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Der Bundesrechnungshof

600 Verfehlungen spüren die Schnüffelnasen alljährlich auf. Sie sind den Verschwendern öffentlicher Gelder auf der Spur. Sie fahnden republikweit nach Politikern, denen der sorgsame Umgang mit Steuern schwer fällt oder auch schon mal misslingt.

Sten Martenson |
    Ihre Prüfungsberichte sind Fundgruben, wie der Haushalt des Bundes in Milliardenhöhe entlastet werden könnte. Weiter versuchen sie, Strukturen ausfindig zu machen, die zu überflüssigen Mehrkosten, zu finanziellen Reibungsverlusten führen. Sie beraten Ministerien und Behörden.

    Die Rede ist von den Mitarbeitern des Bundesrechnungshofes – mit Sitz in Bonn. Die Aufgabe der Behörde definiert Artikel 114 des Grundgesetzes. Dort heißt es in Absatz 2, Satz 1 und 2:

    Der Bundesrechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen, prüft die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Er hat außer der Bundesregierung unmittelbar dem Bundestage und dem Bundesrate jährlich zu berichten.

    Die Mitglieder des Bundesrechnungshofs haben richterliche Unabhängigkeit, und es geht ähnlich wie bei einem Gericht zu. Das heißt, es wird gemeinsam überlegt, gemeinsam entschieden. Die oberste Pflicht des Rechnungshofs ist es, absolut parteipolitisch neutral tätig zu sein. Jeder, der mit öffentlichen Geldern des Bundes zu tun hat, weiß, der Bundesrechnungshof kann jeden Tag kommen und ihn kontrollieren.

    Jahr für Jahr nehmen die Beschäftigten des Bundesrechnungshofes stichprobenweise über 500 Milliarden Euro an öffentlichen Ausgaben und Einnahmen unter die Lupe.

    Chef der Behörde ist seit Ende Mai Professor Dieter Engels. Der Präsident kennt den "Hof", wie es selbstbewusst im Hause an der Bonner Adenauerallee heißt, er kennt den "Hof" wie seine Westentasche. Fünfeinhalb Jahre lang war er dessen Vize-Präsident. Was seine Behörde zu tun hat, was sie zu unterlassen hat, wie sie bei ihrer Arbeit vorgeht, das beschreibt Engels so:

    Zum einen ist grundgesetzlich vorgeschrieben, was wir zu tun haben. Zum weiteren ist dies gesetzlich konkretisiert und der Kernpunkt ist zunächst, dass wir unsere Aufgabenerfüllung uns selbst vorschreiben. Wir suchen uns dasjenige selbst heraus, was prüfenswert ist. An Hand bestimmter Kriterienkataloge, Risikoanalysen. Da gehen wir sehr professionell vor und definieren so unsere Prüfungsfelder.

    Zu diesen Bereichen zählen nicht nur der teure Straßenbau oder etwa die Aktivitäten des Bundes bei Riesenunternehmen wie bei der Deutschen Bahn AG, bei der Post AG oder auch bei der Telekom, also bei privatrechtlichen Unternehmen, an denen der Bund finanziell beteiligt ist. Zu den Feldern, auf denen nach allen bisherigen Erfahrungen schnell mal Unregelmäßigkeiten vorkommen, oder deutlicher gesagt, Verschwendungssucht grassiert, zu diesen Feldern gehört auch der Verteidigungssektor.

    Früher ein Mammutbetrieb mit mehr als einer halben Million uniformierter und ziviler Mitarbeiter. Mittlerweile deutlich verkleinert, ist die Bundeswehr aus der Perspektive des Bundesrechnungshofes auch heute noch für Fehler anfällig. Etwa wenn eine Wehrbereichsverwaltung 96 Tonnen schwarzer Schuhcreme bestellt und hortet. Eine Menge, die jedem Soldaten mehr als sechs Jahre zu glänzendem Schuhwerk verhelfen würde.

    Milliardensummen werden nicht nur in den laufenden Unterhalt der Bundeswehr gesteckt, sondern sie müssen immer wieder auch für die Beschaffung neuer Waffensysteme aufgebracht werden. Eines der jüngeren Beispiele: Der Kauf neuer Transportflugzeuge für die Bundeswehr. Der Bundesrechnungshof erhob schwere Vorwürfe gegen das Verteidigungsministerium im Zusammenhang mit dieser Anschaffung. Es seien die geltenden Haushaltsrichtlinien nicht beachtet worden, monierten die Rechnungsprüfer in Bonn. Und sie kamen zu dem Befund, dass nicht 73 Airbus-Transporter A 400 M hätten bestellt werden dürfen, sondern gerade mal 40. Doch das Thema ist noch nicht abgeschlossen. Verteidigungsminister Peter Struck hat sich zwar zu diesem Rüstungsprojekt bekannt, aber es stehen noch Entscheidungen aus, die erst in den nächsten Wochen gefällt werden dürften.

