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Der Fall Mannesmann oder Zusatzrenten für Vorstandswitwen

1. Der Fall Mannesmann

Eine Sendung von Volker Wagener und Klaus Hempel | 23.06.2004
    Der Düsseldorfer Mannesmann-Prozess gilt als spektakulärstes Strafverfahren der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Das sei keineswegs übertrieben, meint Michael Adams. Er ist Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg.

    Seit Bestehen der Bundesrepublik hat es solch einen Prozess noch nicht gegeben. Juristisch ist die Sache insofern spannend, weil wir ziemlich ratlos davor stehen, was wir mit solchen Dimensionen an Gehältern eigentlich tun sollen.

    57 Millionen Euro wurden nach der Übernahme des Mannesmann-Konzerns durch den britischen Mobilfunkkonzern Vodafone an aktive und ehemalige Vorstände sowie deren Hinterbliebene ausgeschüttet. Nach dem Aktiengesetz müssen Vergütungen "angemessen" sein. Mehr sagt das Gesetz nicht. Gerichtsurteile zu solchen Summen hat es bislang nicht gegeben. Deshalb ist auch Marcus Lutter, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bonn, etwas ratlos.

    Wir haben bei der Frage 'Angemessenheit der Vergütung’ null. Wir haben nicht einen einzigen Fall, der uns helfen könnte.

    Professor Ulrich Preis, Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrechts an der Universität Köln, kann sich ebenfalls an keinen Fall erinnern, bei dem sich ein deutsches Gericht schon einmal mit solch hohen Vergütungen beschäftigt hat.

    Es geht in diesem Prozess überhaupt das erste Mal darum, Grenzen von Vergütungen von Vorstandsmitgliedern zu bestimmen, Grenzen, die bislang nie eine Rolle spielten, jedenfalls nicht nach oben.

    Auch Thomas Rönnau, Professor für Wirtschaftsstrafrecht an der Bucerius Law School Hamburg, findet den Mannesmann-Prozess außerordentlich spannend. Eben weil er so einzigartig ist.

    Wir hatten in der Vergangenheit schon eine Reihe größerer Wirtschaftsstrafverfahren, etwa die Parteispendenaffäre in den Achtzigern,, oder den Strafprozess gegen den Bauunternehmer Schneider in den Neunzigern, oder vor kurzem Anfang 2000 das Flowtex-Verfahren. Aber ein Verfahren dieser Dimension, wo derart prominente Angeklagte vor Gericht stehen, haben wir nach meiner Kenntnis noch nicht gehabt.

    2. Die Prozessbeteiligten

    Josef Ackermann ist unter den sechs Angeklagten derjenige, der am meisten zu verlieren hat. Der Chef der Deutschen Bank sitzt seit Mitte Januar zweimal pro Woche in Saal L 111 und hört zu. Meistens aber verbringt er seine Prozesstage mit Lektüre. Für den Schweizer ist die Anklage eine Ungeheuerlichkeit.

    Alle berühmten Politiker dieses Landes haben mir gesagt, das ist wirklich schlimm und lassen Sie sich nicht beeindrucken.

    Mit breitem Lächeln und Victory-Zeichen ging Ackermann am ersten Verhandlungstag auf seine Mitangeklagten zu. Ein medialer Paukenschlag, der daneben ging. Das sei vulgär und provozierend, lautete die Quittung in der veröffentlichten Meinung.

    Klaus Esser sucht die Rehabilitation in diesem Verfahren. Die Bild-Schlagzeile "60 Millionen und Tschüss" von vor vier Jahren will er nicht auf sich sitzen lassen.

    Für mich ist es eine schreckliche Geschichte, dass eine Staatsanwaltschaft die mit einem falschen Vorwurf versehentlich gestartet war, sich einfach bei uns daran festhalten kann zu sagen, wir haben uns in jemanden verbissen.

    Der letzte eigenständige Mannesmannchef wollte von Anfang an – im Gegensatz zu Josef Ackermann – den langen Prozess. Entsprechend detailgenau berichtete er dem Gericht über den Ablauf der spannenden Übernahmeschlacht 1999/2000. Fünfeinhalb Stunden lang!

    Ganz anders Klaus Zwickel. Die Körpersprache des einst mächtigen ersten IG-Metallers verrät gefasstes Beleidigtsein. Am Zustandekommen der Millionenabfindungen war er mit einer nicht ganz eindeutigen Enthaltung beteiligt, was ihn aber seinerzeit nicht daran gehindert hatte, kurz darauf eine im Ausdruck empörte Pressemitteilung der IG-Metall über die goldenen Handschläge verbreiten zu lassen. Letzteres hatte er schon zu Prozessbeginn als Fehler eingeräumt. Dennoch: Er sieht sich als Opfer.

