Das schreibt Guy de Maupassant einige Jahre nach Flauberts Tod an dessen Nichte, Caroline Commanville. Was er unter intimer Korrespondenz versteht und ob er seine eigene mit Flaubert darunter einreiht, geht aus seinem Brief nicht eindeutig hervor. Daß sie jetzt zum ersten Mal auf deutsch vorliegt, ein Jahr nach den Briefen an Louise Colet, kann jedenfalls für uns heutige Leser als Glücksfall gelten.
Die Beziehung zwischen Gustave Flaubert und Guy de Maupassant war so sehr ein Vater-Sohn-Verhältnis, daß es tatsächlich Spekulationen darüber gegeben hat, Flaubert sei der leibliche Vater des jüngeren Kollegen gewesen. Dies darf wohl ohne Vorbehalt in den Bereich der romantischen Legende verwiesen werden. Die Beziehung zwischen den beiden Familien stellte sich anders her. Maupassants Mutter Laure, eine geborene Poittevin, war die Schwester von Flauberts Jugendfreund Alfred le Poittevin, der früh starb. Der erste Brief im vorliegenden Band ist von ihr an Flaubert gerichtet und am 6. Dezember 1862 geschrieben, zwei Wochen nach dem Erscheinen von Salammbó. Darin wird Guy, damals zwölf Jahre alt und der ältere zweier Brüder, schon als aufmerksamer und teilnehmender Rezipient von Literatur geschildert:
"Sobald das Diner beendet ist, setzen wir uns ans Feuer, ich nehme das Buch und fange an zu lesen. Meinem Sohn Guy entgeht nichts. Deine oft so entzückenden, manchmal so schrecklichen Beschreibungen lassen seine schwarzen Augen aufblitzen, und ich glaube wirklich, daß ihm der Schlachtenlärm und das Trompeten von Elefanten in den Ohren klingen."
Maupassant kam also schon in sehr frühen Jahren mit einem der herausragendsten Vertreter der französischen Literatur in Berührung. Die erste persönliche Begegnung fand allerdings erst 1867 statt, als er Flaubert in Croisset besucht. Fünf Jahre später, als er als Beamtenanwärter im Marineministerium einer quälenden und montonen Arbeit nachgeht, sind die sonntäglichen Besuche bei Flaubert, wenn dieser sich in Paris aufhält, sein einziger Lichtblick. So sagt es wiederum das briefliche Zeugnis der Mutter:
Guy ist so glücklich, daß er jeden Sonntag zu Dir kommen, stundenlang dableiben darf und mit einer so schmeichelhaften und wohltuenden Vertraulichkeit behandelt wird, daß in all seinen Briefen immer wieder dasselbe steht.
Immer wieder dasselbe soll heißen: der Bericht von seiner Arbeit und von seinen Zerstreuungen, die er zu einem nicht unerheblichen Teil bei Frauen gesucht haben dürfte, und dann die Beteuerung, daß nichts ihn so anziehe wie das Haus Flauberts. Der gibt das Kompliment in einem Brief an die Mutter zurück, nennt ihn charmant, intelligent, wohlerzogen, verständig und geistreich und trotz des Altersunterschieds einen Freund und sieht literarisches Talent bei ihm. Das ist 1873, Maupassant ist 23 Jahre alt. Dann folgen allerdings streng väterliche Zeilen, verbunden mit einem Bekenntnis zur Kunst, wie wir es auch aus Briefen Flauberts an andere Adressaten kennen:
Ich halte unseren jungen Mann für ein wenig unstet und nicht sehr arbeitswütig. Ich sähe ihn gern ein Werk von langem Atem anpacken, wenn es auch abscheulich wird...Mit der Zeit wird er Originalität bekommen, eine eigene Art zu sehen und zu fühlen (denn es ist alles vorhanden); was sagt dann schon das Ergebnis, der Erfolg! Die Hauptsache in dieser Welt ist, seine Seele in einer hohen Region zu halten, weit weg von den bourgeoisen und demokratischen Sümpfen. Ein Leben für die Kunst verleiht Stolz; davon kann man nie zuviel haben. Das ist meine Moral.
Der eigentliche Briefwechsel zwischen Flaubert und Maupassant beginnt im Sommer 1873, nachdem Flaubert aus Paris in die Einsamkeit von Croisset zurückgekehrt ist. Er hat begonnen, an "Bouvard und Pécuchet" zu arbeiten und bittet den Jüngeren von Zeit zu Zeit um Auskünfte. Er möchte etwas wissen über das Leben kleiner Angestellter, insbesondere von Amtsschreibern und Näherinnen, und später braucht er eine exakte Beschreibung der Küste von Barneval bis Étretat. Er versucht ihm über einen Freund eine Stelle als Literatur- und Theaterkitiker zu verschaffen, nennt ihn in der Briefanrede zuweilen "Junger Lüstling" oder "Lüsterner Autor, obszöner junger Mann" und ermahnt ihn, sein Leben nach der Kunst auszurichten:
Ein Mann, der sich zum Künstler ernannt hat, besitzt nicht mehr das Recht, wie andere zu leben. - Mäßigen Sie Ihr Gemächt und bleiben Sie fröhlich und arbeitsam.