    An dieses Beispiel knüpfen sich viele Fragen: Zum Beispiel, woher nimmt die Behörde den Sachverstand, gestandenen Beamten in den Ministerien, ob nun in Berlin oder in einigen Landeshauptstädten, fachlich Paroli bieten zu können? Am Sachverstand seiner Behörde will Präsident Engels keine Zweifel aufkommen lassen:

    Also, dass wir einen geballten Sachverstand hier am Bundesrechnungshof und in unseren nachgeordneten Behörden haben, glaube ich mit Fug und Recht behaupten zu können. Wir haben hier in Bonn etwa 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im nachgeordneten bereich noch mal. Die Palette unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist breit. Sie reicht von juristisch ausgebildeten Leuten, über volkswirtschaftlich ausgebildete Leute, Betriebswirte, Kaufleute, Techniker Diplomingenieure bis hin zum Förster. Also für jede Sparte, die denkbar ist, haben wir Experten unter uns.

    Und doch gibt es aus dem Kreise der Politiker auch kritische Stimmen, die den Bundesrechnungshof ganz unverblümt davor warnen, sich zu übernehmen. Zu diesen Politikern gehört auch der stellvertretende SPD-Vorsitzende, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse:

    Der Bundesrechnungshof soll beraten, er soll vielleicht auch Hinweise geben. Ich glaube aber nicht, dass er so viel Sachverstand bei sich mobilisieren und monopolisieren kann, dass er den Sachverstand in den großen Verwaltungen der Regierungen oder des Bundestages übertrumpfen könnte. Dies schiene mir ein wenig anmaßend zu sein.

    Thierse denkt dabei ganz konkret an die Beschaffungsmaßnahme der Bundeswehr in Sachen Airbus-Transporter. Das Votum der Rechnungsprüfer, nur 40 Militärtransporter anzuschaffen, hält er für anmaßend. Doch die Haushaltsprüfer beteuern, keine Grenzen überschritten zu haben. Der Rechnungshof habe sich allein um die Beachtung haushaltsrechtlicher Vorschriften gekümmert und keineswegs eine militärstrategische Bedarfseinschätzung gegeben.

    Die Experten am "Hof" von Dieter Engels verfassen jährlich Prüfungsberichte, die an den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung geleitet werden. Das ist die Routine. Es gibt aber auch Sonderberichte und Prüfungsmitteilungen an geprüfte Institutionen. Sie gehen auf Anstöße von außen zurück. Engels schildert, woher diese Anregungen kommen:

    Einmal aus dem Bereich der Politik und hier insbesondere aus dem Bereich des Bundestages, des Haushaltsausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses. Aber auch Anregungen aus den Behörden. Dann aus dem Bereich der Medien. Wir werten natürlich auch die Zeitungen und Rundfunk- und Fernsehsendungen aus, um zu schauen, gibt es da Dinge, die wir uns anschauen müssen. Und dann soll man gar nicht unterschätzen, last not least: Viele Bürgerinnen und Bürger machen uns auf Dinge aufmerksam, die sie als Missstand empfinden und von denen sie meinen, wir sollten denen mal nachgehen.

    So ist der Bundesrechnungshof auch dem Schicksal der Berliner U-Bahn-Linie 5, der sogenannten Kanzler-U-Bahn, nachgegangen. Noch ziert sich die Bonner Behörde, ihre Prüfer öffentlich vorzuzeigen. So bleibt auch der Mitarbeiter E. in der Deckung. Der Beschreibung des Prüfungsfalls U 5 schadet das nicht. E. ist Diplomingenieur, hat an der Berliner Technischen Universität studiert. Er machte Karriere im Höheren Dienst der Bundesbahn und ist so etwas wie ein Eisenbahnexperte. Vor gut zehn Jahren stieß er auf der Suche nach neuen beruflichen Aufgaben zum Bundesrechnungshof, genauer in seine Berliner Außenstelle.

