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Der Bundestag verabschiedete das Gesetz zur Verwendung embryonaler Stammzellen

Stammzellen. - Nach mehrjähriger kontroverser Diskussion verabschiedete der Bundestag in Berlin am Donnerstag Abend mit deutlicher Mehrheit einen parteiübergreifenden Gesetzentwurf, der die Einfuhr menschlicher embryonaler Stammzellen unter strengen Bedingungen erlaubt. Wissenschaftler können in Deutschland künftig in Ausnahmefällen mit embryonalen Stammzellen von Menschen forschen. Die Produktion eigener Stammzell-Linien bleibt den Wissenschaftlern hingegen weiterhin verwehrt.

    Nach jahrelanger erbitterter Diskussion hat der Deutsche Bundestag die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen in einem Gesetz geregelt. Grundsätzlich ist die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen danach verboten. Es gibt aber streng geregelte Ausnahmen für hochrangige Forschungsziele. Was ein hochrangiges Ziel ist, das soll eine Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellforschung im Einzelfall klären. Die Wissenschaftler dürfen nur Zellen einführen, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden und aus einem so genannten verwaisten Embryo stammen - der also im Rahmen der künstlichen Befruchtung erzeugt und dann nicht in die Gebärmutter übertragen wurde. Die Forschung ist genehmigungspflichtig, eine neu zu schaffende Behörde im Bundesgesundheitsministerium wird über die Anträge entscheiden. Wer diese Regeln verletzt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Forscher dürfen auch nicht mit anderen Wissenschaftlern im Ausland zusammenarbeiten, die mit Stammzellen nicht nach den deutschen Kriterien verfahren.

    Die ersten Genehmigungen nach dem neuen Gesetz werden frühestens für den Sommer erwartet. Professor Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ist dennoch erleichtert: "Wir können mit dieser Regelung leben." Allerdings sieht er die Kooperationsmöglichkeiten deutscher Forscher eingeschränkt. Die Europäische Union berät derzeit das sechste Rahmenprogramm zur Forschungsförderung, in dem die Stammzellforschung einen Schwerpunkt bildet. Die gesetzlichen Bestimmungen aber sind in den einzelnen Ländern der EU uneinheitlich. Was in England, in Frankreich und demnächst auch in Belgien legal ist, das ist hier jetzt verboten. Deutsche Wissenschaftler könnten sich also strafbar machen, wenn sie beispielsweise mit französischen Wissenschaftlern zusammenarbeiten, die sich nicht an die deutschen Vorgaben halten. Das erschwert die internationale Zusammenarbeit. In der Konsequenz könnten weniger EU-Forschungsmittel nach Deutschland fließen.

    Für Professor Oliver Brüstle ist das Gesetz ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zu Begeisterungsstürmen sieht der Forscher, der mit seinem Antrag zur Arbeit an menschlichen embryonalen Stammzellen die Debatte überhaupt erst angestoßen hatte, aber keinen Anlass. Zu lange musste er mit seinem Projekt warten, während die internationale Konkurrenz davonzog. Im Modellsystem Maus sind die deutschen Stammzellforscher zwar führend, einen Startvorteil konnten sie daraus bei der Arbeit mit menschlichen embryonalen Stammzellen nicht erlangen, bedauert auch Professor Jürgen Hescheler. Der Kölner Kardiologe wartet dringend auf die Umsetzung des Stammzellgesetzes, um Herzmuskelzellen aus den Stammzellen zu gewinnen.

    [Quelle: Volkart Wildermuth]