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Der erste Intellektuelle Deutschlands

Das Wielandgut Oßmannstedt in der Nähe von Weimar war am Ende des Lebens von Christoph Martin Wieland dessen Zuhause. Haus und Park wurden in den vergangenen Jahren frisch renoviert. Im Wielandgut wird heute versucht, an Wielands Ideal von Bildung und Poesie anzuknüpfen.

Von Sabine Frank |
    Auf Wielands Schreibtisch fällt die Mittagssonne, unter dem Fenster breitet sich der weitläufige Park. Sanft fällt er ab zur Ilm. Auf der großen Wiese bolzt gerade eine Kinderschar, die Schule nebenan hat Hofpause.

    Oßmannstedt ist ein verschlafenes Dorf, und das war es gewiss auch vor 200 Jahren, als Christoph Martin Wieland, Hofdichter und Prinzenerzieher im Ruhestand, sich seinen Traum erfüllte, den Traum vom Leben auf dem Lande. Im Frühjahr 1797 zog er mit seiner Frau Anna Dorothea, mit sieben Kindern und vier Enkelkindern vor die Tore Weimars. Kurz nach der Ankunft schreibt er an seinen Verleger Göschen:

    "Ich hoffe, im Schoß der Natur mit den Meinigen und den Musen, die ihren alten Priester nie ganz verlassen werden, den Rest meiner Tage so glücklich zu verleben, als meine Freunde mir nur wünsche können. Ein kleines Horazisches Sabinum, das war schon immer der liebste meiner wachenden Träume."

    Nach dem Sommerdomizil von Horaz nannte Wieland sein Gut "Osmantinum". Doch während der römische Dichter Haus und Land von dem Gönner Maecenas geschenkt bekommen hatte, musste Wieland 22.000 Taler zahlen, eine Summe, die in der Weimarer Gesellschaft für Gerede und Neid sorgte. Oßmannstedt war damals ein großes Landgut mit Scheune und Ställen, 100 Hektar Acker und Weide, Obstwiesen und einem Gemüsegarten. Geblieben sind der Park und das Hauptgebäude, vier Flügel um einen kleinen Innenhof, zwei Etagen hoch, eher ländlich solide als repräsentativ. Jetzt nach der Sanierung schimmern die Fenstergewände wieder blassrot und taubenblau auf gelbem Grund.

    Die Freude über dies ländliche Elysium kann man Wielands Briefen aus diesen Tagen entnehmen. Egon Freitag ist bei der Stiftung Weimarer Klassik für Wieland zuständig. Es scheint, als kenne er ihn auswendig.

    "Er schreibt in einem Brief: 'Ich habe drei tüchtig arbeitende Pferde, 15 Rinder und 80 Schafe. Ich habe stundenlang Maulwurfshügel geebnet und Steine von meinen Äckern gelesen.' Das heißt, er hat auch selber mit Hand angelegt. Er schreibt dann: 'Ich habe glücklich meine erste Heuernte eingebracht'. Also, viele solcher glücklichen Briefe, wo er das Landleben sehr lobt. "

    Mehrere Hunderte Briefe sind aus den Oßmannstedter Jahren überliefert. Wenn Egon Freitag Wieland seitenweise zitiert, nimmt die Vorstellung vom Alltag der Dichterfamilie Gestalt an. Über sein poetisches Werk hält sich der Briefschreiber eher bedeckt, aber viel ist zu lesen von Wetter und Gesundheit, von Kindern und Besuchern und vor allem von landwirtschaftlichen Experimenten. Mit einer Mischung aus poetischem Enthusiasmus und botanischer Ahnungslosigkeit machte sich der Stadtmensch ans Werk. Ein moderner Landmann wollte er sein, und tat, was Intellektuelle in solchen Fällen zu tun pflegen: Er kaufte sich Bücher, über Obst- und Weinbau zum Beispiel, und eines über den Anbau von Klee.
    "Jetzt kam von Berlin ein Journalist und Redakteur und der wunderte sich: 'Herr Hofrat, warum haben sie so viel Klee angebaut?' Und Wieland antwortete: 'Ich habe eine Kuh beobachtet, die von meinem Klee gefressenen hat, und diese Kuh hatte einen ganz zufriedenen Eindruck gemacht. Und wir haben die Pflicht, unseren Tieren, die wir nun einmal zu unseren häuslichen Sklaven gemacht haben, dass wir ihnen das Gefühl eines höheren Wohllebens verschaffen.' Wieland war, kann man etwas ironisch sagen, der Erfinder der glücklichen Kuh. "