Der Ton zwischen beiden ist spielerisch und manchmal derb, vor allem aber von einer tiefen gegenseitigen Zuneigung getragen, die niemals gezwungen wirkt. Welcher Art diese Zuneigung ist, wird von Flauberts Seite spätestens 1874 klar, als er Maupassants Exemplar der Versuchung des Heiligen Antonius mit der Widmung versieht: "Für Guy de Maupassant, den ich liebe wie meinen Sohn." Zwei Jahre später veröffentlicht Maupassant unter einem Pseudonym seinen ersten Artikel über seinen väterlichen Freund in der République des Lettres, und Flaubert bedankt sich:
Danke für Ihren Artikel, mein lieber Freund. Sie sind mit der Liebe eines Sohnes auf mich eingegangen. Meine Nichte ist von Ihrer Arbeit begeistert. Sie hält es für das beste, was über ihren Onkel geschrieben wurde. Ich denke das, wage es jedoch nicht auszusprechen.
Es ist nicht allein das Quasi-Verhältnis von Vater und Sohn, das beide verbindet, sondern das von Lehrer und Schüler. Beide teilen eine gemeinsame Auffassung von Literatur: das Zurücktreten des Autors hinter seinem Werk, mehr noch, das Verschwinden in ihm, und die Suche nach dem mot juste, dem einzig passenden Wort und dem einzig richtigen Satz an der jeweiligen Stelle. Dies mag zunächst überraschend wirken, wenn man bedenkt, daß Maupassant sein gesamtes durchaus umfangreiches Werk, darunter sechs Romane, in einem einzigen Jahrzehnt geschrieben hat, während Flauberts literarische Tätigkeit einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten umspannt. Liest man aber Maupassant aufmerksam, wird man leicht feststellen, daß bei ihm die gleiche unbedingte Suche nach dem richtigen Wort regiert wie bei dem Älteren, und dies nicht allein in den anerkannten Novellen, sondern auch in einem so perfekt bis ins Detail konstruierten Roman wie Bel-Ami.
Bei diesen Gemeinsamkeiten ist es nicht verwunderlich, wenn auch das Urteil über andere Autoren bei beiden ähnlich ausfällt. Nachdem Maupassant in La Nation einen Artikel über Balzac veröffentlicht hat, den er schon an anderer Stelle als einen Wegbereiter, aber einen zweifellos unvollkommenen Schriftsteller bezeichnet hatte, stimmt Flaubert zu:
Dieser große Mann war weder ein Dichter noch ein Schriftsteller, was ihn nicht daran hinderte, ein großer Mann zu sein. Ich bewundere ihn jetzt sehr viel weniger als früher, da ich mehr und mehr auf Perfektion versessen bin, aber vielleicht bin ich es, der unrecht hat.
Und an anderer Stelle ist schlichtweg von "diesem Idioten Stendhal" die Rede, den beide für einen "zweitklassigen Romancier" hielten. Die Härte des Urteils macht natürlich auch nicht vor den Zeitgenossen halt, etwa vor Mallarmé, und nicht vor den Idiotien des Literaturbetriebs, der ja eine genuine Erfindung des Pariser 19. Jahrhunderts ist. Als Zola in der Zeitschrift Le Voltaire seinen Roman Nana abdrucken und das von einer Werbekampagne begleiten läßt, schreibt Maupassant:
Auf den Boulevards und Straßen sieht man Schlangen von Leuten in Arbeitskitteln, die Spruchbänder tragen, auf denen NANA VON EMILE ZOLA IM VOLTAIRE zu lesen steht! Wenn jemand mich fragen würde, ob ich Schriftsteller bin, würde ich antworten: "Nein, Monsieur, ich verkaufe Angelruten", so demütigend für alle finde ich diese verrückte Werbung.
Das hindert ihn natürlich nicht daran, den Literaturbetrieb zum eigenen Vorteil in Anspruch zu nehmen, weil es für einen Autor nun einmal keine andere Möglichkeit gibt. Vor der Premiere seines Stücks Histoire du vieux temps schreibt er an Flaubert:
Mein Stück wird in zehn Tagen bei Ballande aufgeführt. Können Sie mir, mein lieber Meister, ein Empfehlungsschreiben für Théodore de Banville schicken, den ich gern bitten möchte, zu kommen. Ich versuche soviele Kritiker zu bekommen, wie nur möglich...Ich habe Banville bei Ihnen gesehen. Aber er kennt mich nicht wieder, wenn ich ihn treffe.
Banville ist dann auch gekommen und war nach Maupassants Aussage "ganz reizend", und er versäumt auch nicht zu berichten, daß Zola und seine Frau sehr geklatscht und ihm lebhaft gratuliert haben. Der Erfolg schmeichelt ihm, Daudets Kritik, die er als "hinterhältig" bezeichnet, kränkt ihn, ganz natürliche Reaktionen also. Er ist, wie jeder Autor, von der Resonanz auf seine Arbeit abhängig. Dennoch kann man ihm den tiefen Ekel vor dem Literaturbetrieb abnehmen, der sich schon früh zuweilen zu dem Lebensekel steigert, der seine letzten Lebensjahre vollends verdüsterte:
Der Hintern der Frauen ist ebenso eintönig wie der Geist der Männer. Ich finde, daß die Ereignisse nicht abwechlungsriech sind; daß die Laster recht kümmerlich sind; und daß es nicht genug sprachliche Wendungen gibt.