    Es geht offensichtlich nicht mehr um die als Skandal empfundene Höhe der Bonuszahlungen, sondern offensichtlich um die Befriedigung eines Jagdfiebers einiger ganz offensichtlich selbst ernannter Moralisten.

    Dietmar Droste, bei Mannesmann zuständig für Vertragswesen des Führungspersonals und der Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat, Jürgen Ladberg, sind nur Nebendarsteller des Prozesses. Joachim Funk, Essers Vorgänger, gilt als "Erfinder" der Einmalpensionen, die an zahlreiche Spitzenmanager Mannesmanns vor dem Übergang an Vodafone überwiesen worden waren. Er ist auch derjenige, der bei seiner eigenen Abfindung den Finger gehoben hatte.

    Aus der Riege der insgesamt zwölf Verteidiger ragen Eberhard Kempf und Sven Thomas deutlich heraus. Letzterer verteidigt Klaus Esser sowohl stimmlich als auch in der Rhetorik mitunter etwas prätentiös. Eberhard Kempf hingegen brilliert als sprachlicher Feinschmecker, der mit ruhiger Stimme und gedrosseltem schwäbischen Akzent die Sache seines Klienten Josef Ackermann vertritt.

    Befürchtungen, die in Wirtschaftsstrafsachen unerfahrene Richterin Brigitte Koppenhöfer sei dem Staraufgebot der Verteidiger nicht gewachsen, verstummten schon am Ende des ersten Verhandlungstages. Ruhig und souverän hält sie die Zügel seit nunmehr 33 Verhandlungstagen in den Händen.

    Ganz anders das Erscheinungsbild der Staatsanwaltschaft. Johannes Puls und seine Kollegen haben bislang den Vorwurf der Untreue nicht erhärten können. Oft scheinen sie sich zu verzetteln, allein schon die Präsentation wirkt unglücklich.

    3. Die Anklage

    Es geht um den Vorwurf der schweren Untreue, die mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Unbestritten ist, dass Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser, vier weitere Vorstände sowie der ehemalige Aufsichtsratschef Joachim Funk so genannte "Anerkennungsprämien" in Höhe von 24,5 Millionen Euro kassiert haben. Klaus Esser hatte - neben einer Abfindung in Höhe von 15 Millionen Euro - eine Prämie in Höhe von 16 Millionen Euro bekommen. Außerdem wurden pensionierte Vorstandsmitglieder sowie deren Hinterbliebene mit 32,5 Millionen Euro abgefunden. Bernd Schünemann, Professor für Strafrecht an der Universität München, fasst zusammen, was die Staatsanwälte den Angeklagten vorwerfen.

    Es geht um das Thema, dass die Angeklagten in dem Moment, als es sich abzeichnete, dass Mannesmann von Vodafone geschluckt wird – wenn ich das so volkstümlich ausdrücken darf – dass sie da einfach das Geld zum Fenster rausgeworfen haben, um den alten Managern den Abgang zu vergolden, ohne dass dafür ein im Interesse von Mannesmann liegender Grund vorhanden war.

    Klaus Esser und der ehemalige Personalvorstand von Mannesmann, Dietmar Droste, sollen die angeklagten Aufsichtsräte unterstützt und Beihilfe zur schweren Untreue begangen haben.
    Ins Rollen gebracht hatte den Prozess der Wirtschaftsanwalt Professor Mark Binz aus Stuttgart. Er hatte bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt.

    Soweit wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kennen, ist es wohl so gewesen, dass Beschlüsse rückwirkend verfälscht wurden, man hat rückwirkend Unterschriften eingefügt. Und wenn all dies stimmt, dann ist es wohl in der Tat so, dass kein ordnungsgemäß zustande gekommener Aufsichtsratsbeschluss vorliegt.

    Besonders pikant ist der Fall des ehemaligen Mannesmann-Aufsichtsratschefs Joachim Funk. Auch Funk wollte eine Anerkennungsprämie von 4,5 Millionen Euro haben - und stimmte über seine eigene Prämie mit ab. Ein Rechtsverstoß, wie er deutlicher nicht sein könnte, meint der Arbeitsrechtler Ulrich Preis.

