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Der Deutsche Bundestag wählt Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler

Er war kein preußischer Übermensch wie der Reichsgründer Otto von Bismarck, keine Kasernen- und Kasino-Größe wie der Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und kein daherschwätzender Kleinbürger wie der Sachse, Kommunist und DDR-Potentat Walter Ulbricht. Vielleicht gerade deswegen aber hat der rheinische Katholik Konrad Adenauer die Bundesrepublik Deutschland fast anderthalb Jahrzehnte lang nicht nur regiert und repräsentiert sondern nachgerade inkarniert : schlicht und anspruchslos, und doch nicht ohne klare Ziele. Und so heftig die Zeithistoriker immer noch darüber debattieren mögen, ob diesem Kölner Patrizier die Teilung Deutschlands - mindestens klammheimlich - nicht sogar ganz recht war: Einig sind sie sich darin, dass der CDU-Vorsitzende und ehemalige Präsident des Parlamentarischen Rats seine Deutschen definitiv in den Westen führte – politisch und ökonomisch, vor allem aber kulturell.

Von Claus Menzel | 15.09.2004
    Dabei waren Adenauers Person und Konzept auch in seiner eigenen Partei keineswegs unumstritten. Nicht ohne Grund fürchteten die Vertreter Berlins, die von Adenauer geforderte Westbindung der Bundesrepublik werde jede Verständigung mit der Sowjetunion unmöglich machen und die deutsche Teilung verewigen. Im starken Landesverband Nordrhein-Westfalen plädierten zahlreiche Parteifreunde obendrein dafür, statt mit der FDP und der nationalkonservativen Deutschen Partei mit den Sozialdemokraten zu koalieren. Doch nachdem die CDU bei den ersten Bundestagswahlen knapp stärkste Partei geworden war, setzte sich Adenauer auf einem Treffen der wichtigsten CDU-Vertreter in seiner Rhöndorfer Privatwohnung durch. Bei der Wahl des Bundeskanzlers am 15.September 1949 durfte der Kandidat mit einer komfortablen Mehrheit von 208 Stimmen rechnen. Um so größer folglich die Überraschung, als Bundestagspräsident Erich Köhler das Ergebnis mitteilte

    Mit "Ja!" haben gestimmt : 202, mit "Nein" 142, 44 Stimmenthaltungen und eine ungültige Stimme. Nach den Vorschriften des Verfassungsgrundgesetzes beträgt die absolute Mehrheit für die Wahl des Bundeskanzlers 202 von 402. Diese Mehrheit ist auf den Namen des Abgeordneten Dr. Adenauer entfallen ...(Lachen).

    Wo die sechs Koalitions-Stimmen geblieben waren, die ihm fehlten, hat Konrad Adenauer nie groß interessiert. Und dass er seine Wahl mit seiner eigenen Stimme gerettet hatte, störte ihn überhaupt nicht: Einen besseren Kanzler als ihn, erklärte der 73jährige, könne er nirgends sehen und Mehrheit sei Mehrheit. Bei seiner Regierungserklärung wenige Tage später war jedenfalls von Unsicherheit nichts zu spüren. Auch wenn es um die Versorgungsansprüche ehemaliger Soldaten gehe, werde die Bundesregierung zwar Einschränkungen vornehmen -

    Sie wird aber doch die Wehrmachtsbeamten und Militärpersonen so behandeln müssen wie es recht und billig ist. - "Die neue Wehrmacht" - Wir sind doch nicht in der Ostzone. - Da fehlt der Kriegsminister. – Ich sehe Sie ja schon in schöner Uniform. - Da sind Sie aber amerikanischer General. - Na, da stehen Sie stramm vor mir.

    Ein brillanter Redner war er ja nicht, doch seine Repliken waren gefürchtet. Sein Rivale, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher mag mit der Behauptung, Adenauers Wortschatz betrage mal gerade 500 Wörter, durchaus Recht gehabt haben. Nur reichten Adenauer die 500 Wörter durchaus, seine Politik zu erläutern: Allein ihre Westbindung könne die Sicherheit der Bundesrepublik garantieren, allein die Übernahme der politischen Kultur des Westens einen Rückfall in den Nationalismus verhindern, und nur, wenn Preußens Macht über die deutsche Politik gebrochen werde, sei Europa die Wiedervereinigung zuzumuten. Für ihn lag der Schlüssel zur deutschen Zukunft nicht in Moskau und nicht in Washington sondern in Paris.

    Es besteht für uns kein Zweifel, dass wir zur westeuropäischen Welt gehören – nach unserer Herkunft, und nach unserer Gesinnung. Der deutsch-französische Gegensatz, der hunderte von Jahren die europäische Politik beherrscht hat und der zu so manchen Kriegen, Zerstörungen und Blutvergießen Anlass gegeben hat, muss endgültig aus der Welt geschafft werden.

    Später ergänzte Willy Brandts Ost- Adenauers Westpolitik, die Einheit wurde möglich. Als Konrad Adenauer 1967 starb, schrieb der "Spiegel", der seine Politik stets bekämpft hatte : "Er zeigte den Deutschen, dass auch ein Zivilist einen geraden Rücken behalten kann."