Flaubert reagiert auf diesen allgemeinen Überdruß, der ihm selbst nicht ganz fremd gewesen sein kann, fürsorglich mit väterlicher Strenge:
Sie beklagen sich über den Hintern der Frauen, der "eintönig" ist. Es gibt da ein sehr einfaches Mittel, nämlich sich seiner nicht zu bedienen. "Die Ereignisse sind nicht abwechslungsreich." Das ist eine realistische Beschwerde, und was wissen Sie denn schon davon? Es geht darum, sie näher zu betrachten. Haben Sie je an die Existenz der Dinge geglaubt? ist nicht alles Illusion? Wahr sind nur die "Bezüge", das heißt, die Art und Weise, in der wir die Objekte wahrnehmen. "Die Laster sind kümmerlich", aber es ist doch alles kümmerlich! "Es gibt nicht genug sprachliche Wendungen!" Suchen Sie und Sie werden finden! Kurz, mein lieber Freund, Sie kommen mir recht angegriffen vor, und Ihr Verdruß bekümmert mich, denn Sie könnten Ihre Zeit besser nutzen. Man muß, hören Sie, junger Mann, man muß mehr arbeiten. Ich habe inzwischen den Verdacht, daß Sie etwas faul sind.
Das ist nicht ganz gerecht, weil Flaubert vergißt, daß sein junger Schüler täglich zwölf Stunden und mehr seiner stumpfsinnigen Arbeit im Marineministerium nachgehen muß. Es ist ein zäher Prozeß, bis Maupassant, unter anderem durch Flauberts Protektion, ins Kultusministerium überwechseln kann, wo die Arbeit etwas angenehmer ist. Und Anfang Dezember 1879 teilt er mit:
Ich arbeite hart an meiner Novelle über die Leute aus Rouen und den Krieg. Ich werde von nun an gezwungen sein, Pistolen in der Tasche zu haben, wenn ich durch Rouen fahre.
Autor: So weit ist es nicht gekommen, dafür aber brachte die Novelle, von der hier die Rede ist, für Maupassant den Durchbruch. Sie war einer von sechs Beiträgen zu einer Anthologie, zu der Zola eingeladen hatte, der Maupassant um eine Erzählung über den Krieg 1870/71 bat. Maupassant trug sie seinen Mitautoren, die schon gelesen hatten, als letzter vor, und Pol Neveux berichtet:
Sprecher: Als er "Boule de suif" zu Ende gelesen hatte, standen alle mit einer Bewegtheit, die sie nie vergessen würden, begeistert von dieser Offenbarung spontan auf und nannten ihn, ohne weitere Worte zu machen, einen Meister."
Die Geschichte von der Hure, die während des Krieges zusammen mit ehrbaren Bürgersleuten in einer Kutsche die Stadt verläßt, sich für sie unterwegs einem deutschen Offizier hingibt, der die Gruppe nicht weiterziehen lassen will, und danach von ihren Mitreisenden geschnitten wird, versetzte aber nicht nur Maupassants Mitautoren an der Anthologie in Entzücken, sondern vor allem seinen Lehrmeister Flaubert, dem er am 28. Januar 1880 die Druckfahnen geschickt hatte. Die Antwort kam postwendend am 1. Februar. Er spricht zunächst über ein Theaterstück Maupassants, das er "sehr, sehr hübsch" nennt und "amüsant, erlesen, geschliffen, zauberisch. Dann bricht sein Enthusiasmus durch:
Aber ich kann es kaum erwarten, Ihnen zu sagen, daß ich "Boule de suif" für ein Meisterwerk halte! Ja! junger Mann! Nicht mehr und nicht weniger, das stammt von einem Meister. Es ist sehr ursprünglich in seiner Konzeption, vollkommen richtig begriffen und stilistisch ausgezeichnet. Landschaft und Personen stehen miteinander in Verbindung und die Psychologie ist überzeugend. Kurz, ich bin begeistert; zwei oder drei Mal habe ich laut gelacht...Diese kleine Erzählung wird Bestand haben, da können Sie sicher sein! Was sind Ihre Bourgeois für schöne Visagen! Nicht einer ist verfehlt....Ich habe Ideen, wie man "Boule de suif" bekannt machen kann, aber ich hoffe, Sie bald zu sehen. Ich bitte um zwei Exemplare; noch einmal bravo! bei Gott!