    Dass man hier übersehen hat, dass derjenige, der den Aufsichtsratsvorsitz hat, sich nicht selbst eine Prämie beschließen kann, ist natürlich schon ein dickes Ding.

    Mannesmann-Aufsichtsratschef Funk bekam später, nach einem neuen Beschluss, eine Prämie von 3 Millionen Euro. Diesmal – so die offizielle Begründung – "für seine Verdienste als ehemaliger Vorstandsvorsitzender".

    4. Der Prozessverlauf

    Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, scheute Richterin Brigitte Koppenhöfer keine Mühen. Weil Canning Fok, der chinesische Topmanager mit britischem Pass, als Zeuge nicht nach Düsseldorf kommen wollte, kam das Gericht zu ihm nach Hongkong – zumindest technisch. Per Video-Liveschaltung wurde der Geschäftsführer von Hutschison Whampoa vernommen. Der chinesische Konzern hatte einen Anteil an Mannesmann von zehn Prozent. Die Kurssteigerungen des Düsseldorfer Mobilfunkers beobachtete Fok in den entscheidenden Tagen mit Freude. Er war es, der die Anerkennungsprämie für Esser ins Spiel brachte. Zehn Millionen britische Pfund seien für Essers "unglaublichen Kampf das Mindeste" gewesen, sagte Fok wörtlich in die Übertragungskamera im Deutschen Generalkonsulat in Hongkong. Das Gericht interessierte die Frage: War die Prämie an Esser ein Anreiz zur Kapitulation?

    Immerhin hatte die Mannesmann-Aktie bis dahin eine Wertsteigerung erreicht, die dem chinesischen Teilhaber schließlich einen Gewinn von rund acht Milliarden Euro bescheren sollte. – Doch Fok stärkte Esser den Rücken. Die entscheidende Zeitschiene spannte sich vom 31. Januar bis 4. Februar 2000. Am letzten Januartag schlug sich der französische Mobilfunker Vivendi auf die britische Seite zu Vodafone. Damit waren, so Canning Fok, die Würfel gegen Mannesmann gefallen. Klaus Esser hatte monatelang um die Franzosen geworben. Mit ihnen zusammen wäre Vodafone machtlos gegenüber den Düsseldorfern gewesen. Zwei Tage später, am 2. Februar, brachte Fok das Thema Anerkennungsprämien auf die Tagesordnung, - nach der tatsächlichen Niederlage also, so Fok.

    Auch die Vernehmung des prominentesten Zeugen, Sir Christopher Gent, des früheren Vodafonechefs, entlastete Klaus Esser. Schon zuvor zeigte sich Esser optimistisch.

    Es besteht meinerseits professionelle Hochachtung. Ich bin mir sicher, dass Herr Gent die Wahrheit sagt und das reicht dann zur Entlastung.

    Die Übernahme sei letztlich vom Markt bestimmt worden, resümierte Gent. Esser habe durch seinen langen Widerstand den Aktionären einen immensen Reichtum beschert. Nie habe man über Prämien vor dem tatsächlichen Ende der Übernahme gesprochen.

    Zuvor hatten mehrere Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ausgesagt. Zum Teil schwere Verletzungen des Aktienrechtes seien begangen worden, so der Tenor der Zeugen der Anklage. Als die 14. Wirtschafts-Strafkammer für den 31. März alle Verfahrensbeteiligten zu einem so genannten Rechtsgespräch hinter verschlossene Türen zusammen rief, neigte sich die Entwicklung des Prozesses schon erkennbar zu Gunsten der Angeklagten. Die juristische Zwischenbilanz war hingegen noch weit niederschmetternder für die Anklagevertreter. Strafrechtlich relevante Tatbestände wie Untreue – so wie in der Klageschrift den Angeklagten vorgehalten – konnten bis dahin nicht erhärtet werden. Lediglich das deutsche Aktienrecht sei verletzt worden, begründete Brigitte Koppenhöfer das Gerichtsfazit vor knapp drei Monaten. Nur Joachim Funk wurden gravierende Pflichtverletzungen attestiert. Aufs Ganze gesehen steuerten die Angeklagten ab diesem Datum auf Freisprüche zu. Klaus Esser war zufrieden.

    Ja, selbstverständlich, ich bin zufrieden. Das Vertrauen, das ich gehabt habe – ich nehme an dass das auch die anderen Angeklagten gehabt haben – dass wir vor Gericht eine faire Behandlung bekommen würden, hat sich bestätigt.