    Doch der Dichter war beileibe kein Sonderling. Der Ruf "Zurück zur Natur!" erklang machtvoll in jenen Tagen. Rousseau hatte ihn als Erster angestimmt. Ermüdet vom Zierrat und den Koloraturen des Barock sehnten sich die Schöngeister nach Einfachheit. Das "Rustizieren" war schwer in Mode. Goethe wurde Wielands Feldnachbar, Musäus führte in Weimar ein Gartenjournal, der uralte Klopstock schickte aus dem fernen Hamburg huldvoll Tipps zur Pflege der Weinstöcke. Nach der Lese des Eisweines anno 1799 schreibt Wieland an Böttiger.

    "Der Winter ist bereits vor der Tür und dem Anfang nach ein wahrhaft Lappländischer. Die Arbeiten, die ich mir zugeschnitten habe gewinnen sehr dabei. Alles geht mir ungleich besser vonstatten als ehemals in der Weimarischen Luft."

    Die Weimarische Luft, das waren die gesellschaftlichen Verpflichtungen bei Hofe, denen Wieland nun glücklich entkommen war. Alles Zeremonielle war ihm ein Graus. Lieber tauschte er Perücke und Staatsgewand gegen Samtkappe und Hausmantel. Bei Hofe wurde Wielands Entfernung ausdrücklich bedauert. Dort schmückte man sich gern mit seinem Ruhm. Denn der fast 70-Jährige war ein Dichter und Übersetzer, Herausgeber und Journalist von europäischem Rang.

    "Er war ein Bestsellerautor des 18. Jahrhunderts, er war teilweise sogar berühmter als Goethe, einer der meistgelesenen und höchsthonorierten deutschen Schriftsteller. Zum Beispiel für seinen Staatsroman 'Der goldenen Spiegel', den hatte er in Erfurt geschrieben als er dort Professor für Philosophie war, bekam er 633 Taler. Oder für seine erotischen Verserzählungen 'Der neue Amadis und die Grazien' bekam Wieland 500 Taler, das entsprach seinem Jahresgehalt als Professor. "

    Trotzdem musste er zum Kauf des Gutshofes Kredit aufnehmen, bei seinem Verleger Göschen. Der hatte 1794 mit der Wieland-Werkausgabe letzter Hand begonnen und das in ungewöhnlicher Manier: Um Raubdrucken vorzubeugen, gab es den kompletten Wieland gleich in vier Aufmachungen: von der großformatigen Prachtausgabe bis hinunter zum billigen Kleinoktav. Denn Wielands Bücher wurden von Lesern aller Schichten gekauft. Besonders beliebt waren die eleganten Verserzählungen wie zum Beispiel der "Musarion", ein pikant-erotisches Verwirrspiel, anmutig und heiter.

    "Er drückt mit schüchternem Entzücken
    Sie an sein schwellend Herz, und sucht in ihren Blicken
    Ob sie sein Klopfen fühlt. Ein sanftes Wiederdrücken
    Beweist es ihm. Mit manchem süßen Ach,
    Das ihr im Busen zu ersticken
    Unmöglich ist, bekämpft sie, allzu schwach
    Die Macht des süßesten der Triebe,
    Und kämpfend noch bekennt ihr Herz den Sieg der Liebe."

    Doch bei aller Popularität: Wielands Stern war in seiner Oßmannstedter Zeit bereits im Sinken begriffen. Es begann mit einer Pöbelei des ehrgeizigen literarischen Nachwuchses. Im "Athenäum" veröffentlichten die Schlegel-Brüder einen Aufruf, eine "citatio edictalis": Horaz, Cervantes, Shakespeare, Laurence Sterne - alle sollten sich melden, um ihr geistiges Eigentum von Wieland zurückzufordern. Der greise Erfolgsautor, der meisterlich in so vielen Stimmen zu singen vermochte, galt ihnen nur als Plagiator.