Flaubert versäumt auch nicht, das Loblied wenige Tage danach noch einmal in einem Brief an Maupassants Mutter zu wiederholen, und gut zwei Monate später, nach einer erneuten Lektüre, hat seine Begeisterung nicht nachgelassen. Auch über andere Werke seines Schützlings äußert er sich lobend, spart aber nie mit deutlicher Kritik, wenn ihm etwas mißlungen zu sein scheint. Er geht jetzt gegenüber Maupassant zum Du über, das väterlich und freundschaftlich zugleich ist. Er schützt ihn durch seine Autorität vor einem drohenden Prozeß wegen Obszönität anläßlich einer Gedichtveröffentlichung. Dieser Prozeß hätte für den Jüngeren sehr unangenehm werden und ihn seine Stellung im Ministerium kosten können. Auf Maupassants Bitte schreibt Flaubert, seit dem Prozeß um Madame Bovary gleichsam Experte, ihm einen langen Brief, der dann mit seinem Einverständnis in der Zeitung Le Gaulois erscheint. Darin findet sich noch einmal das Leitmotiv Flaubertscher Kunstauffassung:
Mit der Tendenztheorie kann man ein Schaf guillotinieren, weil es von Fleisch geträumt hat! Man müßte sich ein für allemal über die Frage der Moral in der Kunst verständigen. Was schön ist, ist moralisch, das ist alles, weiter nichts.
Und am Ende des Briefes kommt er auf den unerschöpflichen Stoff zu sprechen, der ihn lebenslang so beschäftigt hat und Thema seines letzten großen Romans war:
Aber, noch einmal, das ist unmöglich, Du wirst nicht belangt werden, Du wirst nicht veurteilt werden. Da liegt ein Mißverständnis vor, ein Irrtum, was weiß ich. Der Justizminister wird einschreiten. Wir leben nicht mehr in den schönen Tagen der Restauration! - Indessen, wer weiß? die Erde hat ihre Grenzen; die menschliche Dummheit jedoch ist grenzenlos.
Gewissermaßen an einer Enzyklopädie der Dummheit arbeitete Flaubert seit 1871 mit dem Roman Bouvard und Pécuchet. Dabei sind nicht, wie es so oft in der Interpretation behauptet worden ist, die beiden Titelhelden die Dummköpfe. Die Dummheit ist vielmehr in den verschiedenen Wissensgebieten akkumuliert, denen sie sich sukzessive zuwenden. Im Herbst 1879 arbeitet Flaubert am Kapitel über die Religion und schreibt:
Meine Religion (christliche Exegese und Apologetik) raubt mir die Kraft! Ich werde Neujahr nicht fertig sein, Man muß sich damit abfinden. Ich fürchte, selbst am Ende zu sein, bevor mein Roman abgeschlossen ist.
Autor: Immer wieder beklagt er sich über die Kraft, die die Arbeit ihm raubt und über die Mengen von Lektüre, die die einzelnen Kapitel erforden. Im selben Brief, in dem er Boule de suif so enthusiastisch feiert, berichtet er vom Stand der Arbeit am letzten Kapitel:
Sprecher: Ich bin mit meinen Lektüren wirklich völlig überlastet und meine armen Augen können nicht mehr. Ich muß noch ein Dutzend Werke lesen, bevor ich mit meinem letzten Kapitel anfange. Ich bin jetzt bei der Schädellehre und dem Verwaltungsrecht, ohne das De Officiis von Cicero und den Koitus der Pfauen mitzurechnen. Haben Sie, der Sie ein Landmann sind (oder zumindest einer waren), erlebt, wie diese Tiere sich der Liebe hingeben?
Maupassants Antwort auf diese Frage ist uns nicht bekannt. Knapp zwei Monate später, Ostern 1880, reiste er zusammen mit Zola, Goncourt, Alphonse Daudet und dem Verleger Charpentier nach Croisset, um Flaubert zu besuchen. Goncourt notiert daüber in seinem Tagebuch:
Und der Abend vergeht mit dem Erzählen von deftigen Geschichten, die Flaubert in jenes Lachen ausbrechen lassen, das die Unbändigkeit von Kinderlachen hat. Er weigert sich, aus seinem Roman zu lesen, er ist erschöpft, ausgelaugt.
Fünf Wochen später heißt beklagt sich Flaubert über die miserable Zahlungsmoral seines Verlegers, ist erstaunt über die Auflagenzahl der Anthologie, in der Maupassants Novelle erschienen ist, und schließt dann:
Du wirst mich Anfang nächster Woche zu Gesicht bekommen. Derweilen umarmt Dich Dein Alter. Dienstag 10 Uhr morgens.
Vier Tage später stirbt Flaubert an einem Schlaganfall. Seine Befürchtung, selbst eher am Ende zu sein als sein Roman, hatte sich bewahrheitet. Maupassant sorgte dafür, daß sein letzter Wille respektiert wurde und Manuskripte und Briefe nicht zu Verwertungszwecken in falsche Hände gerieten. Die Zeitung Le Gaulois nannte ihn deshalb den "eigentlichen Testamentsvollstrecker, in jedem Fall den unmittelbaren literarischen Erben." Maupassant selbst schrieb später:
Er hat aus mir den Schrifitsteller gemacht, der ich bin.
So endete diese vielleicht einzigartige Freundschaft unter Schriftstellern, einzigartig deshalb, weil sie frei von der geringsten Rivalität war, auf gegenseitiger Liebe, völliger Aufrichtigkeit und einer gemeinsamen Auffassung von Literatur beruhte. Maupassant darf wirklich als der literarische Erbe Flauberts betrachtet werden. Der Briefwechsel zwischen ihm und Flaubert erscheint natürlich im Rahmen der verdienstvollen Flaubert-Edition des Verlages. Es wäre aber wünschenswert, wenn sich auch ein Verlag entschließen könnte, den grausam unterschätzten Schriftsteller Guy de Maupassant neu zu edieren und ihm zu seiner wahren Geltung zu verhelfen.
