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Der digitale Pförtner

Auf der SAFEKON in Karlsruhe, einer Fachmesse für Zutrittskontrolle, Gebäudesicherung und Informationsschutz wurde deutlich: Bei Zutrittskontrollen und der Identifikation von Personen reichen schlichte Ausweise schon lange nicht mehr aus. Die technische Entwicklung zielt auf den zusätzlichen Einsatz biometrischer Daten wie den Fingerabdruck, die Irisanalyse oder die Gesichtserkennung. Führend auf diesem Gebiet ist eine deutsche Firma aus Bochum: L-1 Identity Solutions.

Von Mirko Smiljanic | 14.09.2007
    Bochum-Querenburg, am Sitz derL-1 Identity Solutions AG. Obwohl die Sonne scheint, ist der Flur in dämmriges Licht getaucht. Es ist ein bezeichnendes Licht, denn der Grund für den Lichtmangel liegt in der umliegenden Bebauung: Die L-1 Identity Solutions AG ist eine Ausgliederung der Ruhruniversität und steht im Schatten der mächtigen Hochschulgebäude. Seit Anfang der 90er Jahre geht die L-1 Identity Solutions aber eigene Wege - und das ungewöhnlich erfolgreich.

    "So, Sie sind hier im Demozentrum der L-1 Identity Solutions AG und Sie sehen hier klassische Gesichtserkennungs- und Fingerpintprodukte für Zutrittskontrollsysteme und die Kombination zwischen Videoüberwachung und Gesichtserkennung, was ja auch kürzlich Mainz getestet wurde,"

    erläutert Hartmuth von Maltzahn, Vorstandsvorsitzender der L-1 AG, und spielt auf den Feldversuch des Bundeskriminalamtes an, bei dem drei Monate mehrere Gesichtserkennungssysteme für den polizeilichen Einsatz getestet wurden.

    Ein langer, breiter Flur öffnet sich, links Konsolen mit Computern, rechts Büros hinter Glaswänden, kein Empfang. Dafür begrüßt ein digitaler Pförtner namens Face-Finder jeden Besucher. In 20 Metern Entfernung hängt ein Flachbildschirm von der Decke, darüber starrt eine Videokamera Richtung Eingang.

    "Die Gesichtserkennung funktioniert so, dass wir erst einmal ein Gesicht brauchen, deshalb brauchen wir auch eine gute Kamera und eine vernünftige Umgebungsbedingung. Habe ich ein Gesicht, wird es in einen Graphen verwandelt, das ist eine mathematische Formel, es werden 4.000 einzelne Informationen aus diesem Gesicht analysiert und mit dem abgespeicherten Gesicht verglichen, das heißt jeder Punkt mit jedem Punkt."

    Auf dem Monitor erscheinen kontinuierlich 25 Fotos, die sich je nach Bewegung des Gastes ruckartig ändern. Mal schaut der Besucher auf den Boden, mal nach rechts, manchmal in die Kamera, Einige hundert Bilder produziert Face-Finder auf diese Weise - und identifiziert Hartmuth von Maltzahn schließlich ohne große Probleme. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Gesichter fehlerfrei zu erkennen, ist schon für das menschliche Hirn ein komplexer Vorgang; Computer waren bis vor kurzem fast chancenlos. Kein Wunder also, dass die wichtigsten Ideen zur Gesichtserkennung von Neuroinformatikern kamen, wie Hartmuth von Maltzahn in seinem Büro erläutert.

    "Die Firma wurde 1992 gegründet. Herr Professor von der Malsburg und Herr Professor Selen waren die Leiter der Neuroinformatik sowohl hier an der Ruhruniversität in Bochum als auch an der USC in Kalifornien. Die Grundlagenforschung, die da betrieben worden ist, haben die beiden auch mit Hilfe des Landes Nordrhein-Westfalen in dieser Firmengründung dann etabliert."

    In den Anfangsjahren standen bei der noch jungen Ausgründung der Ruhruniversität medizinische Themen im Mittelpunkt. Das änderte sich aber schlagartig nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001: Das Thema Gesichtserkennung hatte vor allem in den USA oberste Priorität. Und unvermutet - erinnert sich Hartmuth von Maltzahn - bekam man Besuch von Vertretern einer US-amerikanischen Firma,
    "die eine gute Technologie brauchten und selber keine hatten, das war die Firma Visaage. Wir sind dann 2002 mit Visaage zusammengegangen und haben seither unser Produktportfolio erweitert, wir machen jetzt auch Ausweissysteme, Führerscheine, Plastikkarten und auch den amerikanischen Reisepass in seiner Personalisierung."

    Anfang 2006 investierte der amerikanische Geschäftsmann Robert Lapenta noch einmal 100 Millionen Dollar, die damalige Visaage AG wurde in L-1 Indentity Solutions AG umbenannt. Heute beschäftigt der Gesamtkonzern weltweit rund 1.100 Mitarbeiter und setzt 400 Millionen Dollar um. Auf die Bochumer Gruppe inklusive ihrer internationalen Partner entfallen dabei rund 40 Millionen Dollar.

    "Wir machen weltweit Forschung und Entwicklung für die Gesichtserkennung und sind verantwortlich für den gesamten internationalen Vertrieb und Service, das heißt, Bochum ist als Standort nach wie vor eine Perle, wie seinerzeit die kleine ZN,"

    das Zentrum für Neuroinformatik, für das sich übrigens deutsche Firmen nie ernsthaft interessierten: Weder Siemens noch Bosch griffen damals zu, ein Fehler, wie von Maltzahn heute findet.

    "Ja, es ist richtig, wir sind ein amerikanischen Unternehmen, leider! Ich hätte es auch begrüßt, wenn eine deutsche Firma seinerzeit die Perle ZN gesehen und gekauft hätte. Gesehen hat man sie, gekauft nicht!"

    Ein letzter Blick ins Demozentrum der L-1 Identity Solutions AG. Überall Computer und Monitore. Manchmal wird's eng im Stammhaus, weg aus Bochum, weg von der Ruhruni will Hartmuth von Maltzahn aber nicht.

    "Noch haben wir Platz für eine Handvoll weiterer Mitarbeiter, wenn wir auf dem Wachstumspfad wie bisher weiter fortschreiten, werden wir garantiert umziehen, aber es gibt auch hier am Standort Bochum andere Gebäude, ich spreche das Technologiezentrum an, das werden wir sicher noch Platz finden."