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Der Erfinder des Brotschmierapparats und des Dunkellichts

Gelber Hut mit Kinnriemen, Nickelbrille, spitzer Schnabel - das kennzeichnet den Ingenieur Daniel Düsentrieb. Bekannt wurde er durch sein Auftreten in Micky-Maus-Comics und durch seine Erfindungen. Diese sind meist nicht finanziell lukrativ, aber haben - zumindest für den Erfinder - einen immanenten Wert.

Von Beatrix Novy |
    Als Comics in Deutschland auch misstrauischen Eltern gefallen mussten, in den 50er-Jahren also, beugte die Micky Maus dem Schundheftchenimage geschickt mit einem lehrreich gestalteten zeitungsähnlichen Mittelteil vor. Eine Art Mini-Readers Digest mit Rätseln, vermischten Nachrichten, Bastelanleitungen. Und mit x-teiligen Serien. Sie hießen "Keine Angst vor dem Zeichenstift" oder "Unser Freund, das Atom" von Professor Heinz Haber. Unvergessen schon deshalb, weil nur knapp zwanzig Jahre später, in den 70ern, kaum noch jemand mit dem Atom befreundet sein wollte. Heute kann man sich aus gegebenem Anlass fragen: Wäre die Reihe auch so ein zeittypisches Dokument der Fortschrittsfreude geworden, wenn man den Entenhausener Ingenieur Daniel Düsentrieb zum Autor gemacht hätte? Denn während Professor Haber im Mittelteil den "unheimlichen Dämon" Atom zum Wohle der Menschheit theoretisch zähmte, setzte gleich nebenan im Comicteil der Disney-Zeichner Carl Barks dem Wissenschafts-Optimismus mit Düsentrieb-Geschichten regelmäßig subversive Dämpfer auf.

    "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör" - aber über der Tatsache, dass dieser geniale, spielerisch zwischen Low- und High-Tech-Ideen pendelnde Erfinder für jedes, wirklich jedes Problem eine Lösung aus dem Gehirnstübchen zaubern kann, wird leicht vergessen, wie oft sich seine Erfindungen gegen ihn kehren. Erinnert sei nur an den revolutionären, unzerstörbaren Farbstoff, der, von Donald Duck versehentlich der Wasserversorgung zugeführt, Rasenflächen, Spaghetti und die Haare frisch geduschter Entenhausener Bürger knallrot färbt. Oder an den Denkapparat für Tiere, der auch nur ungeplante Resultate zeitigt: Das jetzt der Sprache mächtige Wald-Kaninchen bettelt um Geld für Mohrrüben. Und aus dem reißenden Wolf wird ein reißender Feinschmecker, dessen zivilisatorisch verfeinerten Gelüsten rohe Enten nicht mehr genügen. Er will jetzt gebratene Enten.

    Des Lichtes Himmelsfackel strahlt eben nicht jedem und Erfindungen können auch zu gut funktionieren. Wenn Düsentrieb die Stadt Entenhausen mit Einwilligung der höchsten Stellen im Sinne einer computergesteuerten, komplett arbeitsersparenden Utopie umgestalten darf, geht das Gemeinwesen vor Langeweile fast zugrunde. Aus Segen wird Fluch: Weil man sich das gleich denken konnte, bringt es diese Story nicht zur Slapstick-Komik anderer Düsentrieb-Geschichten, in denen es ihm geht wie Macbeth mit den Prophezeiungen der Hexen: Alles läuft prima, nur in die falsche Richtung. Überall lauert dem nie rastenden Erfindergeist das große Missverständnis auf. Unerhörter erfinderischer Aufwand endet da, wo er angefangen hat: Die selbstleerende Mülltonne schlägt die Müllmänner in die Flucht, die aus Gras produzierte Milch "ohne Kuh dazwischen" macht Oma Duck arbeitslos und unglücklich. Beim Versuch, künstliches Leben in einem Hühnerei zu erzeugen, brütet Düsentriebs Henne Gloria, die vorher in fehlgeleitetem Instinkt auf einem Türknauf hockte, einen Türknauf aus.

    Den allwissenden Roboter Rudi erfindet Düsentrieb eigens, um zu erfahren, warum die Vögel zwitschern. Aber Rudi gibt nur unwissenschaftliche Ratschläge. Allerdings erweisen sie sich alle als richtig. Düsentrieb muss mit einer ganzen Reihe von Vogelfang-Erfindungen Schiffbruch leiden, ehe er kapiert: Ja, um einem Vogel zu fangen, muss man ihm Salz auf den Schwanz streuen. Im Sprechapparat gesteht das Tier, warum es zwitschert: "Vielleicht bin ich entzückt, vielleicht bin ich bedrückt, vielleicht auch ein bisschen verrückt!" Genau so hatte es Roboter Rudi auch gesagt. Aber Düsentrieb wollte ihm ja nicht glauben.