Die Täter und Opfer von damals werden in einem Saal zusammen geführt, der mit seiner schmutzigbraunen Vertäfelung wie von Bühnenbildnerin Anna Viebrock gestaltet scheint. Aber die Spielweise, die Regisseur Matthias Nagatis gewählt hat, ist nicht von Christoph Marthaler geprägt, obwohl Buhss Text mit seinen träumerisch forschenden Erinnerungsbewegungen der alt gewordenen Opfer dies nahe legt. Der Greifswalder Schauspieldirektor setzt vor allem auf Spiel und Aktion und bevorzugt ein altmodisch realistisches Erzähltheater. Mit der Drehbühne werden die nicht gealterten Täter von damals hereingefahren. Staatsanwalt, Richterin, Stasimitarbeiter und Abschnittsbevollmächtigter werden zu ihrem Verhalten befragt und müssen vorspielen, was sie damals gemacht und gedacht haben.
Autor Werner Buhss hat ein wichtiges Thema behandelt, aber nicht sein bestes Stück geschrieben. Der Autor, der mit "Deutsche Küche" zuletzt einen ehemaligen NVA-Offizier in der neuen Zeit Amok laufen ließ, schuf auch wunderbar kräftig-sinnliche Shakespeare-Übersetzungen. Das scheint ihn zu sehr beeinflusst zu haben, weil er nicht nur eine studierte Putzfrau einführt, die wie ein wortspielerischer Shakespeare-Clown agieren soll, in der Uraufführung aber nur als plakativer Bedeutungsträger agiert. Sondern weil er auch vier Clowns auftreten lässt, die die Konferenz auf Jalta nachspielen, bei der Chrustschow, Ulbricht, Mielke, Honecker und der Berater des amerikanischen Präsidenten John Jay McCloy über den Bau der Mauer entscheiden. Eine Szene, gut gedacht vom Autor und völlig schlecht und unkomisch gemacht vom Regisseur. Sonst ist die Aufführung stark geprägt von altem und neuem Rock'n'roll.
Während Frau Gabriel mit eiferndem Sendungsbewusstsein agiert, werden die Haltungen und Handlungen mancher Täter sowohl in ihrer Abscheulichkeit wie in ihrem Opportunismus und ängstlichem Egoismus, aber auch in ihrer, eigene Wünsche unterdrückenden, Selbstverleugnung verständlich. Ohne dass sie damit entschuldigt würden. Noch immer erschreckt z. B. die selbstverständliche, Fakten nach Auftrag schaffende Menschenfeindlichkeit des Stasileutnants. Doch die drei Opfer, leider schauspielerisch sehr steif gespielt, haben sich eingestehen müssen, dass sie bei den Verhören damals nicht nur sich selbst, sondern auch die Freunde wider besseres Wissen verraten haben. Deshalb können sie die verachteten Täter nicht verurteilen, meint Werner Buhss. Ein etwas unentschiedener, nicht sonderlich überzeugender Schluss eines Stückes, das immerhin redlich versucht, Vergangenheitsbewältigung zu thematisieren. Insgesamt eine wichtige Aufführung im hohen Norden.