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Der Chip im Reisepass

Technik. - Angesichts zunehmender Bedrohung genügen Terrorfahndern heute Foto und Maschinenlesbarkeit beim Reisepass nicht mehr. Auch Fingerabdrücke allein reichen nicht, klagen Experten. So sollen neue Reisepässe mit Chips ausgerüstet werden und darin auch der Kopf seines Besitzers nicht nur zwei- sondern gleich dreidimensional abgespeichert werden. Allerdings drängt die Zeit, denn schon in wenigen Monaten sollen die ersten Papiere ausgeliefert werden.

Von Klaus Herbst |
    "Ihre Papiere bitte und in die Kamera schauen", so ähnlich soll es nach dem Willen der Grenzschützer ab Herbst an deutschen Übergangsstellen heißen. Dafür werden die Reisedokumente mit biometrischen Daten versehen - mit Informationen über Gesichtsform, Augeniris oder Fingerabdrücke. Der von den USA verlangte elektronische Reisepass mit Funkchip soll kommen.

    Der 1. November ist der Stichtag, an dem die ersten Pässe mit Biometrie ausgegeben werden sollen. Das heißt, der klassische Pass wird um RFID, also ein Radio-Frequency-Identification, erweitert. In diesem RFID-Chip werden dann biometrische Daten abgelegt werden. Das wird in der ersten Generation zunächst ein zweidimensionales Gesichtsbild sein, also quasi das klassische Passbild wird elektronisch in diesem Pass gespeichert. Später werden dann Fingerbilder hinzukommen.

    Nur wenn die im Dokument elektronisch gespeicherten Informationen mit Gesicht und Finger übereinstimmen, darf der Reisende die Grenze passieren. Doktor Christoph Busch von der Abteilung Sicherheitstechnologie im Fraunhofer-Institut Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt untersucht gerade – kurz vor der Einführung – die Leistungsfähigkeit verschiedener Produkte und Prototypen. Mit der zweidimensionalen Gesichtserkennung wird im gängigen jpg-Bild-Format ein Passfoto abgebildet. Man könnte das System jedoch recht einfach austricksen. Man überwindet es bereits, indem man beispielsweise ein fremdes Foto vor die Kamera hält.

    Die 2D-Gesichtserkennung können wir mit einer einfachen Kamera, die hochauflösende Bilder schießt, herstellen. Die 3D-Gesichtserkennung ist wirklich eine Vermessung des Kopfes, der Kopfform. Das ist aufwendiger, teurer, es ist auch nicht ganz so schnell durchführbar, aber man hat natürlich mit dieser höheren Komplexität auch einige Vorteile verbunden - wir erhoffen uns eine bessere Erkennungsleistung. Und der andere Vorteil ist, dass man auch davon ausgehen kann, dass 3D-Gesichtserkennung in punkto Überwindungssicherheit Vorteile bietet.

    Einen ganzen fremden Kopf vor die Kamera zu strecken, um das System zu täuschen, wäre eine praktisch ziemlich absurde Überwindungstechnik. Christoph Busch:

    Die momentan und im November zum Einsatz kommende 2D-Gesichtserkennung ist für überwachte Situationen gut geeignet. Das heißt, nach wie vor wird ein Grenzbeamter da sein und prüfen. Die 3D-Gesichtserkennung basiert ja auf der Vermessung der Kopfform. Das heißt, ohne das Wissen oder ohne die Mitwirkung der zugangsberechtigten Person ein Replikat der Kopfform herstellen zu können, ist schon sehr, sehr schwierig. Und dann muss dieses Replikat natürlich auch noch die entsprechende Texturierung aufweisen, das heißt etwa die Hautfarben. Das müsste alles ganz perfekt nachgebildet werden und ist wesentlich aufwendiger. Also das heißt, man kann sich sehr gut vorstellen, dass das in punkto Überwindungssicherheit einen großen Gewinn bringt.

    ... einen Gewinn, der freilich seinen Preis hat: auf bis zu zweiundzwanzig Millionen Euro ohne laufende Kosten schätzen Experten vom Büro für Technikfolgenabschätzung die technisch einfachste Lösung. Die aufwendigste Variante, die dreidimensionale, würde das Fünfzehnfache verschlingen. Beide verwenden, ähnlich wie bei der elektronischen Mauterfassung, eine komplizierte Infrastruktur. An sechseinhalbtausend Terminals müssten so genannte Enrollment-Stationen aufgebaut werden, Kamerasysteme mit der dreidimensionalen Erkennungstechnik, die es zurzeit erst als Prototypen gibt - nicht als Produkt. Diese müssten erst einmal in Serie gebaut, stabil funktionieren und korrekt vernetzt werden. Erst dann könnte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass sich durch dreidimensionale biometrische Bilderkennung Zeit und Kosten sparen lassen, meint Christoph Busch.

    Die Biometrie ist ein Baustein. Es kommen andere Bausteine dazu. Also, es kommt Infrastruktur dazu, es kommen Enrollment-Stationen auf den Meldestellen dazu. Da muss etliches zusammenspielen, natürlich. Das ist ein ganz, ganz anspruchsvolles Projekt.

    Ein halbes Jahr vor dem Start ist das anspruchsvolle System nur in seinen Grundbausteinen vorhanden. Von Anwendungsreife und verlässlich arbeitenden automatischen Geräten gibt es derzeit noch keine Spur. Es besteht also noch viel Forschungsbedarf, wenn man ein weiteres Technikdebakel vermeiden will.