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Der EU-Vertrag als Geisel

In der vergangenen Woche wäre es im slowakischen Parlament fast zum Eklat gekommen: Weil die Opposition ein Junktim zwischen der Annullierung eines umstrittenen Pressegesetzes und der Ratifizierung des Grundlagenvertrages hergestellt hatte, wäre die Ratifikation des EU-Vertrages fast gescheitert. In Bratislava soll nun erneut abgestimmt werden - der Ausgang ist ungewiss. Peter Hornung berichtet.

    So sehr hat sich Robert Fico wohl seit langem nicht mehr aufgeregt. Was die Opposition da tue, schade dem ganzen Land, so der slowakische Premier.

    " Was um Himmels willen hat der europäische Reformvertrag mit dem Pressegesetz zu tun?! Was ist das für ein Schwachsinn?! Wer hat sich so etwas ausgedacht? "

    Die zwei christdemokratischen Oppositionsparteien hatten Fico und seiner Regierungskoalition aus Linkspopulisten, Rechtsextremen und Rechtspopulisten gerade klargemacht, dass sie dem EU- Vertrag nicht zu stimmen werden- so lange die Regierung nicht beim Thema Pressegesetz mit sich reden lässt. Keine Zustimmung, das heißt auch keine Ratifizierung durch das slowakische Parlament. Premier Fico braucht dafür nämlich eine Drei-Fünftel-Mehrheit - und die hat er nur mit der Opposition. Der lange verhandelte Vertrag von Lissabon könnte so an der Slowakei scheitern. Fico gibt sich verständnislos.

    "Warum attackieren sie einen Punkt der Tagesordnung, über den allgemein Einklang herrschte? Niemals zuvor haben Vertreter der Oppositionsparteien den europäischen Reformvertrag angezweifelt. Das gefährdet die Slowakische Republik auf unglaubliche Art und Weise, international isoliert zu werden. "

    Tatsächlich: Eigentlich habe auch seine Partei gar keine Einwände gegen den EU- Vertrag, sagt der Christdemokrat Mikulaš Dzurinda. Der Streit um das neue Presserecht aber zwinge die Opposition dazu, zwei Dinge zu verbinden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Das politische Klima jedoch zwinge sie dazu, eine Art Notwehr gegen ein Gesetz, das die Demokratie im Land gefährde.

    " Der Lissabonvertrag ist nicht gefährdet - gefährdet ist das Niveau der Demokratie in der Slowakei. Wir haben nicht den Vertrag abgelehnt, sondern wir haben uns nur aufgelehnt gegen Arroganz und den steigenden Druck."

    Das neue Presserecht sieht vor, dass jeder, der sich in seiner Ehre, Würde oder Privatsphäre verletzt fühlt, das Recht hat, Gegendarstellungen in den Medien verlangen kann, vollkommen unabhängig davon, ob es der Wahrheit entspricht oder nicht. Dieses Recht gilt nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Firmen und Institutionen, Ministerien zum Beispiel. Ivan Štulajter, Kommentar von Sme, der größten Tageszeitung der Slowakei, weiß, dass das Verhältnis von Premier Fico zu den Medien seit langem gestört ist. Er sieht mit dem neuen Gesetz seine eigene Arbeit gefährdet.

    "Das bedeutet, dass wir eingeschränkt werden durch die Gefahr, dass jemand dieses Recht missbraucht. Die Titelseiten der Zeitung könnte er dadurch in Beschlag nehmen, dass er Druck macht und darauf besteht, dass die Erwiderungen auch dort veröffentlicht werden. Aber er selbst ist bei seiner Erwiderung durch nichts beschränkt. "

    Erwiderungen müssen dort gedruckt werden, wo die Behauptung ursprünglich stand- unter Umständen auch auf der Titelseite. So etwas gibt es in Deutschland auch- nur sind die Bestimmungen im deutschen Presserecht deutlich restriktiver. Einem Missbrauch sind enge Grenzen gesetzt. Hinzu kommt: Das slowakische Gesetz sieht Geldstrafen für Medien vor, die "sozial unannehmbares Verhalten" rechtfertigen. Was "sozial unannehmbar" ist, sollen nicht Richter entscheiden, sondern der Kultusminister. Nicht verwunderlich, sagt der Journalist Ivan Štulajter, dass dieses Gesetz gerade jetzt komme.

    "Dass das Gesetz gerade jetzt kommt, zu einer Zeit und in einem Klima, wo der Regierungschef die Medien beschuldigt, sie seien eine politische Opposition, denke ich, es ist kein Zufall, es ist Absicht."

    Welcher Geist derzeit in Bratislava herrscht, macht eine Aussage des slowakischen Präsidenten Gašparovič deutlich. Wenn die Zeitungen immer nur schlecht über die Regierung berichteten, sollte die Regierung doch besser eigene Medien besitzen, so der frühere Kommunist. Tatsächlich: Ein uferloses Recht auf Gegendarstellung käme der Regierung Fico sehr gelegen, um die Presse an die Zügel zu nehmen, sagen Beobachter. Und auch der Medienbeauftragte der OSZE hat schon gegen das Gesetz protestiert. Es sei unvereinbar mit der Verpflichtung der Slowakei, die Pressefreiheit zu schützen, das slowakische Parlament solle es ablehnen.

    Am Donnerstag steht der EU- Vertrag jedenfalls wieder auf der Tagesordnung des Parlaments. Die Opposition bleibt aber bisher bei ihrem Nein, denn: Regierungschef Fico hat gerade wieder bekräftigt, dass er beim Pressegesetz keine Zugeständnisse machen werde.