Es kann ein Fluch sein, einen berühmten Schwiegervater und auch noch einen begabten Schüler zu haben. Dem tschechischen Komponisten Josef Suk ist dieses Schicksal widerfahren, und nicht selten wurde und wird er bis heute definiert durch die Beziehung zu den beiden Größen in seiner unmittelbaren Umgebung. Josef Suk - der Schwiegersohn von Antonín Dvořák. Josef Suk - der Lehrer von Bohuslav Martinů. Mit seiner eigenen Leistung als Komponist und Geiger ist Josef Suk immer wieder durch das Raster der Musikgeschichtsschreibung gefallen.
Zum Glück ändert sich das in jüngster Zeit: Suks Name taucht vermehrt auf Konzertprogrammen auf, seine Werke werden immer häufiger auf CD eingespielt. Das Label cpo hat sich da in ganz besonderem Maße verdient macht. Auch mit der jüngsten Neuerscheinung, die ich Ihnen heute Morgen vorstellen möchte: Das Atos Trio aus Deutschland spielt Kammermusik von Josef Suk.
Josef Suk: Trio für Klavier, Violine und Violoncello c-moll, op. 2
III. Vivace
Josef Suk verstand sich darauf, aus knappen Einfällen effektvolle Resultate zu zaubern. Nach dem Motto: wenig Material, große Wirkung. Ein Meister der Begrenzung und zugleich ein Meister der Steigerung war er - seinem Lehrmeister Antonín Dvořák darin nicht unähnlich.
Schmissige Melodien mit pointierten Rhythmen, nicht originär aus der Volksmusik, aber ihr doch in gewisser Weise entlehnt - das war die Erfolgsformel des jungen Suk, der 1874 in eine musikalische Familie hineingeboren worden war und besonders vom Vater gefördert wurde. Der wollte seinen begabten Sohn am Prager Konservatorium unterbringen fürs Geigen- und Kompositionsstudium, bereitete ihn selbst auf die Aufnahmeprüfung vor. Unter der Ägide von Professor Antonín Dvořák unternahm Suk dann seine ersten kammermusikalischen Kompositionsschritte.
Opus 1, 2 und 3 - ein Klavierquartett, ein Klaviertrio und eine Ballade nebst Serenade für Cello und Klavier - diese frühen Kammermusikwerke aus den 1890er-Jahren bilden den Grundstock der neuen CD des Atos Trios. Es sind kompakte Werke mit Ohrwurmpotenzial. Sie besitzen keine Längen, vielmehr perfekte Proportionen. Ihre melodische Kraft ist enorm - etwa im langsamen Satz des a-moll-Quartetts.
Josef Suk: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello
a-moll, op. 1, II. Adagio
Um auf seiner neuen CD die Vielfalt der Sukschen Kammermusik vorstellen zu können, hielt das Atos Trio nicht stur an seiner eigentlichen Besetzung fest. Die drei Musiker - die Geigerin Annette von Hehn, der Cellist Stefan Heinemeyer und der Pianist Thomas Hoppe - sie zeigten sich flexibel, indem sie ihre Stammbesetzung reduzierten beziehungsweise erweiterten. Somit finden sich gleich vier Besetzungsvarianten auf der neuen Atos-CD: vom Duo für Cello beziehungsweise Geige und Klavier über das Klaviertrio bis hin zum Klavierquartett - wie gerade gehört. Für Letzteres holten sich die Atos-Musiker Unterstützung durch den Bratscher Martin von der Nahmer, dem schon mit Mitte 20 das Vorspiel bei den Berliner Philharmonikern glückte.
Auch die drei Atos-Musiker können beachtliche Erfolge vorweisen: gemeinsam als Trio, aber auch jeder einzeln für sich. Die Geigerin Annette von Hehn, eine gebürtige Kielerin, studierte an der renommierten Juilliard School in New York und war anschließend Stipendiatin der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker. Während ihres USA-Aufenthaltes lernte sie 1998 den deutschen Pianisten Thomas Hoppe kennen, der sich auf Lied- und Instrumentalbegleitung spezialisierte und unter anderem mit Itzhak Perlman zusammenarbeitete.