    "Wieland war entsetzt und sprach von Rabengekreisch und Unkengeheul, als er das gelesen hatte. Und vor allem kam ja dann die nationale Bewegung auf, und da hieß es dann, Wieland sei undeutsch, dieser Französling, dieser Wollustsänger sei undeutsch."

    Die Polemik traf Wieland schwer. Von Bildung und Überzeugung war er Kosmopolit und hielt jede Art von nationalem Dünkel für einen Irrweg. Doch die Zeit sollte über ihn hinweggehen. Nach seinem Tod, als sich im Laufe des 19. Jahrhunderts der Kulturbegriff mehr und mehr aufs Nationale verengte, wurde sein Werk sogar aus dem Bildungskanon gestrichen, verschwand allmählich aus den Schulbüchern.

    Während er von den Lesern vergessen wurde, ging Wielands Hof in Oßmannstedt von Hand zu Hand. 1945 wurde er enteignet, dann zog die Dorfschule ein. 1956 entstand eine kleine Gedenkstätte. Heute befindet sich in der Belle Etage, den ehemaligen Wohnräumen der Wielandfamilie, ein Museum.

    Am Ende der Treppe, rechter Hand, öffnet sich das Arbeitszimmer, blaue Wände, der Schreibtisch neben dem Fenster mit Blick auf den Park, in der Vitrine das berühmte Samtkäppchen und Wielands Spazierstock. Im Wohnzimmer nebenan dominiert ein Kamin. Der junge Kleist hat einst hier gestanden, wirr und bedrückt, und hat dem Meister lange Passagen aus seinem Unglückskind "Guiscard" vorgetragen. Im Salon steht ein Pianoforte, darüber das berühmte Porträt von Melchior Kraus "Wieland im Kreise seiner Lieben": der Familienvater in Hausmantel und Turban mit Anna Dorothea und dem halben Dutzend Kinder. Es ist wohnlich hier, noch heute. Besonders anziehend, sonnendurchflutet mit großen Parterrefenstern, ist das Sommerwohnzimmer, der so genannte Gartensaal. Aber der gehört schon nicht mehr zum Museum, sondern zu einer Bildungsstätte. Deren Leiter Justus H. Ulbricht, Historiker und Germanist, macht sich keine Illusionen, wie es heute bestellt ist um die Kenntnis von Wielands Werk .

    "Man muss ja mal eins sagen: Wieland ist in der breiten Öffentlichkeit ein unbekannter Autor. Man kennt den Namen allenfalls, aber er wird so gut wie nicht gelesen, außer von Spezialisten und Liebhabern. Diejenigen, die sich überhaupt noch mit Wieland beschäftigen, wie Herr Reemtsma zum Beispiel, als Herausgeber, als Dozent der Literaturwissenschaft, als Förderer dieses Werkes, das ist die reine Leidenschaft, und wir haben jetzt davon profitiert, sozusagen."

    Jan Phillip Reemtsma ist dem "Osmantinum" heute, was Maecenas einst für Horaz gewesen. Reemtsma ist bekennender Wieland-Enthusiast, er hat über den Dichter promoviert und aus reiner Liebhaberei zwei Versepen als Hörbücher eingelesen. Seine Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur unterstützte die Sanierung des Gutshauses mit 700.000 Euro. Reemtsma erzählt stolz bei der Einweihung der Gedenkstätte im Sommer 2005:

    "Es ist ein wichtiger Moment, ich hab lange dran gearbeitet mit vielen anderen zusammen. Jetzt ist es fertig, es ist schön geworden, das freut. Und es ist das erste Mal, das es im Weimarer Kontext ein Museum gibt, das einzig und allein Wieland gewidmet ist, das ist ein literaturgeschichtliches Datum."

