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Der Fall Froome
Eine Belastung für den Radsport

Er ist beim Saisonstart in Australien gar nicht dabei und trotzdem Thema Nummer eins: Chris Froome und sein positiver Dopingtest auf Salbutamol. Ein Thema, das dem Radsport alles andere als guttut.

Von Holger Gerska | 14.01.2018
    Radprofi Chris Froome während der Vuelta
    Radprofi Chris Froome während der Vuelta (imago sportfotodienst)
    Ganz hinten hatten sie sich einsortiert, die Profis vom Team Sky. Als das Fahrerlager des traditionellen Saison-Auftaktrennens in Adelaide schon fast zu Ende war - kam noch Sky. Ziemlich versteckt. Ob Zufall oder Absicht, es passt so gar nicht zum üblichen selbstbewußten Auftritt der Briten. Des stolzen Tour-de-France-Siegerteams. Christopher Froome selbst macht in diesem Jahr - im Gegensatz zum letzten - eh einen Bogen um Australien, will erst später in die Saison einsteigen. Der deutsche Sprinter André Greipel dagegen ist nach drei Jahren Pause wieder dabei bei der Tour Down Under. Und über den Fall Froome ziemlich entsetzt:
    "Jeder kann sich sein eigenes Bild darüber machen. Das ist irgendwo ein Unding, dass er vom Team auch noch nicht suspendiert wurde. Ich bin sowieso ein Verfechter für den sauberen Sport. Deshalb kann ich das auf jeden Fall nicht gutheißen."
    Kopfschütteln über den Fall Froome
    Nur die Fahrer sind ganz weit weg von der Entscheidung dieses kniffligen Falls. Informationen gibt’s nur aus den Medien, auch für André Greipel: "Das ist halt ein Prestige-Fall. Wir können sagen, was wir wollen. Am Ende werden wir sowieso nicht angehört, damit sind andere Leute beschäftigt."
    Zweiter ist André Greipel im ersten Rennen der Saison geworden. Gewonnen hat der Weltmeister Peter Sagan aus der Slowakei. Dessen Sportchef Steffen Radochla aus der deutschen Bora-Mannschaft reagiert kopfschüttelnd auf den Fall Froome. Fast sinnbildlich steht Bora ganz am anderen Ende des Fahrerlagers. Steffen Radochla will sich nicht weiter äußern, aber auf sportlicher Ebene mit dem Team Sky und seinen sportlichen Leitern ganz normal umgehen:
    "Ja, also was soll ich machen? Da sind Leute dran, die haben viel mehr Einblick. Die müssen Entscheidungen treffen und ich akzeptiere das. Die zerbrechen sich alle ihre Köpfe. Da muss ich kein Statement abgeben."
    Froome fährt weiter Rennen
    Diskutiert wird vor allem, dass Christopher Froome bis zur Klärung des Falles weiter Rennen fahren darf. Das entspricht zwar den Regularien der Welt-Anti-Doping-Agentur und des Weltradsportverbandes, nicht aber dem Selbstverständnis der Teams aus der Bewegung für glaubwürdigen Radsport. Sky ist nicht Mitglied in diesem Kreis. Seit Mitte September ist der Fall bekannt. Fünf Monate haben nicht gereicht, um auch nur ansatzweise eine Anklage zu formulieren oder - was die Gegenseite betrifft - Entlastungsmaterial vorzulegen.
    Zu vermuten ist, dass Christopher Froome sowohl den Giro d’Italia im Mai als auch die Tour de France im Juli unter Vorbehalt bestreiten darf. Nicht wenige Profis vermuten, dass hinter den Kulissen nicht über die Schuldfrage gestritten, sondern eine für Sky annehmbare Lösung gesucht wird. Auch wenn das wenige hier in Australien so deutlich sagen wie Robert Wagner aus der niederländischen Lotto-Mannschaft:
    "Er muss halt seine Unschuld beweisen. Wenn er das nicht kann, gehört er gesperrt. So wie jeder andere Sportler auf der Welt auch, der einen positiven Test hat. Das ist es."
    Marcel Kittel glaubt nicht an vorsätzliches Salbutamol-Doping
    So ähnlich sieht das auch der weltbeste Sprinter Marcel Kittel. Er war in der Winterpause gemeinsam mit Christopher Froome zu einem Show-Rennen in Japan. Und hinterher verblüfft, dass der Brite trotz des positiven Tests so relaxt wirkte. Als hätte es diesen Test nie gegeben.
    Marcel Kittel glaubt nicht an vorsätzliches Salbutamol-Doping. So dumm seien weder Froome noch Sky. Er hält es auch für möglich, dass Froome unschuldig ist und erwartet, "dass man auch anerkennt, dass Chris Froome im Moment die Chance hat, sich doch noch zu erklären. Und dass er das letzten Ende auch ausführlich, ausreichend und gut macht. Dass man dann auch am Ausgang des Verfahrens, der hoffentlich auch bald klar ist, sieht, wie der Sport dazu steht und wie man damit umgehen muss."
    Momentan belastet der Fall den Radsport. Hier in Australien, aber auch daheim. Wo die wiederbelebte Deutschland-Tour schon wieder ein Image-Problem bekommen könnte. Schon jetzt fällt es den Organisatoren schwer, überhaupt Etappenorte zu finden. Es gibt immer noch keinen Plan für das Comeback. Immer und immer wieder wird die Vorstellung der einzelnen Zielorte verschoben. Von der Sponsorensuche ganz zu schweigen.
    Nicht gut für den Radsport
    Die deutschen Radprofis wie Nikias Arndt aus dem deutschen Sunweb-Team hoffen, dass das zarte Pflänzchen Radsport-Renaissance nicht schon wieder mit Füßen getreten wird: "Klar, jeder hätte sich gewünscht, dass so ein Fall nicht passiert wäre. Ich hoffe, dass wir in den letzten Jahren und Monaten auch mit der Tour letztes Jahr in Düsseldorf in Deutschland genug getan haben, um die Freude am Radsport wieder aufleben zu lassen. Und ich hoffe, dass das auch für ein bisschen länger anhält."
    PR-Arbeit in eigener Sache. Betreibt irgendwie auch die Mannschaft Sky hier in Australien. Fragen zum Fall Froome sind nicht erwünscht, seit sich Teamkollege Geraint Thomas mit hausinterner Kritik neulich arg weit aus dem Fenster gelehnt hat. An die internationalen Journalisten wurden stattdessen in den letzten Tagen hausgemachte Interviews mit den Tour-Down-Under-Startern verschickt. Seitenlang, mehrsprachig - aber keine Silbe zum Thema Nummer eins. Sky war mal angetreten als Leuchtturm für Transparenz und Null Toleranz. Momentan tun sie exakt das Gegenteil. Ein guter Grund für die Briten, sich mal ganz hinten zu verstecken.