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Der erfolglose Kampf gegen den Dauersmog in der indischen Hauptstadt Delhi

Einige Städte sind geradezu berühmt-berüchtigt für ihre schlechte Luft, wie Mexiko-City beispielsweise oder die indische Stadt Delhi. Hier herrscht praktisch Dauersmog. Drei Millionen Fahrzeuge pusten täglich ihre Abgase in die Luft. Und die meisten fahren mit billigem, subventionierten Diesel. Der ist einer der Hauptgründe für die enorme Luftverschmutzung, an der immer mehr Menschen erkranken. Dagegen soll nun etwas getan werden. Vor zweieinhalb Jahren wurde geplant, dass alle Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr von Diesel auf das weniger belastende Erdgas umgestellt werden sollen und zwar bis zum 1. April 2001. Den mit Diesel betriebenen Fahrzeugen soll dann die Lizenz entzogen werden. In zwei Wochen ist also Stichtag. Wie derzeit die Situation in der indischen Hauptstadt ist, Einzelheiten dazu von Friederike Schulz.

von Friederike Schulz |
    Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dann versinkt Delhis öffentlicher Nahverkehr pünktlich zum ersten April im Chaos. Und der Umstellung aller betroffenen Fahrzeuge auf Erdgas ist man noch immer nicht näher gekommen. Dabei ist es höchste Zeit, dass etwas getan wird. Der Smog in Delhi ist an der Grenze des Erträglichen. Eine Dunstglocke aus hochgiftigen Rußteilchen hängt über der 13-Millionen Stadt. Die Umstellung der Dieselmotoren von Bussen und Taxis auf Komprimiertes Erdgas, würde die Stadt zwar nicht vom einen auf den anderen Tag in einen Luftkurort verwandeln. Sie wäre aber ein erster, wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Erklärt Sunita Narain, die Leiterin des Center for Science and Environment, einer der führenden Umweltorganisationen Indiens:

    "Eine unserer Studien zeigt, dass in Delhi jede Stunde ein Mensch aufgrund von Rußteilchen stirbt. Der Grad der Luftverschmutzung ist unglaublich hoch. Die Messdaten der allergiftigsten Partikel, die kleiner als zehn Mikrogramm sind, sind acht bis zehnmal höher als es allein indische Standards erlauben. Je kleiner die Partikel, desto gefährlicher sind sie, da sie in die feinsten Verästelungen der Lunge eindringen. Die Weltgesundheitsorganisation ist sogar der Ansicht, dass es für diese Rußteilchen gar keine Standards geben dürfte. Und die veralteten Dieselmotoren sind nun mal Verursacher Nummer Eins."

    Seit zweieinhalb Jahren steht nun das Datum für die Umstellung auf Erdgas fest. Angeordnet hatte sie der Supreme Court, das indische Verfassungsgericht, auf Empfehlung einer Regierungskommission. Das Gericht gab sein Okay, legte den 1. April 2001 als Stichtag fest und verpflichtete Delhis Stadtregierung, praktisch ihre eigene Empfehlung auch umzusetzen. Doch getan hat sich rein gar nichts. Schuld its unter anderem das Bundesverkehrsministerium, das ganze eineinhalb Jahre brauchte, um überhaupt Sicherheits- und Abgasnormen für die Erdgasmotoren zu erstellen. Und in der Zwischenzeit konnte nichts geschehen, da beispielsweise die Motorenhersteller gar nicht die Standards kannten, nach denen sie sich richten sollten. Am 1. April werden alle Dieselbusse von Delhis Straßen verschwinden. Ganze 400 von 11 000 Bussen sind bisher mit CNG-Motoren ausgestattet. Sie allein werden übrig bleiben. Eltern gehen auf die Barrikaden, weil sie nicht wissen, wie ihre Kinder ohne Schulbus zum Unterricht kommen sollen. Und Arbeitnehmer, die kein Auto haben, sind aufgeschmissen. Bundesverkehrsminister Khanduri zeigt sich jedoch unbeeindruckt von der Kritik, die von allen Seiten auf sein Ministerium hagelt:

    "Es geht um Folgendes: Der Wechsel ist alles andere als einfach, besonders in einem Land wie Indien. Hier ist alles ein Problem, und es gibt so viele Autos. Und die Konvertierung von Dieselfahrzeugen zu Gas ist hoch kompliziert. Und das dauert nun mal. Außerdem muss man genau prüfen, ob der neue Brennstoff nicht auch Risiken in sich birgt. Sonst steht man hinterher da und stellt fest, dass Gas keinen Deut besser ist. Da lässt man sich lieber Zeit. Ich meine nicht, dass wir die Festlegung der Normen unnötig herausgezögert haben."

    Im Februar 2000 wurden die Normen veröffentlicht und dann allerdings im August noch einmal modifiziert und verklausuliert. Die privaten Busunternehmer sind ratlos und wütend. Sagt Anjus Kalra, Generalsekretär eines der Interessenverbände. Erst fünf Monate vor Ablauf der Frist sei überhaupt etwas passiert:

    "Erst im Dezember 2000 wurde ein Motorenhersteller autorisiert. Der hat behauptet, die ultimative Lösung zum Umbau der Dieselmotoren zu haben. Einige Busunternehmer haben daraufhin ihre Busse konvertieren lassen. Doch da gingen die Probleme erst los. Die Busse funktionierten nämlich überhaupt nicht mehr. Und dann musste der Motorenhersteller die Busse zurückkaufen."

    Die Busunternehmer besitzen oft jeder nur einen Bus, und die Umrüstung stellt viele von ihnen vor die Existenzfrage. Der 1. April rückt näher und hängt wie ein Damoklesschwert über Delhi. Die Regierungsinstitutionen wiegeln ab und weisen jede Schuld von sich. In den ganzen Irrungen weiß wenigstens Bundesverkehrsminister Khanduri die Ursache des Chaos auszumachen:

    "Die Landesregierung von Delhi ist Schuld. Der Supreme Court hat ihnen genug Zeit gegeben. Sie haben anscheinend ein Problem mit ihrer Verwaltung. Sie haben es nicht hinbekommen, einen geordneten Wechsel zu CNG zu organisieren. Und jetzt rückt der Tag der Wahrheit immer näher. Wir machen uns alle Sorgen, was dann passiert. Und der Supreme Court besteht auf den ersten 1. April."