Die Beziehung zwischen Gustave Flaubert und Guy de Maupassant war so sehr ein Vater-Sohn-Verhältnis, daß es tatsächlich Spekulationen darüber gegeben hat, Flaubert sei der leibliche Vater des jüngeren Kollegen gewesen. Dies darf wohl ohne Vorbehalt in den Bereich der romantischen Legende verwiesen werden. Die Beziehung zwischen den beiden Familien stellte sich anders her. Maupassants Mutter Laure, eine geborene Poittevin, war die Schwester von Flauberts Jugendfreund Alfred le Poittevin, der früh starb. Der erste Brief im vorliegenden Band ist von ihr an Flaubert gerichtet und am 6. Dezember 1862 geschrieben, zwei Wochen nach dem Erscheinen von Salammbó. Darin wird Guy, damals zwölf Jahre alt und der ältere zweier Brüder, schon als aufmerksamer und teilnehmender Rezipient von Literatur geschildert:
"Sobald das Diner beendet ist, setzen wir uns ans Feuer, ich nehme das Buch und fange an zu lesen. Meinem Sohn Guy entgeht nichts. Deine oft so entzückenden, manchmal so schrecklichen Beschreibungen lassen seine schwarzen Augen aufblitzen, und ich glaube wirklich, daß ihm der Schlachtenlärm und das Trompeten von Elefanten in den Ohren klingen."
Maupassant kam also schon in sehr frühen Jahren mit einem der herausragendsten Vertreter der französischen Literatur in Berührung. Die erste persönliche Begegnung fand allerdings erst 1867 statt, als er Flaubert in Croisset besucht. Fünf Jahre später, als er als Beamtenanwärter im Marineministerium einer quälenden und montonen Arbeit nachgeht, sind die sonntäglichen Besuche bei Flaubert, wenn dieser sich in Paris aufhält, sein einziger Lichtblick. So sagt es wiederum das briefliche Zeugnis der Mutter:
Guy ist so glücklich, daß er jeden Sonntag zu Dir kommen, stundenlang dableiben darf und mit einer so schmeichelhaften und wohltuenden Vertraulichkeit behandelt wird, daß in all seinen Briefen immer wieder dasselbe steht.
Immer wieder dasselbe soll heißen: der Bericht von seiner Arbeit und von seinen Zerstreuungen, die er zu einem nicht unerheblichen Teil bei Frauen gesucht haben dürfte, und dann die Beteuerung, daß nichts ihn so anziehe wie das Haus Flauberts. Der gibt das Kompliment in einem Brief an die Mutter zurück, nennt ihn charmant, intelligent, wohlerzogen, verständig und geistreich und trotz des Altersunterschieds einen Freund und sieht literarisches Talent bei ihm. Das ist 1873, Maupassant ist 23 Jahre alt. Dann folgen allerdings streng väterliche Zeilen, verbunden mit einem Bekenntnis zur Kunst, wie wir es auch aus Briefen Flauberts an andere Adressaten kennen:
Ich halte unseren jungen Mann für ein wenig unstet und nicht sehr arbeitswütig. Ich sähe ihn gern ein Werk von langem Atem anpacken, wenn es auch abscheulich wird...Mit der Zeit wird er Originalität bekommen, eine eigene Art zu sehen und zu fühlen (denn es ist alles vorhanden); was sagt dann schon das Ergebnis, der Erfolg! Die Hauptsache in dieser Welt ist, seine Seele in einer hohen Region zu halten, weit weg von den bourgeoisen und demokratischen Sümpfen. Ein Leben für die Kunst verleiht Stolz; davon kann man nie zuviel haben. Das ist meine Moral.
Der eigentliche Briefwechsel zwischen Flaubert und Maupassant beginnt im Sommer 1873, nachdem Flaubert aus Paris in die Einsamkeit von Croisset zurückgekehrt ist. Er hat begonnen, an "Bouvard und Pécuchet" zu arbeiten und bittet den Jüngeren von Zeit zu Zeit um Auskünfte. Er möchte etwas wissen über das Leben kleiner Angestellter, insbesondere von Amtsschreibern und Näherinnen, und später braucht er eine exakte Beschreibung der Küste von Barneval bis Étretat. Er versucht ihm über einen Freund eine Stelle als Literatur- und Theaterkitiker zu verschaffen, nennt ihn in der Briefanrede zuweilen "Junger Lüstling" oder "Lüsterner Autor, obszöner junger Mann" und ermahnt ihn, sein Leben nach der Kunst auszurichten:
Ein Mann, der sich zum Künstler ernannt hat, besitzt nicht mehr das Recht, wie andere zu leben. - Mäßigen Sie Ihr Gemächt und bleiben Sie fröhlich und arbeitsam.
