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Der Deutsche Musikrat vor der Pleite?

Rietschel: Was passiert ist, ist dass sich der Musikrat als eine wirklich sehr große Organisation mit fast 60 Mitarbeitern in den letzten Jahren heftig entwickelt hat. Die Strukturen haben aber mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Die haben zu einer Situation geführt, dass wir jetzt überschuldet sind.

    Noltze: Was für Fehler waren das?

    Rietschel: Vor allem sind Zuwendungsregeln nicht beachtet worden. Ich möchte aber darauf Wert legen, dass kein einziger Pfennig davon in eigene Taschen geflossen ist. Das ganze Geld ist in die Projekte gegangen.

    Noltze: Das muss man erklären. Sie unterliegen diesem besonderen Zuwendungsrecht. Wo schränkt Sie das ein, wo haben Sie die Richtlinien, denen Sie unterliegen, übertreten?

    Rietschel: Das sind Einzelfälle. Zum Beispiel muss man eingehende Spenden dem Zuwendungsgeber angeben. Das ist in Einzelfällen nicht geschehen. Sondern man hat die Spenden auf Konten liegen lassen, bis man sie gebraucht hat. Dann hat man sie ausgegeben.

    Noltze: Das heißt eine Privatperson A sagt: 'Ich möchte 'Jugend musiziert' unterstützen. Ich gebe mein Geld dafür.' Sie werden dann aber dazu verpflichtet, dieses Geld auch in dieses Projekt zu investieren. Wenn es nicht geschieht, kann derjenige, der diese Zuwendung macht, sie zurückfordern. Ist das richtig?

    Rietschel: So ist es richtig. Das ist aber nicht passiert.

    Noltze: Wer fordert jetzt zurück, Privatpersonen oder der Staat?

    Rietschel: Es liegen hohe Rückzahlungsforderungen von Seiten des Staates vor. Es gibt aber auch gleichzeitig andere Managementfehler in Projekten, die schief gelaufen sind. Diese hat der Musikrat auch selber zu verantworten. Aber ich würde gerne von diesem Punkt ein wenig wegkommen. Worum es mir jetzt geht, ist wirklich die Zukunft des deutschen Musikrates. Die ist einfach im Moment in Gefahr. Da brauchen wir eine breite Unterstützung. Vom Musikleben haben wir diese auch. Alle Verbände haben signalisiert und deutlich gemacht, dass sie einen starken Musikrat wollen. Sie haben Geld gespendet, um uns zu helfen, dieses Loch zu stopfen. Wir haben jetzt eine große Aktion gestartet. Es wird eine Sondernummer der neuen Musikzeitung erscheinen, finanziert von unseren Mitgliedern. Dies machen wir, um umfassend darüber zu informieren und um deutlich zu machen, wie viele Menschen und Organisationen hinter dem deutschen Musikrat stehen.

    Noltze: Was würde uns denn fehlen, wenn uns der deutsche Musikrat fehlte?

    Rietschel: Der deutsche Musikrat ist Träger von Projekten wie 'Jugend musiziert', vom Bundesjugendorchester, von wichtigen Projekten für die zeitgenössische Musik und im Laienmusikbereich, vom deutschen Orchester und vom deutschen Chorwettbewerb. Diese Projekte sind eigentlich nur in der Hand des deutschen Musikrates, nämlich eines unabhängigen Trägers wirklich starker Projekte, weil sie dann auch allseits akzeptiert sind. Was weiter fehlen würde, wäre ein mächtiges Sprachrohr für die Interessen aller Menschen, die sich für Musik interessieren und begeistern. Immerhin sind acht Millionen Menschen bei unseren Mitgliedern organisiert. Da hätte dieser Bereich kein Sprachrohr mehr. Es gibt gerade im Augenblick wichtige Themen, die auch weit über das Musikleben hinausreichen: Bildung ist ein großes Thema in der Diskussion, Pisa ist ein großes Thema. Ich denke, alle, auch die Politik, haben erkannt, dass wir uns mehr um die Kinder kümmern müssen. Kinder müssen nicht nur rechnen und lesen können, sondern Kinder brauchen auch kreative Fähigkeiten. Wir brauchen in Zukunft auch teamfähige, kreative Menschen. Das sind auch Dinge, die man in musische Bildung vor allem lernen kann.

    Noltze: Nun scheint mir das Problem, vor dem Sie unmittelbar stehen - am 8. November haben Sie den Termin beim Konkursgericht - ja mehr etwas mit Strukturen zu tun zu haben. Man könnte sich ja fragen, ob diese komplizierte Struktur nicht ein bisschen zu viel Struktur ist und ob solche Pannen notwendigerweise passieren.

    Rietschel: Sie haben recht. Aber genau deswegen sollten wir diese Krise als eine Chance begreifen. Diese Krise gibt uns die Gelegenheit, jetzt wirklich eine Strukturreform zu machen, die den Musikrat auch zukunftsfähig macht.

    Noltze: Wer kann, wer soll Sie jetzt retten?

    Rietschel: Hilfe brauchen wir von der Politik.

    Noltze: Das heißt, Sie suchen den Weg und einen Termin bei der neuen Kulturstaatsministerin, Christina Weiss.

    Rietschel: Wir möchten gerne der neuen Kulturstaatsministerin unser Anliegen vortragen und bei ihr für unser Anliegen um Unterstützung werben. Wir wollen uns aber genauso an die Bundesjugendministerin, Frau Schmidt, wenden. Denn uns ist es auch wichtig, dass der Musikrat jetzt nicht zerschlagen wird. Das droht natürlich im Moment. Unsere wunderschönen Projekte wollen viele Menschen, aber auch da brauchen wir die Unterstützung der Politik.

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