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Der "Campus-Knigge"

Wie spreche ich den Professor korrekt an? Woher stammt eigentlich das Wort "Kommilitone"? Und was bitte ist ein "Feuilletonwissenschaftler"? Antworten auf diese und zahlreiche andere Fragen versucht ein Buch zu geben, das den Titel "Campus-Knigge - von Abschreiben bis Zweitgutachten". Es ist eine Art Lexikon, das mit den Eigenheiten des Wissenschaftsbetriebes vertraut machen will.

Von Stephanie Pieper |
    Ein Knigge für das vermeintlich so ungezwungene Leben auf dem Campus? So recht wissen - zumindest diese - Studierenden nichts damit anzufangen:

    Keineswegs nur Erstsemester will die Philosophie-Dozentin und Mit-Herausgeberin des "Campus-Knigge", Eva-Maria Engelen, erreichen. Sondern den Studierenden ebenso wie den jungen Wissenschaftler:

    "... dass ihm die Institution von einer Seite bekannt wird, die ihm sonst lange verschlossen bleiben würde. Wo er sich lange fragen würde: Was geht hier eigentlich vor sich, ich verstehe eigentlich gar nicht, wie diese Leute funktionieren, was die da machen. "

    Diese Belehrung geschieht nach dem Vorbild des Freiherrn von Knigge mit Witz und Schärfe. Der Leser muss sich nicht durch einen Brockhaus des universitären Alltags quälen, sondern wird amüsant über dessen Tücken aufgeklärt - wie folgender Eintrag im "Campus-Knigge" demonstriert:

    "Y-Chromosom: ist eine gute Vorraussetzung für die wissenschaftliche Karriere. Wer's hat, kann ein guter Mann werden; wer's nicht hat, versucht es besser in Finnland."

    Überhaupt, der Kampf der Geschlechter: Da wird im "Campus-Knigge" die hochgebildete, aber brav ihrem Mann dienende Professorengattin genauso auf die Schippe genommen wie Queenbee, die ihren Status als einzige Frau unter all den männlichen Forscher-Kollegen - entgegen ihrer verbalen Klage darüber - insgeheim genießt. Und skizziert wird auch der konsequent in Schwarz gekleidete Privatdozent, stets um Coolness bemüht, ein französisches Auto fahrend und seine Gartenwerkzeuge bei "Manufactum" bestellend.

    Auf den Habitus kommt's eben auch auf dem Campus an, wie die modebewusste Mit-Herausgeberin Eva-Maria Engelen schon als Studentin entdeckte:

    "Man ist nicht so frei, wie man glaubt. Weil, es gibt ja keinen formellen Kleidungszwang - aber es gibt einen zur Schlichtheit, eher zur Nachlässigkeit."

    Im "Campus-Knigge" klingt das so:

    "Aussehen, weiblich: Wenn sie Lippenstift verwendet, sollte die Vortragende keinen zu auffälligen Rotton wählen, bei Lidschatten empfehlen sich Pastelltöne. (...) Da Frauen aber meist bereits genügend Schwierigkeiten haben, mittels der weiblichen Stimme eine einprägende Vorstellung zu hinterlassen, ist eine Konturierung des optischen Eindrucks nicht von Nachteil."

    Im "Campus-Knigge" findet auch die Soziologie des Studierenden-Daseins ihren Widerhall: Die verkrampfte Stimmung beim Privatissimum im Wohnzimmer des Professors; die geübte Solidarität mit den Kommilitonen beim Versagen der PowerPoint-Referat-Präsentation; der alltägliche Frust des HiWi-Jobbers beim Kopieren und Korrigieren - sowie der Kampf mit der Sekretärin um die ach so knapp bemessene Sprechstundenzeit des Professors:

    An der Sekretärin erkennen Studenten etwa, wie oft ein Professor an der Universität ist, Je seltener dieser sein Büro dort nutzt, umso kompetenter geriert sich das Vorzimmer.

    Kaum ist diese Hürde überwunden, warten auf den jungen, aufstrebenden Forscher mit prekärem Zeitvertrag laut "Campus-Knigge" weitere Widrigkeiten der Wissenschaft: Drittmittel-Einwerbungen, Kosten-Nutzen-Rechnungen, Forschungsanträge, Evaluierungen wollen gemeistert werden. Der "Campus-Knigge" preist den ungebremsten Forscherelan.

    Und klagt über einen uniweit gültigen Nichtangriffspakt, der die Kritik vetrieben hat. Daher der kritische Appell von Eva-Maria Engelen an die Studentenschaft: Mehr schriftliches Formbewusstsein, bitte!

    "Standardbeispiel dafür ist, wie Studierende e-mails schreiben. Dass sie nicht reflektieren, dass der Ansprechpartner wechselt - obwohl man ein Medium benutzt, mit dem man sonst nur mit Freunden flapsig redet."

    Doch die Autoren des "Campus-Knigge" sparen auch nicht mit Selbst-Ironie - so erfährt der Leser ziemlich am Anfang, woher die Begeisterung des Wissenschaftlers für seinen Beruf rührt:

    "Ausschlafen: Ist mit Abstand das Beste am Forscherdasein. Man bleibt Student, sein Leben lang."


    Service:
    Der "Campus-Knigge" wurde herausgegeben von Milos Vec und anderen, ist erschienen im C.H.Beck-Verlag und kostet 16,90 Euro.