Der Ton zwischen beiden ist spielerisch und manchmal derb, vor allem aber von einer tiefen gegenseitigen Zuneigung getragen, die niemals gezwungen wirkt. Welcher Art diese Zuneigung ist, wird von Flauberts Seite spätestens 1874 klar, als er Maupassants Exemplar der Versuchung des Heiligen Antonius mit der Widmung versieht: "Für Guy de Maupassant, den ich liebe wie meinen Sohn." Zwei Jahre später veröffentlicht Maupassant unter einem Pseudonym seinen ersten Artikel über seinen väterlichen Freund in der République des Lettres, und Flaubert bedankt sich:
Danke für Ihren Artikel, mein lieber Freund. Sie sind mit der Liebe eines Sohnes auf mich eingegangen. Meine Nichte ist von Ihrer Arbeit begeistert. Sie hält es für das beste, was über ihren Onkel geschrieben wurde. Ich denke das, wage es jedoch nicht auszusprechen.
Es ist nicht allein das Quasi-Verhältnis von Vater und Sohn, das beide verbindet, sondern das von Lehrer und Schüler. Beide teilen eine gemeinsame Auffassung von Literatur: das Zurücktreten des Autors hinter seinem Werk, mehr noch, das Verschwinden in ihm, und die Suche nach dem mot juste, dem einzig passenden Wort und dem einzig richtigen Satz an der jeweiligen Stelle. Dies mag zunächst überraschend wirken, wenn man bedenkt, daß Maupassant sein gesamtes durchaus umfangreiches Werk, darunter sechs Romane, in einem einzigen Jahrzehnt geschrieben hat, während Flauberts literarische Tätigkeit einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten umspannt. Liest man aber Maupassant aufmerksam, wird man leicht feststellen, daß bei ihm die gleiche unbedingte Suche nach dem richtigen Wort regiert wie bei dem Älteren, und dies nicht allein in den anerkannten Novellen, sondern auch in einem so perfekt bis ins Detail konstruierten Roman wie Bel-Ami.
Bei diesen Gemeinsamkeiten ist es nicht verwunderlich, wenn auch das Urteil über andere Autoren bei beiden ähnlich ausfällt. Nachdem Maupassant in La Nation einen Artikel über Balzac veröffentlicht hat, den er schon an anderer Stelle als einen Wegbereiter, aber einen zweifellos unvollkommenen Schriftsteller bezeichnet hatte, stimmt Flaubert zu:
Dieser große Mann war weder ein Dichter noch ein Schriftsteller, was ihn nicht daran hinderte, ein großer Mann zu sein. Ich bewundere ihn jetzt sehr viel weniger als früher, da ich mehr und mehr auf Perfektion versessen bin, aber vielleicht bin ich es, der unrecht hat.
Und an anderer Stelle ist schlichtweg von "diesem Idioten Stendhal" die Rede, den beide für einen "zweitklassigen Romancier" hielten. Die Härte des Urteils macht natürlich auch nicht vor den Zeitgenossen halt, etwa vor Mallarmé, und nicht vor den Idiotien des Literaturbetriebs, der ja eine genuine Erfindung des Pariser 19. Jahrhunderts ist. Als Zola in der Zeitschrift Le Voltaire seinen Roman Nana abdrucken und das von einer Werbekampagne begleiten läßt, schreibt Maupassant:
Auf den Boulevards und Straßen sieht man Schlangen von Leuten in Arbeitskitteln, die Spruchbänder tragen, auf denen NANA VON EMILE ZOLA IM VOLTAIRE zu lesen steht! Wenn jemand mich fragen würde, ob ich Schriftsteller bin, würde ich antworten: "Nein, Monsieur, ich verkaufe Angelruten", so demütigend für alle finde ich diese verrückte Werbung.
Das hindert ihn natürlich nicht daran, den Literaturbetrieb zum eigenen Vorteil in Anspruch zu nehmen, weil es für einen Autor nun einmal keine andere Möglichkeit gibt. Vor der Premiere seines Stücks Histoire du vieux temps schreibt er an Flaubert:
Mein Stück wird in zehn Tagen bei Ballande aufgeführt. Können Sie mir, mein lieber Meister, ein Empfehlungsschreiben für Théodore de Banville schicken, den ich gern bitten möchte, zu kommen. Ich versuche soviele Kritiker zu bekommen, wie nur möglich...Ich habe Banville bei Ihnen gesehen. Aber er kennt mich nicht wieder, wenn ich ihn treffe.
Banville ist dann auch gekommen und war nach Maupassants Aussage "ganz reizend", und er versäumt auch nicht zu berichten, daß Zola und seine Frau sehr geklatscht und ihm lebhaft gratuliert haben. Der Erfolg schmeichelt ihm, Daudets Kritik, die er als "hinterhältig" bezeichnet, kränkt ihn, ganz natürliche Reaktionen also. Er ist, wie jeder Autor, von der Resonanz auf seine Arbeit abhängig. Dennoch kann man ihm den tiefen Ekel vor dem Literaturbetrieb abnehmen, der sich schon früh zuweilen zu dem Lebensekel steigert, der seine letzten Lebensjahre vollends verdüsterte:
Der Hintern der Frauen ist ebenso eintönig wie der Geist der Männer. Ich finde, daß die Ereignisse nicht abwechlungsriech sind; daß die Laster recht kümmerlich sind; und daß es nicht genug sprachliche Wendungen gibt.