    Getreu dem Motto seines Präsidenten, sich an Hand von bestimmten Kriterienkatalogen und Risikoanalysen auf die Suche nach prüfwürdigen Vorgängen zu begeben, nahm sich E. den sogenannten Hauptstadtvertrag von 1994 vor. In ihm sind auch finanzielle Zuweisungen des Bundes für bestimmte Projekte festgeschrieben. Der Bund und das Land Berlin kamen überein, die U-Bahn-Linie 5 über den Alexanderplatz hinaus zur neuen Zentralstation Lehrter Bahnhof zu verlängern.

    Das sollte innerhalb von acht Jahren geschehen. Ziel war, den Parlaments- und Regierungsbereich "verkehrlich", wie es im Fachchinesisch heißt, zu erschließen. Der Bund verpflichtete sich - über die gesetzliche Förderung hinaus -, dem Projekt mit 295 Millionen Mark unter die Arme zu greifen.

    So weit, so gut. Inzwischen ist ein rund zwei Kilometer langer Streckenabschnitt im Rohbau fertig gestellt, einschließlich des neuen U-Bahnhofes "Reichstag". Das Ganze hat 300 Millionen Mark gekostet, von denen der Bund gut 80 Prozent bezahlt hat. Hier sei ein bisschen viel Hauptstadteuphorie mit im Spiel gewesen, meint Berlins Verkehrssenator Peter Strieder heute:

    Selbstverständlich, wie so vieles in einer Zeit angestoßen worden ist, als Diepgen und Pieroth glaubten, das Steuerwachstum in Berlin sei so gigantisch, dass Berlin sich alles und jedes leisten könne. Ein bisschen Zuschuss des Bundes und die Sache klappt.

    Trotz der Beteiligung des Bundes droht der Hauptstadt nun ein gewaltiger Investitionsflop. Ohne den zweiten Teilabschnitt kann die Neubaustrecke der U 5 nicht an das vorhandenen Netz angeschlossen werden. Doch damit hat das Land Berlin bisher nicht begonnen. Vielmehr wurde vor gut einem Jahr beschlossen, das Projekt auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

    Aber schon früher war die Zeitplanung für die vier neuen Kilometer U-Bahn-Strecke aus den Fugen geraten. Nach dem Hauptstadtvertrag sollte sie bereits bis zum Jahre 2002 fertig sein. Dieser Termin wurde nun von Jahr zu Jahr nach vorne verschoben, bis vor einem Jahr der Baustopp verordnet wurde. Der neue rot-rote Senat von Berlin bekräftigte, was ohnehin jeder Beobachter schon wusste: die Hauptstadt ist pleite und muss nun an allen Ecken und Enden sparen.

    Für die Blütenträume einer Subventionen gewohnten Millionenstadt ist der Bundesrechnungshof nicht verantwortlich zu machen. Sie dürfen ihn auch nicht wirklich interessieren oder gar auf sein Urteil durchschlagen. Und dieses Urteil fiel bei der Berliner U Bahn-Linie 5 unmissverständlich aus:

    Der Bundesrechnungshof sieht das Bundesministerium in der Pflicht, die Interessen des Bundes durchzusetzen und auf das Land einzuwirken, seine im Hauptstadtvertrag eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen... Sollte das Land bei seiner Entscheidung bleiben, die U 5 nicht weiterzubauen, entstünde dem Bund ein erheblicher finanzieller Schaden. Da in diesem Falle den bisher eingesetzten Bundesmitteln von insgesamt fast 250 Millionen Mark kein entsprechender Nutzen gegenüberstünde, hätte der Bund diese Mittel in voller Höhe einschließlich der vom Tag der Auszahlung an aufgelaufenen Zinsen zurückzufordern.

    Die Situation ist vertrackt. Herr E. vom Bundesrechnungshof ist überzeugt, dass der Ausbau der U 5 verkehrspolitisch Sinn macht. Alle Verkehrsgutachten plädieren dafür, - da wo es geht - den innerstädtischen öffentlichen Verkehr unter die Erde zu legen. Das Bundesverkehrsministerium sieht sich unter Druck und erklärt nur, dass es sich zu dieser Frage nicht äußern wolle.

    Hinter vorgehaltener Hand aber hört man, der bettelarme Berliner Senat könne nicht zur Rückzahlung von erhaltenen Zuschüssen gezwungen werden. Und im übrigen gäbe es möglicherweise Verkehrsprojekte, die dringender realisiert werden müssten. Der Politik dürfe mangelnde Weitsicht in einer so außergewöhnlichen Situation wie der nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und natürlich auch Berlins nicht als unentschuldbar angekreidet werden.