Hehn und Hoppe - die beiden spielten häufig Duo, hegten jedoch den Wunsch, durch einen gleichgesinnten Cellisten ihre Formation zum Klaviertrio aufstocken zu können. Freunde legten ihnen Stefan Heinemeyer ans Herz, und schon bei der ersten Testprobe sprang der sprichwörtliche Funke über. Im Jahr 2003 war das, und seitdem verzeichnet das Atos Trio einen Erfolg nach dem anderen: beim Deutschen Musikwettbewerb, dem Kammermusikwettbewerb im australischen Melbourne, dem Klaviertrio-Wettbewerb im US-amerikanischen Detroit und jüngst - für die Saison 2010/2011 - mit der Aufnahme ins New Generation Artists-Programm der BBC.
Hoppe, von Hehn und Heinemeyer reisen zu Konzerten um den ganzen Globus - stets im Dienste des Klaviertrio-Repertoires, das sie besonders schätzen. Die neue CD mit Kompositionen von Josef Suk ist bereits ihre vierte Veröffentlichung. Auf die wohlbekannten Standards haben sie sich dabei nicht beschränkt: So findet sich in ihrer Diskografie auch Trio-Literatur von dem Amerikaner Leon Kirchner, von dem Brahms-Freund Heinrich von Herzogenberg und jetzt eben auch von dem tschechischen Spätromantiker Josef Suk, der sich für sein Trio, Opus 2, von südamerikanischen Rhythmen inspirieren ließ.
Josef Suk: Trio für Klavier, Violine und Violoncello c-moll, op. 2
II. Andante
Wollte man die frühe Kammermusik von Josef Suk als Gute-Laune-Musik abtun, man täte ihr Unrecht. Mitreißend ist sie, wirkungsvoll und betörend - und das schon beim ersten Hören. Beschäftigt man sich aber intensiver mit ihr, dann entdeckt man nicht fortlaufend Neues.
Weitaus komplexer sind Suks spätere Werke. An erster Stelle muss da seine Sinfonie "Asrael" genannt werden, entstanden 1905 in tiefer Trauer um den geschätzten Schwiegervater und die geliebte Ehefrau, die kurz nacheinander gestorben waren. Ein gewaltiges Werk, meilenweit entfernt von der Leichtigkeit früherer Kompositionen.
Fünf Jahre zuvor hatte der Geiger Suk - Mitglied im berühmten "Böhmischen Streichquartett" - seine vier Stücke für Violine und Klavier komponiert. Erstaunlich wenig hat er für sein eigenes Instrument geschrieben, möchte man bedauern, wenn man die vier Stücke, Opus 17, hört. Sie weisen den Weg zu Suks tiefgründigem Spätstil. Jedes für sich besitzt einen ganz eigenen Charakter, gemein ist ihnen eine gewisse Doppelbödigkeit, ausgelöst durch harmonische Wendungen, die geheimnisvolle, undurchsichtige Stimmungen heraufbeschwören.
Josef Suk: Vier Stücke für Violine und Klavier, op. 17
I. Quasi Ballata
Auch beim stärksten musikalischen Gefühlsausbruch bleibt die Geigerin Annette von Hehn kontrolliert - vielleicht ein bisschen zu kontrolliert, zu kühl. Wenn sie jedoch mit ihren beiden Triopartnern spielt, ergibt sich eine perfekte Mischung der Musikertemperamente. Ein gutes Zeichen dafür, dass die Atos-Musiker zum Triospiel bestimmt sind. Schließlich ist es eine heikle Konstellation, die nicht immer von Erfolg gekrönt ist - doch beim Atos Trio ist von Instabilität, von Unausgewogenheit keine Spur. Ihre neue CD besitzt die Präzision einer Studioproduktion und gleichzeitig die Energie, den Esprit eines Livekonzertes.