Flaubert reagiert auf diesen allgemeinen Überdruß, der ihm selbst nicht ganz fremd gewesen sein kann, fürsorglich mit väterlicher Strenge:
Sie beklagen sich über den Hintern der Frauen, der "eintönig" ist. Es gibt da ein sehr einfaches Mittel, nämlich sich seiner nicht zu bedienen. "Die Ereignisse sind nicht abwechslungsreich." Das ist eine realistische Beschwerde, und was wissen Sie denn schon davon? Es geht darum, sie näher zu betrachten. Haben Sie je an die Existenz der Dinge geglaubt? ist nicht alles Illusion? Wahr sind nur die "Bezüge", das heißt, die Art und Weise, in der wir die Objekte wahrnehmen. "Die Laster sind kümmerlich", aber es ist doch alles kümmerlich! "Es gibt nicht genug sprachliche Wendungen!" Suchen Sie und Sie werden finden! Kurz, mein lieber Freund, Sie kommen mir recht angegriffen vor, und Ihr Verdruß bekümmert mich, denn Sie könnten Ihre Zeit besser nutzen. Man muß, hören Sie, junger Mann, man muß mehr arbeiten. Ich habe inzwischen den Verdacht, daß Sie etwas faul sind.
Das ist nicht ganz gerecht, weil Flaubert vergißt, daß sein junger Schüler täglich zwölf Stunden und mehr seiner stumpfsinnigen Arbeit im Marineministerium nachgehen muß. Es ist ein zäher Prozeß, bis Maupassant, unter anderem durch Flauberts Protektion, ins Kultusministerium überwechseln kann, wo die Arbeit etwas angenehmer ist. Und Anfang Dezember 1879 teilt er mit:
Ich arbeite hart an meiner Novelle über die Leute aus Rouen und den Krieg. Ich werde von nun an gezwungen sein, Pistolen in der Tasche zu haben, wenn ich durch Rouen fahre.
Autor: So weit ist es nicht gekommen, dafür aber brachte die Novelle, von der hier die Rede ist, für Maupassant den Durchbruch. Sie war einer von sechs Beiträgen zu einer Anthologie, zu der Zola eingeladen hatte, der Maupassant um eine Erzählung über den Krieg 1870/71 bat. Maupassant trug sie seinen Mitautoren, die schon gelesen hatten, als letzter vor, und Pol Neveux berichtet:
Sprecher: Als er "Boule de suif" zu Ende gelesen hatte, standen alle mit einer Bewegtheit, die sie nie vergessen würden, begeistert von dieser Offenbarung spontan auf und nannten ihn, ohne weitere Worte zu machen, einen Meister."
Die Geschichte von der Hure, die während des Krieges zusammen mit ehrbaren Bürgersleuten in einer Kutsche die Stadt verläßt, sich für sie unterwegs einem deutschen Offizier hingibt, der die Gruppe nicht weiterziehen lassen will, und danach von ihren Mitreisenden geschnitten wird, versetzte aber nicht nur Maupassants Mitautoren an der Anthologie in Entzücken, sondern vor allem seinen Lehrmeister Flaubert, dem er am 28. Januar 1880 die Druckfahnen geschickt hatte. Die Antwort kam postwendend am 1. Februar. Er spricht zunächst über ein Theaterstück Maupassants, das er "sehr, sehr hübsch" nennt und "amüsant, erlesen, geschliffen, zauberisch. Dann bricht sein Enthusiasmus durch:
Aber ich kann es kaum erwarten, Ihnen zu sagen, daß ich "Boule de suif" für ein Meisterwerk halte! Ja! junger Mann! Nicht mehr und nicht weniger, das stammt von einem Meister. Es ist sehr ursprünglich in seiner Konzeption, vollkommen richtig begriffen und stilistisch ausgezeichnet. Landschaft und Personen stehen miteinander in Verbindung und die Psychologie ist überzeugend. Kurz, ich bin begeistert; zwei oder drei Mal habe ich laut gelacht...Diese kleine Erzählung wird Bestand haben, da können Sie sicher sein! Was sind Ihre Bourgeois für schöne Visagen! Nicht einer ist verfehlt....Ich habe Ideen, wie man "Boule de suif" bekannt machen kann, aber ich hoffe, Sie bald zu sehen. Ich bitte um zwei Exemplare; noch einmal bravo! bei Gott!
Flaubert versäumt auch nicht, das Loblied wenige Tage danach noch einmal in einem Brief an Maupassants Mutter zu wiederholen, und gut zwei Monate später, nach einer erneuten Lektüre, hat seine Begeisterung nicht nachgelassen. Auch über andere Werke seines Schützlings äußert er sich lobend, spart aber nie mit deutlicher Kritik, wenn ihm etwas mißlungen zu sein scheint. Er geht jetzt gegenüber Maupassant zum Du über, das väterlich und freundschaftlich zugleich ist. Er schützt ihn durch seine Autorität vor einem drohenden Prozeß wegen Obszönität anläßlich einer Gedichtveröffentlichung. Dieser Prozeß hätte für den Jüngeren sehr unangenehm werden und ihn seine Stellung im Ministerium kosten können. Auf Maupassants Bitte schreibt Flaubert, seit dem Prozeß um Madame Bovary gleichsam Experte, ihm einen langen Brief, der dann mit seinem Einverständnis in der Zeitung Le Gaulois erscheint. Darin findet sich noch einmal das Leitmotiv Flaubertscher Kunstauffassung:
Mit der Tendenztheorie kann man ein Schaf guillotinieren, weil es von Fleisch geträumt hat! Man müßte sich ein für allemal über die Frage der Moral in der Kunst verständigen. Was schön ist, ist moralisch, das ist alles, weiter nichts.