    Für die Anklage ein Schock. Mit neuen Beweisanträgen versuchten die Staatsanwälte dennoch ihre Untreue-Theorie zu untermauern. Doch das Gericht wies die Mehrzahl der Anträge Anfang Mai ab. Eine Vorentscheidung war gefallen. Gerichtssprecher Ulrich Thole:

    Wenn Beweisanträge abgelehnt werden von der Kammer, ist daraus immer ein gewisses Indiz darin zu sehen wo wir uns im Moment gerade befinden. Wir haben heute gehört, dass ein großer Teil der Beweisanträge abgelehnt worden ist, so dass daraus der Rückschluss gewonnen werden kann, dass die Meinungsbildung der Kammer abgeschlossen ist.

    Das Klima zwischen der Anklage und den Anwälten Essers und Ackermanns war schon vorher auf einem Tiefpunkt angelangt. Staatsanwalt Dirk Negenborn hatte Josef Ackermann vorgeworfen, bei der Hauptversammlung der Mannesmänner im Juni 2000 die Aktionäre über die Finanzierung der Millionensumme an die Führungsriege belogen zu haben. Gezahlt wurde letztlich aus der Mannesmannkasse. So deutlich soll das Ackermann damals nicht gesagt haben. Ackermanns Anwalt Kempf reagierte überraschend. Beim zuständigen nordrhein-westfälischen Justizminister legte er Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwälte ein.

    Wir haben es für richtig gehalten, dass wir Dienstaufsichtsbeschwerde führen, weil die Staatsanwälte erkennbar an den Gegenständen dieses Verfahrens vorbei nur noch auf die Person abzielen.

    Noch einmal versuchten Puls, Negenborn und Schroeter ihren Vorwurf zu untermauern, doch ihre Nachrecherche hatte nichts Stichhaltiges gegen Ackermann ergeben. Der Vorwurf, der Deutsche-Bankchef habe gelogen, wurde zurückgezogen. Die Verteidigung jubilierte: "Das ist eine komplette Niederlage der Staatsanwaltschaft!"

    5. Die Untreue, das Aktienrecht und der unvermeidbare Verbotsirrtum

    Die Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf muss zunächst die Frage klären, ob die Angeklagten gegen das Aktienrecht verstoßen haben. Die Meinungen der
    Rechtswissenschaftler gehen dabei weit auseinander. Das beginnt schon bei der Frage, ob es zulässig ist, einem Spitzenmanager nachträglich eine Millionenprämie zu zahlen, wenn klar ist, dass er sein Amt abgeben muss.
    Marcus Lutter, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bonn, hält nachträgliche Vergütungen wie im Falle Mannesmann für rechtswidrig.

    Der Aufsichtsrat ist nicht berechtigt, Geschenke zu verteilen. Zahlungen aus der Gesellschaftskasse müssen im Interesse der Gesellschaft liegen. Wenn ich also einen Vorstand habe, den ich behalten will, dann will ich ihn vielleicht motivieren, dass er besser arbeitet. Hier hat die Gesellschaft praktisch aufgehört zu existieren. Ein Interesse, nachträglich etwas zu zahlen, ist überhaupt nicht erkennbar.
    Rechtsanwalt Eberhard Kempf, der Verteidiger von Josef Ackermann, hatte dem Gericht ein Gutachten des Kölner Arbeitsrechtlers Ulrich Preis vorgelegt. Danach sind nachträgliche Zahlungen zulässig. Professor Preis verweist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

    Die Rechtsprechung sagt, es ist uns auch völlig gleichgültig, welchen Zweck der Arbeitgeber setzt mit diesen Zahlungen. Er kann Vergangenes vergüten, er kann die Betriebstreue vergüten, er kann eine Anreizfunktion setzen. Dass solche freiwilligen Zahlungen keine Schenkungen im Rechtssinne sind, ist eigentlich ziemlich klar.
    Entlastet werden die Angeklagten auch durch zwei Rechtsgutachten des Aktienrechtlers Theodor Baums, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Frankfurt, die der Vodafone-Konzern in Auftrag gegeben hat.
    Er verweist auf die besondere Leistung von Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser.

    Was Esser erreicht hat, ist erstens, dass es überhaupt zu einem attraktiven Angebot für die Aktionäre gekommen ist, und er hat natürlich auch eine Aktienkurssteigerung von 128 Prozent erreicht. Und das bedeutet letzten Endes in die Tasche der Aktionäre einen Milliardensegen.

    Michael Adams, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg, widerspricht seinem Kollegen Baums.