Josef Suk: Josef Suk: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello a-moll, op. 1, I. Allegro appassionato
Kammermusik von Josef Suk auf der neuen CD des Atos Trios und des Bratschisten Martin von der Nahmer. Sie ist bei dem Label cpo erschienen, eine Co-Produktion mit Deutschlandradio Kultur.
Mit Dank fürs Zuhören verabschiedet sich am Mikrofon: Maja Ellmenreich.
Zum Glück ändert sich das in jüngster Zeit: Suks Name taucht vermehrt auf Konzertprogrammen auf, seine Werke werden immer häufiger auf CD eingespielt. Das Label cpo hat sich da in ganz besonderem Maße verdient macht. Auch mit der jüngsten Neuerscheinung, die ich Ihnen heute Morgen vorstellen möchte: Das Atos Trio aus Deutschland spielt Kammermusik von Josef Suk.
Josef Suk: Trio für Klavier, Violine und Violoncello c-moll, op. 2
III. Vivace
Josef Suk verstand sich darauf, aus knappen Einfällen effektvolle Resultate zu zaubern. Nach dem Motto: wenig Material, große Wirkung. Ein Meister der Begrenzung und zugleich ein Meister der Steigerung war er - seinem Lehrmeister Antonín Dvořák darin nicht unähnlich.
Schmissige Melodien mit pointierten Rhythmen, nicht originär aus der Volksmusik, aber ihr doch in gewisser Weise entlehnt - das war die Erfolgsformel des jungen Suk, der 1874 in eine musikalische Familie hineingeboren worden war und besonders vom Vater gefördert wurde. Der wollte seinen begabten Sohn am Prager Konservatorium unterbringen fürs Geigen- und Kompositionsstudium, bereitete ihn selbst auf die Aufnahmeprüfung vor. Unter der Ägide von Professor Antonín Dvořák unternahm Suk dann seine ersten kammermusikalischen Kompositionsschritte.
Opus 1, 2 und 3 - ein Klavierquartett, ein Klaviertrio und eine Ballade nebst Serenade für Cello und Klavier - diese frühen Kammermusikwerke aus den 1890er-Jahren bilden den Grundstock der neuen CD des Atos Trios. Es sind kompakte Werke mit Ohrwurmpotenzial. Sie besitzen keine Längen, vielmehr perfekte Proportionen. Ihre melodische Kraft ist enorm - etwa im langsamen Satz des a-moll-Quartetts.
Josef Suk: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello
a-moll, op. 1, II. Adagio
Um auf seiner neuen CD die Vielfalt der Sukschen Kammermusik vorstellen zu können, hielt das Atos Trio nicht stur an seiner eigentlichen Besetzung fest. Die drei Musiker - die Geigerin Annette von Hehn, der Cellist Stefan Heinemeyer und der Pianist Thomas Hoppe - sie zeigten sich flexibel, indem sie ihre Stammbesetzung reduzierten beziehungsweise erweiterten. Somit finden sich gleich vier Besetzungsvarianten auf der neuen Atos-CD: vom Duo für Cello beziehungsweise Geige und Klavier über das Klaviertrio bis hin zum Klavierquartett - wie gerade gehört. Für Letzteres holten sich die Atos-Musiker Unterstützung durch den Bratscher Martin von der Nahmer, dem schon mit Mitte 20 das Vorspiel bei den Berliner Philharmonikern glückte.
Auch die drei Atos-Musiker können beachtliche Erfolge vorweisen: gemeinsam als Trio, aber auch jeder einzeln für sich. Die Geigerin Annette von Hehn, eine gebürtige Kielerin, studierte an der renommierten Juilliard School in New York und war anschließend Stipendiatin der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker. Während ihres USA-Aufenthaltes lernte sie 1998 den deutschen Pianisten Thomas Hoppe kennen, der sich auf Lied- und Instrumentalbegleitung spezialisierte und unter anderem mit Itzhak Perlman zusammenarbeitete.
