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Der Durst der Welt

Geologie. - Rund 97 Prozent allen Wassers auf der Erde ist Salzwasser – und von den drei Prozent Rest an Süßwasser liegt das meiste als Eis fest. Wir Landlebewesen konkurrieren also um einen verschwindend kleinen Teil des irdischen Wassers. Und weil wir Menschen heute davon schon mehr als die Hälfte nutzen oder beeinträchtigen und wir gleichzeitig immer mehr werden, fragen sich in Oslo auf dem 33. Internationalen Geologenkongress die Wissenschaftler, wie man in 20, 30 oder 50 Jahren den Durst der Welt stillen möchte.

Von Dagmar Röhrlich |
    Sauberes Wasser für alle – das ist ein schöner Traum. Schon heute haben mindestens eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser. Und es wird noch schwieriger werden:

    "Das größte Einzelproblem, vor dem die Welt steht, ist die Überbevölkerung. Heute sind wir rund sechs Milliarden Menschen, 2050 oder 2070 werden wir etwa zehn Milliarden sein. Dann werden wir einfach nicht mehr genügend sauberes Wasser für alle haben, wenn wir es so nutzen wie derzeit. Wir müssen neue Technologien entwickeln, neue Ressourcen erschließen","

    erklärt Philipp Weinstein von University of Western Australia in Perth. Während heute das saubere Trinkwasser meist aus Stauseen oder Flüssen stammt, werden künftig die Grundwasservorräte immer wichtiger werden, denn:

    ""1,1 Prozent des Wassers auf der Erde ist Grundwasser. Das hört sich nach wenig an, aber es ist zehnmal mehr, als in all’ den Seen und Flüssen der Welt zusammengenommen stecken."
    Bosse Olofsson vom Königlichen Institut für Technologie in Stockholm. Noch gibt es reichlich Grundwasser – aber das könnte sich bald ändern. Etwa an den Küsten, wo es um die Versalzung des Grundwassers geht. Olofsson:

    "Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt etwa 60 Kilometer vom Meer entfernt, und dort liegen auch viele Megastädte. Wir sehen heute schon, dass in solchen Zonen der Grundwasserspiegel jährlich um mehrere Meter sinken kann, in Nordindien sogar um zehn Meter – pro Jahr. Das wird verheerende Folgen haben, denn an den Küsten wird das Meerwasser in die Grundwasserleiter einbrechen."

    Dazu kommt verschärfend der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels: Weil das dichtere Salzwasser sehr viel Süßwasser verdrängt, gehen bei einem zehn Zentimeter höheren Meeresniveau vier Meter im Grundwasserleiter verloren. In den Industrienationen wird dann Wasser aus dem Inland herangeschafft werden müssen. Wo sich die Menschen das nicht leisten können, werden Millionen von Siedlungen verloren gehen, prophezeit Bosse Olofsson. Auch in den küstenfernen Zonen wird die Trinkwasserversorgung problematischer. Olofsson:

    "Deshalb müssen wir bessere Modelle zur Erschließung von Grundwasser entwickeln. Heute wissen wir zu wenig darüber. Aus einem Bohrloch kann das Wasser sprudeln, das daneben ist trocken. Das liegt daran, dass das Grundwasser in den unregelmäßig verteilten Poren und Rissen im Gestein fließen muss. Mit unseren mathematischen Modellen können wir so etwas nicht gut beschreiben. Außerdem brauchen wir bessere Daten, wir müssen also die geophysikalischen Erkundungsmethoden weiterentwickeln."
    Ausreichen wird das nicht. Für die Wasserversorgung der Zukunft wird Grundwasser recycelt werden müssen. Schließlich dauert es meist Jahrhunderte bis Jahrtausende, ehe das heute entnommene Wasser wieder nachgeflossen wäre. Manche Grundwasserspeicher sind sogar ebenso endlich wie eine Ölquelle, weil sie Relikte aus feuchteren Epochen der Erdgeschichte sind. Das ist beispielsweise in Australien der Fall, und dort wird deshalb heute schon viel Wasser recycelt – aber das birgt Gesundheitsrisiken, erklärt Philipp Weinstein:

    "Nehmen wir beispielsweise die organischen Bestandteile aus dem Boden. Die kommen in jedem Wasser vor. Wenn wir daraus Trinkwasser machen, fügen wir Chlor zu. Aber das Chlor reagiert mit den organischen Bestandteilen. Es entstehen giftige Trihalogenmethane wie Chloroform. Beim Recycling leiten wir das Brauchwasser durch das Gestein, um Krankheitserreger zu entfernen. Dabei nimmt das Wasser wieder organisches Material auf, es wird erneut aufbereitet, und es entstehen noch mehr Trihalogenmethane. Eine neue Studie aus Australien belegt nun , dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Trihalogenmethanen im Grundwasser und Geburtsfehlern gibt."

    Das ist ein neues Problem, das die Wasserproduzenten lösen müssten.