    Überall werden Bedenken laut: Nur der Berliner Verkehrssenator Peter Strieder hat keine Mühe, die Fiktion von der verlängerten U 5 weiter aufrecht zu erhalten:

    Ich finde das logisch, was der Bundesrechnungshof da sagt. Wenn es denn so wäre, dass Berlin sagt, wir haben jetzt ein bisschen Bundesgeld verbaut, lassen wir das als Ruine unter der Erde liegen. Dann hätte er sicherlich recht. Wir haben mit dem Bund vereinbart, dass die Verkehrsprognosen sich nicht so entwickelt haben, wie es zu dem Zeitpunkt abgeschätzt wurde, als die Anlage projektiert wurde. Und deshalb haben wir gesagt, wenn die U-Bahn 2015 in Betrieb geht, ist es auch noch ausreichend.

    Der Fall U 5 ist also noch nicht ausgestanden. Dennoch taugt er als markantes Beispiel für die Stärken und die Schwächen des Bundesrechnungshofes. Seine Prüfer haben sich nicht gescheut, ein so symbolisches Projekt wie die Kanzler U-Bahn und ihre Finanzierung zu überprüfen. Sie haben den Finger auf eine offene Wunde gelegt.

    Die Politik ist gefordert, darauf zu reagieren. Nicht weil es schade wäre, einen Torso tief unten im märkischen Sand verrotten zu lassen, sondern weil knappe Steuergelder sinnlos verpulvert wären. Präsident Engels mag sich noch nicht so recht festlegen, ob das Beispiel U 5 auch ein Beleg für eine Schwäche seines Hauses ist:

    Das wäre natürlich sehr schade, wenn überhaupt nichts passieren würde. Aber so weit sind wir noch nicht. So nackt ist Berlin nicht, wie man es auf den ersten Blick vielleicht sehen mag. Für uns kommt es jetzt darauf an dieses Geld hat der Bund für bestimmte Zwecke hingegeben. Das wir jetzt meinen, es müsste zurückgegeben werden folgt nicht dem Grundsatz wieder holen ist gestohlen, sondern es ist genau das Gegenteil. Jetzt ist das zuständige Ministerium zunächst mal aufgefordert, diese Ansprüche durchzusetzen. Das sieht der Rechnungsprüfungsausschuss letztlich genau so wie wir. Und wenn es keine Durchsetzungsmöglichkeiten gibt, ja, dann werden wir weiter überlegen müssen.

    An diese Bemerkung von Dieter Engels knüpft sich die spannende Frage, was eine kritische Anmerkung des Bundesrechnungshofes letztlich bewirken kann – außer aufgeregten Turbulenzen in den Medien? Der Beitrag zur Transparenz staatlicher Haushaltswirtschaft ist nicht zu unterschätzen. Aber besitzt eine Behörde, die die Staatskasse einschließlich ihrer Prüfungsämter Jahr für Jahr rund 80 Millionen Euro kostet, keine Druckmittel, um Konsequenzen zu erzwingen?

    Nein, einen Sanktionsmechanismus gibt es nicht. Das wirkt zunächst befremdlich, weil sich der Bürger sehr wohl fragen darf, ob sich der Aufwand ohne ein solches Druckinstrumentarium denn überhaupt lohnt. Herr E., der Prüfer des U 5-Projekts in Berlin, räumt ein, dass ihn schon mal der Frust übermanne, wenn die Politik die Gebote der Wirtschaftlichkeit sträflich vernachlässige und solches Verhalten ungesühnt bleibe. Auf die U 5 bezogen: auch eine stillgelegte Baustelle koste schließlich noch reichlich viele Euro, tagtäglich. Präsident Engels sieht das Frust-Problem ein wenig entspannter:

    Zum einen, das bekommt man nach außen nicht so sehr deutlich mit, ist es doch so, dass viele unserer Anregungen, viele unserer Vorschläge von den Behörden akzeptiert und auch umgesetzt werden. Das geschieht ganz geräuschlos. Aber häufig ist es auch ein bisschen anders, nämlich dass die Behörden sich sperren. Nun gut. Dann drohen wir mit dem Parlament. Manchmal reicht die Drohung, manchmal reicht die aber auch nicht. Dann berichten wir dem Parlament.

    Wirklich Angst muss die Drohung mit dem Parlament aber auch nicht einflössen. Was wäre die Alternative ?

