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Der Einfluss christlicher Fundamentalisten auf die Politik

Wir wollen unsere christlichen Wurzeln bewahren. Es wäre für uns ein Verlust, Gott und unseren Glauben hier fernzuhalten. Wir haben nur christliche Stundenten hier, und auch nur christliche Lehrer. Alle müssen ein Glaubensbekenntnis unterschreiben.

Von Tom Schimmeck |
    Gänse fliegen über die Hügel, lauschig und grün ist die Gegend bei Purcelville/Virginia, am Fuße der Blue Ridge Mountains. Inmitten von Pferdefarmen liegt das Patrick Henry College, benannt nach dem amerikanischen Freiheitskämpfer des 18.Jahrhunderts.

    Ein großes Sternenbanner weht an einem Fahnenmast an der Einfahrt zu dem gut 40 Hektar großen Gelände. Ein paar Jugendliche spielen mit einer Frisbee-Scheibe auf dem gepflegten Rasen. Man habe hier Großes vor, erklärt der Sprecher des Hauses. Das anno 2000 gegründete College soll schnell weiter wachsen. Bald werden neue Gebäude und ein größerer Campus entstehen. Ganz oben auf dem Hügel wird dann die Kirche thronen.

    Das Patrick Henry College ist eine Gründung der christlichen Rechten Amerikas. Präsident ist Michael Farris, ein Urgestein der evangelischen Fundamentalisten. Einst war er Anführer der "Moral Majority", die das Land wieder zum biblischen Kern führen wollte. Den Propheten Mohammed hat er zum Terroristen erklärt. Farris, ein strammer Republikaner, ist auch Gründer und Präsident der Home School Legal Defense Association, einer Vereinigung, die jenen Eltern rechtlichen Beistand gewährt, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, sondern selbst daheim unterrichten. Man schätzt, dass bis zu 2,5 Millionen Kinder in den USA ausschließlich von Mom oder Dad beschult werden.

    Etwa drei Viertel der 300 College-Schüler hier stammen aus diesem Kreis. Und die Defense Association hat ihren Sitz hier im College genommen.

    In der Halle steht eine Familie: Mutter, Vater, Sohn und Tochter. Sie leben in England, erwägen aber, den Sohn des Hauses hier aufs Patrick-Henry-College zu schicken. Die Mutter ist angetan, alles sehe so gepflegt aus, alle seien so freundlich hier. Zuhause unterricht sie selbst sechs Kinder. Der Vater erklärt, Gott habe für jedes seiner Kinder eine ganz spezifische Aufgabe. Der Sohn spüre, dass Gott ihn zum Regieren ausersehen habe. Sie seien gekommen, um zu gucken, ob Patrick Henry der Ort sei, wo er sich auf seine Berufung vorbereiten könne.

    Eine gute Wahl. Denn das College, nur eine Autostunde westlich der Hauptstadt Washington, hat beste Kontakte zu Ministerien und republikanischen Abgeordneten. Im Board sitzt etwa Janet Ashcroft, die Frau des Justizministers. Manches Mitglied des Lehrkörpers hat für Präsident George W. Bush und seine engsten Getreuen schon in Wahlkämpfen gestritten. Hier kann man sich für die politische Schlacht rüsten, das Regieren wie das siegreiche Debattieren erlernen. Die Ultrakonservativen reden ganz offen vom Kulturkampf.

    Dem Sohn gefällt es durchaus. Es gebe hier eine Menge netter Möglichkeiten, sagt er, die Studenten machten einen kompetenten Eindruck. Und es würde ihm wohl gefallen, weil er hier viel lernen könne.

    Unsere Weltsicht ist eine, die für die Regierung und konservative Politiker attraktiv ist, meint Paul Bonicelli, der akademische Direktor. Die Regierung sei sehr nett zu den Studenten, wenn es um Praktika und Jobs gehe, findet Bonicelli. Das würde sich unter einer Regierung Kerry wohl ändern. Doch der Kongress sei voll von Politikern, die seine Absolventen schätzten. Und auch in den Bundesstaaten und Gemeinden würden viele unterkommen.

    Mit dem obligatorischen Glaubensbekenntnis bekundet hier ein jeder, dass die Bibel Wort für Wort wahr ist, dass die Welt in ganz präzise "sechs 24-Stunden-Tagen" erschaffen wurde, dass Jesus wiederkehren wird und der Satan tatsächlich existiert. Mit seiner Unterschrift erklärt man auch, dass außerehelicher Sex und Abtreibung Sünde sind, dass die Familie heilig ist und der Mann ihr natürliches Oberhaupt. Und dass die Regierung gottgegeben ist, - solange jedenfalls, wie sie Gottes Wort nicht mit Füßen tritt

    Auch die Evolutionstheorie wird am College gelehrt, am Ende aber stets klargestellt, dass es nur eine Wahrheit gibt: die Schöpfungsgeschichte. Im Kern, sagt der Direktor, gehe es ihm um die westliche Zivilisation. Amerikas Gründer standen auf den Schultern der großen westlichen Denker:

    Wir lehren sogar die Aufklärung, sie müssen Rousseau lesen, alles, was den Westen groß gemacht. Wir glauben, das die westliche Zivilisation die höchste Errungenschaft der Menschheit ist der Weg, den der Mensch nach dem Willen seines Schöpfers gehen soll.

    Ein Bus ist vorgefahren. In der Einganghalle drängen sich jüngere Schüler, die zu einer Schnupperwoche ins College gekommen sind. Diese Gruppe hier hat den Geheimdienstkurs belegt denn Patrick Henry bildet auch Agenten aus.

    Wir hatten unsere eigenen Missionen, erzählt Robert aus South Carolina begeistert. Alles sei ziemlich geheim, scherzt er, bringe aber enorm viel Spaß. Sie müssten Leute befreien, irgendwo in Europa, und sich vor fremden Geheimdiensten verstecken. Gestern seien Agenten von CIA und FBI gekommen, erklärt Lehrer Elliot Jardines, der selbst sieben Jahre beim Militärgeheimdienst war. Die Schüler lernten hier Spione zu werden.

    Ruth aus Ohio ist sich noch nicht ganz sicher, ob sie hierher auf College möchte. Sie werde Gott fragen, sagt, beten und versuchen ihn zu hören. Robert dagegen ist begeistert. Das sei ein Beruf fürs Leben sagt er. Und ein christliches College sei für ihn als Christ genau richtig. Bevor er in die Welt hinausgehe und die Kräfte des Bösen bekämpfe.