    Allerdings füllt das Museum nur wenige Räume des weitläufigen Hauses. Demnächst soll eine Forschungsstelle entstehen, seit Anfang vergangenen Jahres gibt es bereits die Bildungsstätte - mit komfortablen Gästezimmern, ausreichend für eine ganze Schulklasse, mit Teeküche und Speiseraum und dem Gartensaal. Dort finden nicht nur Seminare statt, sondern auch Konzerte und Lesungen.

    Ulbricht: "Ein Bestandteil der Absprache zwischen Stiftung und Herrn Reemtsma war natürlich diese Dreiteilung von Forschungsstelle, Museum und Bildungsstätte. Wobei es ja darauf ankam, für die Bildungsstätte einen Inhalt zu erfinden. Der sollte sich zu keinem Zeitpunkt in Wieland erschöpfen, das ist ja keine Wieland-Bildungsstätte, obwohl das Werk von Wieland groß genug gewesen wäre."

    Seit einem Jahr gibt es das Cicerone-Programm. Der Cicerone ist wörtlich übersetzt ein Fremdenführer. Bei Exkursionen und Museumsbesuchen, in Streitgesprächen und Seminaren werden junge Leute über Haupt- und Nebenstraßen, aber auch über Umleitungen und Trampelpfade durch eine ihnen zunehmend fremde Geistesgeschichte geführt.

    "Im Zentrum steht, den Schülern zu zeigen und mit den Schülern zu erarbeiten, in welcher Art Geisteswissenschaft die Wirklichkeit aufschließen und zum Klingen bringen kann. Und da wandert man durch die Fächer. Da spricht man über Kunstgeschichte, über Literatur, über Religionsgeschichte und Musik, man spricht natürlich über Politik, Sozialgeschichte. Ich kann zum Beispiel viele Phänomene der Klassik nicht verstehen, wenn ich mich nur auf die Literaturgeschichte konzentriere. "

    Die Kurse heißen "Zeitschichten in Weimar" "Am Anfang war Napoleon" oder "Textwelten - Welt im Text". Ein munterer Orientierungslauf quer durch die Disziplinen, und manchmal kommt auch der Hausherr von einst zu Wort. Doch Wielands Texte haben es in sich. Er hat auf sehr komplexe Weise seine Bildungswelt zu Poesie gemacht. Das Personal, die Schauplätze und Figurenkonstellationen sind meist der Antike entlehnt. Selbst Spezialisten haben heute Mühe, alle Anspielungen zu entschlüsseln. Junge Leser sind damit zwangsläufig überfordert.

    "Das heißt, sich orientieren zu können in der antiken Mythologie und sei es nur in Ansätzen, ist weitgehend ein kompletter Ausfall. Das müssen wir jetzt nicht kulturkritisch beklagen, aber das heißt, wo bleibt dann das Verständnis für manches, wenn solche Kernbestände nicht mehr tradiert werden. Es ist ja nicht nur so, dass alles anders wird, das ist ja trivial, sondern wenn das so weitergeht, ist das die Frage, wie wir uns überhaupt noch orientieren können in unserer eigenen Kultur."

    Das Cicerone-Projekt kann diese Lücke nicht schließen, aber es versucht, einen Bildungsbegriff zu retten, der in den technokratischen Diskussionen um das deutsche Schulsystem kaum noch eine Rolle spielt.

    "Was bedeutet kulturelle Bildung in Europa im Moment, wie wird sie auch bezahlt und in welche Nischen wird sie abgedrängt, welche Rolle spielen kulturelle Inhalte noch in der Schule oder wo ist Unterschied zwischen Ausbildung und Bildung? Und da kann man n Stück von sichtbar machen in solchen Unterrichtseinheiten und Debatten."

    Seit reichlich einem Jahr kommen die Schülergruppen, die Nachfrage ist rege. Doch auch durchreisende Senioren haben hier Quartier genommen, ein Kirchenchor aus Bremen probte ein Wochenende. Bei Sonnenschein kann man die Tische vom Gartensaal ins Freie tragen, auf einen feinen Kiesplatz gesäumt von Rosenbüschen.
    Heute erinnert nichts mehr daran, dass Wieland hier einst Landwirtschaft betrieben hat, wenn auch mit wenig Fortune. Denn der Dichter als Landjunker war eine Fehlbesetzung. Noch einmal Egon Freitag:

    "Wieland hatte durchaus zu wenig landwirtschaftliche Erfahrung, er hat dann seinen Sohn Karl als Gutsverwalter eingesetzt, aber der hatte auch zu wenig Erfahrung, es gab Missernten, und die Schuldenlast. Er musste schreiben, um die ganzen Honorare in die Landwirtschaft zu stecken. Das konnte nicht aufgehen."