    Die Alternative wäre, dass wir selber Befugnisse hätten. Das geht aber nach unserem Staatsverständnis nicht. Es wäre aber auch unter praktischen Gesichtspunkten nicht so furchtbar gut. Denn in dem Augenblick wo wir Befugnisse hätten, müsste es auch Klagemöglichkeiten derjenigen geben, die von unseren Befugnissen betroffen worden sind und dann wäre der halbe Hof nur damit beschäftigt, irgendwelche Gerichtsverfahren zu betreiben statt zu tun, was wir wirklich tun müssen und das ist halt: Prüfen.

    Er tut es ohne Ansehen der Behörde oder der Person. Die politische Wirklichkeit bringt es mit sich, dass vor allem Aktivitäten der Regierenden unter die Lupe genommen werden. Und das sind in der Hauptstadt Berlin auf Bundesebene Sozialdemokraten und Grüne und im Land Berlin SPD und PDS. Und doch kann den Sozialdemokraten Engels nichts davon abhalten, die Beschaffungsmaßnahme Militärtransporter unter der Federführung sozialdemokratischer Verteidigungsminister oder den Metrorapid der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen mit sehr kritischen Anmerkungen zu versehen. Und es ist der SPD-Bundesverkehrsminister, auf den sein Parteifreund Engels Druck ausübt, doch bitte schön die in Berlin nutzlos verbuddelten 25o Millionen nicht einfach abzuschreiben. Präsident Engels bekräftigt die Überparteilichkeit seiner Behörde:

    Die Unabhängigkeit ist schon eine Garantie, die für uns ausgesprochen wichtig ist, die auch gelebt wird. Und alle Mitarbeiter achten darauf, dass diese Unabhängigkeit gewahrt wird. Das heißt nicht, dass wir für bestimmte Dinge nicht Partei nehmen dürfen. Wir dürfen zum Beispiel Partei nehmen für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, dass mit ihrem Geld sorgfältig umgegangen wird. Wir dürfen auch Interessen zum Beispiel der nachfolgenden Generationen vertreten, wenn wir darauf achten, dass die Staatsverschuldung nicht ins Immense zu steigen hat- Aber worauf wir wirklich achten ist, dass wir nicht Parteipolitik machen.

    Als Wächter über die Steuermilliarden der Bürgerinnen und Bürger versteht sich auch der Bund der Steuerzahler. Dessen eitel inszenierten Auftritte in der Öffentlichkeit erwecken den Eindruck, der Staat habe keine eigene Prüfungsinstanz für seine Politiker und seine Verwaltungen. Der Präsident des Bundesrechnungshofes gibt sich gelassen:

    Wir sind um jeden froh, der auf unserer Seite steht. Und ich denke, der Bund der Steuerzahler steht auf unserer Seite, so weit es um Sparsamkeit, um den Kampf gegen die Verschwendung geht, um Dinge geht, die unwirtschaftlich sind. Als echte Konkurrenz zu unseren Dingen sehen wir den Bund der Steuerzahler allerdings nicht. Das liegt schlicht und einfach daran: Ich denke wir machen unsere Vorschläge auf der Basis sehr dezidiert durchgeführter Prüfungen. Der Bund der Steuerzahler hat gar keinen Apparat, um solche Sachverhalte zu erheben wie wir sie erheben. Deswegen beschränkt er sich ja auch häufig darauf, die Ergebnisse, die die Landesrechnungshöfe herausgefunden haben, oder unsere Ergebnisse dann noch mal in der Öffentlichkeit zu verkünden.

    Nur manchmal überwältigen Dieter Engels gemischte Gefühle. Etwa wenn der Steuerzahlerbund mit Riesensummen von 60 oder 70 Milliarden Mark operiert, die jährlich an Schwund zu beklagen seien, aber keine Belege dafür beibringen kann.

    Ganz anders der Bundesrechungshof. Der fühlt sich professioneller Seriosität verpflichtet. Wenn man die Kosten, die er dem Staatshaushalt bereitet, in Relation zum Spareffekt setzt, den auch nur die Realisierung einiger weniger seiner Empfehlungen nach sich zieht, dann gibt es keinen Zweifel: Rechnungshöfe sind eine segensreiche Einrichtung.

    In Preußen hatte man das schon vor über 200 Jahren erkannt. Und wie folgenreich seine Prüfungsmitteilungen auch politisch sein können, zeigte sich Ende vergangenen Jahres im Fall der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit. Schon der Entwurf einer Mitteilung über eine simple Statistikprüfung genügte, um einen Mann wie den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Bernhard Jagoda zu stürzen und eine Behörde mit 80 000 Mitarbeitern gehörig ins Wanken zu bringen.