Hehn und Hoppe - die beiden spielten häufig Duo, hegten jedoch den Wunsch, durch einen gleichgesinnten Cellisten ihre Formation zum Klaviertrio aufstocken zu können. Freunde legten ihnen Stefan Heinemeyer ans Herz, und schon bei der ersten Testprobe sprang der sprichwörtliche Funke über. Im Jahr 2003 war das, und seitdem verzeichnet das Atos Trio einen Erfolg nach dem anderen: beim Deutschen Musikwettbewerb, dem Kammermusikwettbewerb im australischen Melbourne, dem Klaviertrio-Wettbewerb im US-amerikanischen Detroit und jüngst - für die Saison 2010/2011 - mit der Aufnahme ins New Generation Artists-Programm der BBC.
Hoppe, von Hehn und Heinemeyer reisen zu Konzerten um den ganzen Globus - stets im Dienste des Klaviertrio-Repertoires, das sie besonders schätzen. Die neue CD mit Kompositionen von Josef Suk ist bereits ihre vierte Veröffentlichung. Auf die wohlbekannten Standards haben sie sich dabei nicht beschränkt: So findet sich in ihrer Diskografie auch Trio-Literatur von dem Amerikaner Leon Kirchner, von dem Brahms-Freund Heinrich von Herzogenberg und jetzt eben auch von dem tschechischen Spätromantiker Josef Suk, der sich für sein Trio, Opus 2, von südamerikanischen Rhythmen inspirieren ließ.
Josef Suk: Trio für Klavier, Violine und Violoncello c-moll, op. 2
II. Andante
Wollte man die frühe Kammermusik von Josef Suk als Gute-Laune-Musik abtun, man täte ihr Unrecht. Mitreißend ist sie, wirkungsvoll und betörend - und das schon beim ersten Hören. Beschäftigt man sich aber intensiver mit ihr, dann entdeckt man nicht fortlaufend Neues.
Weitaus komplexer sind Suks spätere Werke. An erster Stelle muss da seine Sinfonie "Asrael" genannt werden, entstanden 1905 in tiefer Trauer um den geschätzten Schwiegervater und die geliebte Ehefrau, die kurz nacheinander gestorben waren. Ein gewaltiges Werk, meilenweit entfernt von der Leichtigkeit früherer Kompositionen.
Fünf Jahre zuvor hatte der Geiger Suk - Mitglied im berühmten "Böhmischen Streichquartett" - seine vier Stücke für Violine und Klavier komponiert. Erstaunlich wenig hat er für sein eigenes Instrument geschrieben, möchte man bedauern, wenn man die vier Stücke, Opus 17, hört. Sie weisen den Weg zu Suks tiefgründigem Spätstil. Jedes für sich besitzt einen ganz eigenen Charakter, gemein ist ihnen eine gewisse Doppelbödigkeit, ausgelöst durch harmonische Wendungen, die geheimnisvolle, undurchsichtige Stimmungen heraufbeschwören.
Josef Suk: Vier Stücke für Violine und Klavier, op. 17
I. Quasi Ballata
Auch beim stärksten musikalischen Gefühlsausbruch bleibt die Geigerin Annette von Hehn kontrolliert - vielleicht ein bisschen zu kontrolliert, zu kühl. Wenn sie jedoch mit ihren beiden Triopartnern spielt, ergibt sich eine perfekte Mischung der Musikertemperamente. Ein gutes Zeichen dafür, dass die Atos-Musiker zum Triospiel bestimmt sind. Schließlich ist es eine heikle Konstellation, die nicht immer von Erfolg gekrönt ist - doch beim Atos Trio ist von Instabilität, von Unausgewogenheit keine Spur. Ihre neue CD besitzt die Präzision einer Studioproduktion und gleichzeitig die Energie, den Esprit eines Livekonzertes.
Josef Suk: Josef Suk: Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello a-moll, op. 1, I. Allegro appassionato
Kammermusik von Josef Suk auf der neuen CD des Atos Trios und des Bratschisten Martin von der Nahmer. Sie ist bei dem Label cpo erschienen, eine Co-Produktion mit Deutschlandradio Kultur.
Mit Dank fürs Zuhören verabschiedet sich am Mikrofon: Maja Ellmenreich.