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Der Dreck fließt ab

Seit sechs Jahren sind ungarische Umweltschützer und Anwohner des Flusses Raab erbost. Drei Gerbereien in der Steiermark und ein Geothermie-Kraftwerk aus dem Burgenland produzieren giftigen Schaum. Jetzt haben sich die Umweltminister Österreichs und Ungarns auf einen Aktionsplan geeinigt: In einem Jahr soll die Raab wieder sauber sein. Ein Beitrag von Ralph Ahrens

    Quicklebendig entspringt die Raab in den Bergen der Steiermark. 105 Kilometer weiter fließt sie dann friedlich als vier Meter breiter Fluss über die Grenze nach Ungarn. Doch Schaum auf dem Fluss sorgt für Unmut bei den Bewohnern von Szentgotthárd, der ungarischen Grenzstadt an der Raab. So auch bei Diplomingenieur Zábor Woki von PRONAS, der Bürgerinitiative ‘Pro Natur Szentgotthárd'.

    "Ungefähr vor sechs Jahren haben wir den Schaum zum ersten Mal bemerkt. Lange Zeit kannte keiner den Grund. Es gab viele Untersuchungen und vermutet wurde dann, dass Lederfabriken aus Österreich bestimmte Stoffe ausstoßen, die diese Schaumbildung verursachen. Und später konnte man das immer sicherer zeigen. Das wusste auch die österreichische Seite, aber leider hat sich nicht viel verändert. "

    Doch dieses Jahr demonstrierte Greenpeace vor der Lederfabrik im steiermärkischen Feldbach, ungarische Organisationen riefen zum Boykott österreichischer Produkte auf. Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Im Mai wurde auf hoher politischer Ebene eine österreichisch-ungarische Task Force eingerichtet, bereits Ende Juni unterzeichneten die Umweltminister beider Länder - Josef Pröll und Gábor Fodor - einen Aktionsplan.
    Wilfried Schimon, Wasserexperte im österreichischen Lebensministerium

    "Wir haben jetzt gegenüber Ungarn zugesagt, verstärkt die Lederfabriken zu überwachen. Aber wir auch die Steiermark aufgefordert, uns mitzuteilen, welche Schadstoffe die Kläranlagen einleiten. Dazu muss sich die Steiermark die Kläranlagen genauer anschauen."

    Es sollen also alle Firmen, die Schadstoffe dem Fluss Raab zuführen, genauer überprüft werden. Angekündigt wurde bereits, dass die Gerbereien ihre Schadstoffeinleitungen begrenzen müssen. Die Lederfabrik Boxmark hat schon zugesagt, in ihren beiden Werken jeweils eine dritte Reinigungsstufe für Abwässer einzubauen. Geschäftsführer Christian Schmidt

    "Der Plan ist, dass wir Feldbach, das ist der größere Standort, im Zuge des Jahres 08, und den kleineren Standort, in Jennersdorf, dann im Laufe des Jahres 09 damit ausgerüstet haben werden. Und dann sind wir, und das kann man mit Fug und Recht behaupten, über den Stand der Technik hinaus in der Abwasserreinigungsanlage ausgestattet und können jeder Überprüfung oder Austestung von Seiten Greenpeace standhalten."

    Schäumen sollte es dann nicht mehr. Herwig Schuster, Chemieexperte von Greenpeace Österreich, bleibt aber vorsichtig und setzt auf Kontrolle.

    "Wir haben vor, uns im Herbst die Situation sehr genau anzuschauen. Wir werden schauen, ob hier bei Boxmark bereits Bauarbeiten im Bereich der Kläranlage umgesetzt werden. Und wir haben auch vor, die Wassergüte erneut zu kontrollieren."

    Beim Aktionsplan geht es um mehr als nur um weniger Schadstoffe. Vereinbart wurde auch, den Flusslauf in beiden Staaten so weit wie möglich zu renaturieren. All das stimmt Zábor Woki von PRONAS zuversichtlich

    "Jetzt gibt es eine schriftliche Vereinbarung und darüber freuen wir uns. Denn jetzt können wir zumindest erwarten, dass endlich etwas getan wird."

    Doch damit ist der Ärger an der Grenze nicht verraucht. Denn das burgenländische Energieversorgungsunternehmen BEWAG will in einem Gewerbegebiet direkt vor den Toren von Szentgotthárd eine Müllverbrennungsanlage bauen. Das ärgert viele Einwohner, unter anderem Tamás Kocsis, Leiter des frisch eröffneten Thermalbades:

    "Ja, es ist so: Die Müllverbrennungsanlage würde unsere Therme nicht direkt berühren, weil wir haben eine sehr schöne geschlossene Therme. Aber natürlich wünscht kein Mensch, dass auf seinem Nachbargrundstück ein Schornstein steht. "

    Und eine Müllverbrennungsanlage würde viele Besucher abschrecken, fürchtet Tamás Kocsis. Dabei wehren sich er und die Menschen in Szentgotthárd nicht grundsätzlich gegen Müllverbrennungsanlagen. Sie fragen sich jedoch, warum der österreichische Müll nicht bei österreichischen Städten verbrannt wird - also dort, wo er auch entsteht. Zoltán Woki

    "Wir haben eine Vermutung: Das ist hier die äußerste Ecke von Österreich. Und sogar noch die herrschende Windrichtung ist Nord, Nordwest. Und alles, was herauskommt, würde sofort die Stadt Szentgotthárd erreichen und nicht Österreich."

    Über den Bau der Müllverbrennungsanlage wird noch entschieden. Zurzeit wird geprüft, ob die Anlage umweltverträglich ist. Die optische Verschmutzung des Landschaftsbildes spielt bei dieser Umweltverträglichkeitsprüfung allerdings keine Rolle. Vielleicht muss erst eine zweite österreichisch-ungarische Task Force einberufen werden, um an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn zu vermitteln. Diese Task Force hätte eine klar umrissene Aufgabe: Finden Sie den optimalen Standort für einen Müllofen!