    Nach nur sechs Jahren, im Oktober 1803, verkaufte Wieland das Gut. Er beglich seine Schulden und zog zurück nach Weimar. Ohnehin war ihm die Freude am Landleben genommen. Im November 1801, nach 36 Jahren glücklicher Ehe, war seine Frau Anna Dorothea gestorben. Kurz nach ihrem Tod schrieb er an seinen Schwiegersohn Karl Leonhard Reinhold:

    "Mein Osmantinum hat durch den Verlust meiner unwiederbringlichen Alceste allen seinen ehemaligen Zauber für mich verloren. Ich lebe nur noch durch schmerzlich süße Erinnerungen dahin und das Grab meiner besseren Hälfte ist das Einzige, was mich noch an diesem Boden festhält. "

    Dieses Grab hatte Wieland an seinem Lieblingsplatz im Park einrichten lassen, in der so genannten Wildnis am Ufer der Ilm. Wer das Grab besucht, erlebt eine Überraschung. Ein gut mannshoher Sandsteinobelisk steht dort. Der Dichter hat ihn selbst in Auftrag gegeben. Der Obelisk hat drei Seiten. Eine Front wird geschmückt von der Lyra, für den Sänger, den Poeten Wieland. Die andere Seite zeigt zwei ineinander verschlungene Hände, Sinnbild für den Treuebund mit der geliebten Ehefrau. Und dann gibt es noch einen Schmetterling im Rosenkranz für die Dritte im Bunde. Mit dem Dichter und seiner Frau begraben ist Sophie Brentano, Enkeltochter seiner Jugendliebe Sophie La Roche.

    "Die Sophie Brentano, sie war sehr unglücklich, sie hatte unglückliche Liebschaften, ein Graf Herberstein hatte um ihre Hand angehalten, ein Moritz von Bethmann, aber alle haben ihre Werbung zurückgezogen. Sie wurde wie eine Tochter aufgenommen, sie war sogar wie eine Muse für ihn, genau wie die Großmutter damals."

    Als Sophie nach Oßmannstedt kam, arbeitete ihr "Väterchen Wieland" gerade an seinem großen Alterswerk, dem "Aristipp". Und hier auf den Gartenwegen, auf den Spaziergängen über die Apoldaer Flur wurde die junge Frau seine letzte Muse. Wieland hat sie verewigt in Gestalt der schönen Lais und, als genüge das nicht, nach ihrem frühen Tod in die Grabstätte zu seiner Frau gelegt. Den Spruch für den Stein hat er selbst geschrieben.

    "Liebe und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein."

    Um den kleinen Platz mit dem Obelisken schlägt die Ilm wie damals einen anmutigen Bogen. Durch das schüttere Buschwerk ahnt man jenseits des Flusses Felder und in der Ferne ein Fachwerkhaus. Vor 200 Jahren dürfte es hier nicht anders ausgesehen haben und auch nicht 1939. Da saß an dieser Stelle ein noch ganz junger Dichter, Arno Schmidt. 15 Jahre später sollte er einen viel beachteten Rundfunkessay über Wieland schreiben:

    "Wieland ist ein Schriftsteller, durch dessen Schreibtisch wir unseren ersten Meridian ziehen müssten und sein Grab eines unsere Nationalheiligtümer, nach dem jeder einmal in seinem Leben wallfahren sollte."

    Oßmannstedt ist tatsächlich eine Reise wert, vielleicht nicht im Sinne einer Wallfahrt, eher um sich mit Wieland anzufreunden - mit seiner Poesie und Bildungswelt, und auch mit seiner Lebenskunst. Und dass dort im Park heute Kinder spielen, hätte dem Dichter und Familienmenschen sicherlich gefallen.