    Es ist ein leichtes, den Aktienkurs einer Gesellschaft zu steigern, wenn eine fremde Gesellschaft diese Aktien kaufen will. Dann steigen immer die Preise steil. Das kann jeder Orang-Utan leisten, das hat nichts mit irgendeiner wirtschaftlichen Leistung zu tun.

    Rechtsprofessor Theodor Baums ist dennoch der Meinung, dass die Prämien zulässig und angemessen waren. In den USA, so Baums, würden noch weitaus höhere Summen bezahlt.

    Die Realität bedeutet, dass wir uns auf einem Managermarkt bewegen, dass man also gucken muss, was wird in vergleichbaren Situationen bezahlt auf dem Markt.

    Rechtsprofessor Michael Adams hält einen Vergleich mit Spitzengehältern und Abfindungen in den USA für unzulässig.

    Das ist die 'American disease’, d.h. die amerikanische Krankheit. Wir haben es in den USA mit einer Lage zu tun, dass die Vorstände teilweise routinemäßig in der Woche 500.000 Dollar verdienen. Ich kann nicht meinen eigenen Diebstahl damit rechtfertigen, dass ich auf eine Räuberbande woanders hinweise.

    Die Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf hatte während des Rechtsgesprächs mit den Prozessbeteiligten folgende Rechtsmeinung durchblicken lassen: Alle Zahlungen verstießen gegen das Aktienrecht, dennoch hätten sich die Angeklagten nicht strafbar gemacht. Bei den Pensionsabfindungen fehle es am erforderlichen Vorsatz. Hinsichtlich der Prämie an Klaus Esser stützt sich die Strafkammer auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Der BGH hatte vor dreieinhalb Jahren den früheren baden-württembergischen Umweltminister Hermann Schaufler wegen Untreue verurteilt. Schaufler hatte in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat eines Unternehmens dem Fußballclub SSV Reutlingen eine hohe Spende zugeschanzt. Der BGH hatte damals entschieden: Eine Bestrafung wegen Untreue setze eine "gravierende" Pflichtverletzung voraus. Diese Schwelle, so das Düsseldorfer Landgericht, sei bei der Prämie an Klaus Esser nicht überschritten worden. Nach Ansicht von Bernd Schünemann, Strafrechtsprofessor an der Universität München, kann man den Spendenfall aber nicht auf den Fall Mannesmann übertragen. Er hält das BGH-Urteil sogar für ein Fehlurteil. Weil es zu einer Art "Klassenjustiz" führe.

    Wir haben tausende von Urteilen, wo nie eine gravierende Pflichtverletzung verlangt wurde. Der einfache Mensch wird immer schon bestraft, wenn er seine Pflichten verletzt. Aber als Vorstandsvorsitzender muss ich meine Pflichten 'gravierend’ verletzen. Ich halte das weder für in sich logisch haltbar noch für kriminalpolitisch, rechtspolitisch vertretbar, dass man hier noch einen zusätzlichen Sicherheitsgürtel einzieht, bevor ein Manager sich strafbar machen kann.

    Bei der Prämienzahlung an den ehemaligen Aufsichtsratschef Joachim Funk, so die Strafkammer, seien die Angeklagten einem "unvermeidbaren Verbotsirrtum" erlegen. Weil die Angeklagten bei einem Rechtsanwalt ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hätten, dass ihnen Unbedenklichkeit bescheinigte. Strafrechtsprofessor Thomas Rönnau von der Bucerius Law School Hamburg verweist auf die strengen Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an solche Rechtsgutachten stellt.

    Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich gesagt: Auskünfte, die erkennbar, vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Angeklagten lediglich eine Feigenblattfunktion erfüllen sollen, können den Täter nicht entlasten.

    Professor Bernd Schünemann sieht Anzeichen dafür, dass es sich um ein solches Gefälligkeitsgutachten gehandelt hat.

    Sie müssen bedenken: Die Rechtsprechung ist da sehr streng, aus einem Grund der Gleichbehandlung im Strafrecht. Der einfache Bürger hat ja kein Geld, sich beliebige Rechtsanwälte zu engagieren. Und deshalb: Wer das Geld hat, muss auf erstklassige Gutachten Wert legen. Und er darf sich nicht einen Persilschein einkaufen. Das wird und das muss geprüft werden.

    Prüfen wird das aller Voraussicht nach der Bundesgerichtshof. Denn die Staatanwälte haben bereits angekündigt, dass sie im Falle einer Niederlage Revision einlegen werden.