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Der Draht zum Wind

Technik. - Die Offshore-Windkraftbranche in Deutschland boomt, doch der vor der Küste erzeugte Strom muss auch zum Verbraucher an Land kommen. Die Kabel dafür werden unter anderem im Landkreis Wesermarsch hergestellt, wo die größte Kabelmaschine der Welt die Produktion der Riesenkabel aufgenommen hat.

Von Helmut Stapel | 29.07.2009
    Fast lautlos läuft die mächtige Kabelmaschine an. Über drei haushohe Metallscheiben, die langsam um die eigene Achse rotieren, werden einzelne Stromkabel zu einem dicken Strang zusammengedreht. Diese gut zwei Zentimeter starken Kupferkabel laufen aus drei Metalltrommeln ein und werden dann in der gut 50 Meter langen Produktionsstraße verarbeitet. Sie bilden den Kern des Seekabels, der anschließend mit Kunststoff-Füllelementen ummantelt wird, damit das Kabel seine runde Form bekommt. Mit einem Kabel aus dem Baumarkt allerdings haben die Energieträger keinerlei Ähnlichkeit, sagt Projektleiter Hartmut Hoehns:

    "Ein Kabel vom Baumarkt kennt man üblicherweise als fingerdick für den Hausgebrauch. Das, was wir jetzt hier haben, hat einen Durchmesser von elf Zentimetern aufwärts."

    Und noch etwas unterscheidet diese Kabel von herkömmlichen Kabeln. Sie enthalten nicht nur Stromadern, sondern auch andere Komponenten, die extra für die Windparks eingearbeitet werden - denn die Offshorewindräder stehen ständig miteinander in Verbindung, sagt Hartmut Hoehns:

    "Die können miteinander kommunizieren, um Informationen über Windrichtung und Leistung auszutauschen. Das wird übertragen über ein Lichtwellenkabel, das hier mit eingeflochten wird."

    Zwischen 20 und 30 Kilometer Kabel am Stück kann die neue Maschine herstellen. Werden bei den Seekabelwerken längere Kabel bestellt, verbinden die Experten die einzelnen Teilstücke noch im Werk miteinander, sodass ein einziges langes Kabel entsteht - wie kürzlich bei der Stromanbindung der Insel Helgoland an das Festland, für die Norddeutschen Seekabelwerke ein 53 Kilometer langes Kabel hergestellt haben. Damit sich bei der Produktion kein Kurzschluss einschleicht, werden die Energiekabel während der Fertigung regelmäßig geprüft und unter Hochspannung gesetzt, sagt Hartmut Hoehns:

    "Da werden Teilentladungen gemessen und man kann tief in das Kabel hineinschauen - bis zu acht Kilometer. Dadurch kann man ganz genau sehen, an welcher Stelle potenzielle Schäden sein könnten."

    Ein Kabel, das den Strom von einem Offshorewindpark zum Festland transportiert, kann bis zu 30 Zentimeter dick sein. Damit die Konstruktion nicht unter ihrem eigenen Gewicht bricht, wird das Kabel mit einem speziellen Schutz versehen, sobald es komplett zusammengedreht ist, sagt NSW-Vertriebsleiter Thomas Spalthoff:

    "Das ist eine Armierung, die den Schutz und die Stabilität des Kabels gewährleisten soll. Diese Armierung kann einlagig oder auch zweilagig sein und kann bis zu 130 einzelne Stahldrähte umfassen. Das Gewicht liegt deutlich über 100 Kilo pro laufendem Meter Kabel. Das heißt, mit Hand kann man da nichts mehr bewegen. Das geht alles nur über entsprechende Maschinen."

    Am Ende der Produktion werden die Seekabel mit einer dicken Hülle aus Garn und Gummi überzogen. Wird ein langes Seekabel für den Stromtransport aus den Offshorewindparks an Land produziert, läuft es direkt aus der großen Lagertrommel an Bord des Verlegeschiffes, das neben der Fabrikhalle an der Hafenmauer liegt. Hier wird das Kabel in eine Trommel eingespult, aus der es später auf See verlegt wird. Einzelne kürzere Kabel für die Verbindung der Windräder auf See untereinander hingegen werden nacheinander in spezielle Drahtkäfige an Bord des Schiffes gelegt, erklärt Thomas Spalthoff - wie für den Offshorewindpark Alpha Ventus, der 40 Kilometer vor der Küste der ostfriesischen Insel Borkum gebaut wird:

    "Also, wir nehmen die Alpha-Ventus-Kabel in einem Rutsch mit in einem so genannten Kabelkäfig. Dort liegen die einzelnen Kabelstücke in der richtigen Legereihenfolge drin, um die einzelnen Mühlen miteinander zu verbinden."

    Draußen auf See wartet auf die Kabelexperten der schwerste Teil des Jobs. Mit Hilfe von Tauchern wird jedes einzelne Verbindungskabel in 30 Meter Wassertiefe in ein Windrad einzogen und angeschlossen. Dann wird das ein Kilometer lange Kabel unter Wasser zum nächsten Windrad geführt, dort eingeführt und angeschlossen. Rund zwei Tage dauert es, zwei Offshorewindräder so miteinander zu verbinden. Für diese Arbeiten haben die Norddeutschen Seekabelwerke extra ein eigenes Schiff für mehrere Millionen Euro bauen lassen. Ein Aufwand, der sich angesichts der geplanten Windräder auf See auszahlen soll: Derzeit liegen der zuständigen Genehmigungsbehörde mehr als 80 Anträge für Offshorewindparks in Nord- und Ostsee vor.