht neu. Neu war auch nicht, dass die Unternehmensführung und die Bundesregierung als Allein-Aktionärin solchem Pessimismus stets widersprachen. Bei der Grundsteinlegung für den Post-Tower in Bonn nutzte Bundeswirtschaftsministert Werner Müller die Gelegenheit, um dem Post-Vorstand zu bescheinigen, im Hinblick auf den Börsengang den richtigen Kurs abgesteckt zu haben:
Werner Müller: Im Zeitalter der Globalisierung reicht es auch nicht mehr, die Logistik-Infrastruktur auf regionale oder nationale Märkte zu begrenzen. Weltweite Netze sind erforderlich. Und nur diejenigen Unternehmen, die Zugriff auf diese weltweiten Netze haben, werden die Chancen einer internationalen und modernen Wirtschaft voll ausnutzen können.
Ohne Zweifel: Von der Post als Behörde bleiben zwar die Beamten und Pensionäre als Zeugen einer staatlich dominierten Vergangenheit, doch die Zukunft wird geprägt nach der Entlassung in die unternehmerische Selbständigkeit durch kräftige Expansion. Einige Dutzend Unternehmen – regionale und nationale Marktführer – wurden übernommen und knüpften so die Maschen des weltweiten Logistiknetzes immer enger. Trotz dieser unerlässlichen Internationalisierung des Geschäfts sieht Volksbankier Christopher Pleister - gerade im Hinblick auf den Börsengang - eine solide Verankerung im Stammland:
Christopher Pleister: Bei der Post sind die Voraussetzungen dafür natürlich sehr gut, weil sie nun einmal ein traditionelles Unternehmen mit sehr vielen Mitarbeitern, und auch mit sehr vielen ehemaligen Mitarbeitern. Da wird die Identifikation mit dem alten Unternehmen auch dadurch sicherlich gefördert, dass man auch Anteile von dem Unternehmen kaufen kann ...
...und mutmaßlich auch hält. Für ausgesprochene Zocker sei die "Aktie Gelb" kaum das richtige Papier. Das gilt nach Überzeugung von Christopher Pleister auch für die Zeit, wenn die erste Tranche der Post-Anteile untergebracht ist. Zwar solle man, meint der Volksbankier, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Allerdings auch nicht auf dem Weg der Privatisierung vor dem letzten Schritt stehen bleiben:
Christopher Pleister: Auf lange Sicht ist eine Privatisierung nur dann sinnvoll, wenn sie konsequent durchgeführt wird. Das bedeutet, dass man die Privatisierung auch ohne die Sperrminorität des Bundes dann durchziehen sollte.
Darüber hat man sich im Bundesfinanzministerium zwar bereits Gedanken, gemacht - konkrete Pläne gibt es aber noch nicht. Die deutliche Überzeichnung des rund 270 Millionen Aktien betragenden ersten Angebots signalisiert einen Erlös, der – wie es heißt – im kalkulatorischen Rahmen liegt. Wann der Bund als Mehrheitsaktionär das nächste Paket Postaktien aus seinem Besitz an der Börse anbietet - und wie groß es sein wird - das steht noch in den Sternen. Allerdings meldete sich vor dem ersten Handelstag der Post-Aktien einer der Väter der Postreform zu Wort: Christian Schwarz-Schilling, der als Bundespostminister die Dreiteilung der ehemaligen Behörde betrieben hatte und damit die Privatisierung auf den Weg brachte – nach 15 Jahren angestrengter Diskussion. Er habe keine ordnungspolitischen Bauchschmerzen, wenn der Bund im Endeffekt die Sperrminorität an der mehrheitlich privatisierten Post behalte. Ob es dazu kommt - und wann - vermag auch Klaus Zumwinkel nicht zu sagen. Der Vorstandsvorsitzende, der die so genannte Gelbe Post zur Börsenreife führte, bleibt gleichwohl recht zuversichtlich, dass der morgige Termin den Anfang markiert einer vollständig privatisierten Post:
Klaus Zumwinkel: Der Finanzminister hat schon mehrfach gesagt, dass natürlich nach dieser ersten Tranche weitere Tranchen folgen werden. Das Ziel ist ja letztlich, dass insgesamt die Deutsche Post World Net in Privathände, in die Hände der Bürger übergeht. Deswegen hat man ja vor einigen Jahren diese große Anstrengung unternommen, mit zwei Drittel Mehrheit – mit dem Votum aller Parteien diesen Börsengang und die Privatisierung zu machen.