Und am Ende des Briefes kommt er auf den unerschöpflichen Stoff zu sprechen, der ihn lebenslang so beschäftigt hat und Thema seines letzten großen Romans war:
Aber, noch einmal, das ist unmöglich, Du wirst nicht belangt werden, Du wirst nicht veurteilt werden. Da liegt ein Mißverständnis vor, ein Irrtum, was weiß ich. Der Justizminister wird einschreiten. Wir leben nicht mehr in den schönen Tagen der Restauration! - Indessen, wer weiß? die Erde hat ihre Grenzen; die menschliche Dummheit jedoch ist grenzenlos.
Gewissermaßen an einer Enzyklopädie der Dummheit arbeitete Flaubert seit 1871 mit dem Roman Bouvard und Pécuchet. Dabei sind nicht, wie es so oft in der Interpretation behauptet worden ist, die beiden Titelhelden die Dummköpfe. Die Dummheit ist vielmehr in den verschiedenen Wissensgebieten akkumuliert, denen sie sich sukzessive zuwenden. Im Herbst 1879 arbeitet Flaubert am Kapitel über die Religion und schreibt:
Meine Religion (christliche Exegese und Apologetik) raubt mir die Kraft! Ich werde Neujahr nicht fertig sein, Man muß sich damit abfinden. Ich fürchte, selbst am Ende zu sein, bevor mein Roman abgeschlossen ist.
Autor: Immer wieder beklagt er sich über die Kraft, die die Arbeit ihm raubt und über die Mengen von Lektüre, die die einzelnen Kapitel erforden. Im selben Brief, in dem er Boule de suif so enthusiastisch feiert, berichtet er vom Stand der Arbeit am letzten Kapitel:
Sprecher: Ich bin mit meinen Lektüren wirklich völlig überlastet und meine armen Augen können nicht mehr. Ich muß noch ein Dutzend Werke lesen, bevor ich mit meinem letzten Kapitel anfange. Ich bin jetzt bei der Schädellehre und dem Verwaltungsrecht, ohne das De Officiis von Cicero und den Koitus der Pfauen mitzurechnen. Haben Sie, der Sie ein Landmann sind (oder zumindest einer waren), erlebt, wie diese Tiere sich der Liebe hingeben?
Maupassants Antwort auf diese Frage ist uns nicht bekannt. Knapp zwei Monate später, Ostern 1880, reiste er zusammen mit Zola, Goncourt, Alphonse Daudet und dem Verleger Charpentier nach Croisset, um Flaubert zu besuchen. Goncourt notiert daüber in seinem Tagebuch:
Und der Abend vergeht mit dem Erzählen von deftigen Geschichten, die Flaubert in jenes Lachen ausbrechen lassen, das die Unbändigkeit von Kinderlachen hat. Er weigert sich, aus seinem Roman zu lesen, er ist erschöpft, ausgelaugt.
Fünf Wochen später heißt beklagt sich Flaubert über die miserable Zahlungsmoral seines Verlegers, ist erstaunt über die Auflagenzahl der Anthologie, in der Maupassants Novelle erschienen ist, und schließt dann:
Du wirst mich Anfang nächster Woche zu Gesicht bekommen. Derweilen umarmt Dich Dein Alter. Dienstag 10 Uhr morgens.
Vier Tage später stirbt Flaubert an einem Schlaganfall. Seine Befürchtung, selbst eher am Ende zu sein als sein Roman, hatte sich bewahrheitet. Maupassant sorgte dafür, daß sein letzter Wille respektiert wurde und Manuskripte und Briefe nicht zu Verwertungszwecken in falsche Hände gerieten. Die Zeitung Le Gaulois nannte ihn deshalb den "eigentlichen Testamentsvollstrecker, in jedem Fall den unmittelbaren literarischen Erben." Maupassant selbst schrieb später:
Er hat aus mir den Schrifitsteller gemacht, der ich bin.
So endete diese vielleicht einzigartige Freundschaft unter Schriftstellern, einzigartig deshalb, weil sie frei von der geringsten Rivalität war, auf gegenseitiger Liebe, völliger Aufrichtigkeit und einer gemeinsamen Auffassung von Literatur beruhte. Maupassant darf wirklich als der literarische Erbe Flauberts betrachtet werden. Der Briefwechsel zwischen ihm und Flaubert erscheint natürlich im Rahmen der verdienstvollen Flaubert-Edition des Verlages. Es wäre aber wünschenswert, wenn sich auch ein Verlag entschließen könnte, den grausam unterschätzten Schriftsteller Guy de Maupassant neu zu edieren und ihm zu seiner wahren Geltung zu verhelfen.