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Der Fall Sami A.
Innenminister Seehofer steht unter Erklärungsdruck

Seit 2007 gab es Versuche, den Ex-Leibwächter Osama bin Ladens nach Tunesien abzuschieben. Am 3. Mai versicherte Innenminister Seehofer, eine Abschiebung von Sami A. werde nur erfolgen, wenn dieser keine Folter zu befürchten habe. Abgeschoben wurde er am 13. Juli - ohne eine solche Zusage.

Von Stephan Detjen |
    Nach einer Sitzung des CSU Vorstandes und der CSU Landesgruppe verlässt Horst Seehofer am 2. Juli 2018 um 1 Uhr 50 nachts die Parteizentrale und gibt ein Interview
    Seehofer lagen offenbar Informationen über die Planungen der Bundespolizei vor. (imago / stock&people)
    Zuständig für die Abschiebung des sogenannten "Bin Laden Leibwächters" Sami A waren die Ausländerbehörde der Stadt Bochum und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Beide setzten sich über eine Aufforderung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen hinweg, die Abschiebung bis zu einer weiteren Klärung der Rechtslage auszusetzen.
    Doch im Fokus der Debatte über den ganzen Vorgang steht auch der Bundesinnenminister. Horst Seehofer selbst hatte kurz nach seinem Amtsantritt deutlich gemacht, dass er sich gerade dieses Falles auch höchstpersönlich annehmen wolle. Vor allem die "BILD"-Zeitung hatte ihn immer wieder als "Abschiebe-Irrsinn" skandalisiert:
    "Ich hab mich entschlossen, da selber sehr weiter dran zu bleiben an dem Fall, auch mich darum zu kümmern", erklärte Seehofer in einer Pressekonferenz am 3. Mai dieses Jahres, in der er seine Agenda als neuer Bundesinnenminister vorstellte.
    "Ich glaube seit 2007 läuft diese Angelegenheit, aber es gibt immer wieder Urteile dazwischen, auch Verbote der Abschiebung und trotzdem müssen wir versuchen, diese Spirale zu durchbrechen von ständigen Verfügungen und Gerichtsurteilen und wieder Verfügungen."
    Abschiebung ohne Zusicherung Tunesiens
    Seehofer erläuterte zugleich, es müsse gewährleistet werden, dass Sami A. bei einer Abschiebung nach Tunesien keine Folter drohe. Sein Ministerium sei darüber bereits mit den tunesischen Behörden im Gespräch. Man müsse da eine Zusage haben, das gehe nicht auf Zuruf, sagte Seehofer in der Pressekonferenz vom 3. Mai.
    Zweieinhalb Monate später nun muss sich der Bundesinnenminister neuen Fragen stellen, weil Sami A. eben ohne jene Zusicherung und entgegen einer richterlichen Anordnung nach Tunesien abgeschoben wurde. Es gibt Erklärungsbedarf. Auch weil die Sprecherin des Bundesinnenministeriums die Sache noch am Freitag als nordrhein-westfälische Angelegenheit dargestellt und Fragen der Einbeziehung des Bundesinnenministeriums nicht beantwortet hatte.
    "Zuerst erstmal die Entschuldigung, dass ich das am Freitag sozusagen noch nicht wusste und noch nicht sagen konnte", sagt Ministeriumssprecherin Annegret Korff am Mittag in der Bundespressekonferenz und räumt ein: "Ja, die Hausleitung wurde informiert."
    Innenminister war offenbar von der Bundespolizei informiert
    Von der "Hausleitung" ist zunächst nur abstrakt die Rede – das kann der Minister sein, das können aber auch einer oder mehrere von Seehofers acht Staatssekretären sein. Auf weitere Nachfrage stellt die Sprecherin dann aber auch klar:
    "Die Informationen über die Planungen der Bundespolizei und mit dem Hinweis darauf, dass da nicht sicher davon ausgegangen werden kann, lagen auch dem Minister vor."
    Seehofer wurde – so wird nun erklärt – von der Bundespolizei zwei Tage im Voraus darüber informiert, dass die Abschiebung von Sami A. für den 13. Juli geplant war. Tatsächlich wurde der Mann in den frühen Morgenstunden des vergangenen Freitags mit einem eigens angemieteten Charterflugzeug nach Tunesien ausgeflogen. Erst nach dem Start der Maschine wurde den zuständigen Behörden die Gerichtsentscheidung zugestellt, mit der die Abschiebung wegen der ungeklärten Menschenrechtslage in Tunesien untersagt wurde.
    "Grob rechtswidrig", befanden die Verwaltungsrichter und ordneten an, Sami A. nach Deutschland zurückzubringen. Inzwischen liegt der Fall dem Oberverwaltungsgericht zur Prüfung vor. Besser informiert als die Justiz dagegen waren am vergangenen Freitag Reporter der "Bild"-Zeitung, die bereits im Morgengrauen an der rechten Stelle waren, um die Abschiebung mit Fotografen minutiös zu dokumentieren. In Düsseldorf streitet die Landesregierung ab, den Abschiebeplan an das Boulevardblatt durchgestochen zu haben.