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Der Fall Sein Hla Oo (Myanmar)

Rangoon im Juli '94. Agenten der birmesischen Militärpolizei verhaften am Flughafen den Freund eines Parlamentsabgeordneten der Nationalen Liga für Demokratie, NLD. Er soll geplant haben, geheimes Propaganda-Material der Partei ins Ausland zu schaffen. Wenig später dringt die Militärpolizei in die Wohnung des Parlamentariers ein, konfisziert sämtliche Schriftstücke, die sie finden kann und nimmt den Abgeordneten fest. Sein Name: Sein Hla Oo. Sein Beruf: Journalist und Pressereferent der Nationalen Liga für Demokratie. Sein angebliches Verbrechen: Gefährdung der staatlichen Sicherheit durch Verbreitung regierungsfeindlicher Schriften .

Dorothea Jung | 03.06.2002
    Michael Baumann: Es gibt wie in allen Diktaturen - und Birma ist bislang eine der schlimmsten in der Welt - ganz viele Gummiparagraphen mit Staatssicherheit; wo alles, was der Regierung nicht passt, zu 'ner Verhaftung und zu 'ner Einschüchterung führen kann. Wenn immer man irgend etwas über Politik verbreitet, kann man dafür belangt werden und die Regierung hat das bislang rigoros so gehalten. Und es gibt eben immer wieder mutige Leute, die sich dagegen stemmen, und auch die Quittung dafür bekommen.

    Die Quittung wird ausgestellt von einem militärischen Sondergericht und ist so willkürlich, wie die das Regime selbst, weiß Michael Baumann, der sich seit Jahren in einem Verein für die Menschenrechte in Birma engagiert.

    Michael Baumann: Das sind Gerichte, wo die Angeklagten grundsätzlich weniger Rechte haben , Sie haben also keinen eigenen Verteidiger, und die Strafen, die gefällt werden, sind normalerweise auch höher als vor zivilen Gerichten.

    Im Fall des Publizisten Sein Hla OO lautet das Urteil: 7 Jahre Haft. Die so genannte regierungsfeindliche Schrift , die er verbreitet haben soll, ist ein Buch der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Darin ruft sie die birmesische Opposition auf, sich von der Angst zu befreien und für die Demokratie einzustehen.. Sein Hla Oo hatte das Buch ins Birmesische übersetzt und besagtem Freund mitgegeben, der es an eine Druckerei in Singapur lancieren sollte. Doch der Haftgrund ist nach Auffassung von Khin Maung Yin nur vorgeschoben. Die Junta wollte einen führenden Kopf der Opposition treffen, meint der in Berlin lebende Exil-Birmese. .

    Khin Maung Yin: Er ist ein sehr bekannter, prominenter Journalist; und - sagen wir - er gehört zur Spitze des Journalismus in Burma. Außerdem ist er politisch sehr engagiert; er ist gewählter Parlamentarier der Wahl von 1990. Er hat Artikel geschrieben, und darin kritisiert er die birmesische Regierung. Und diese Artikel wurden weitergegeben und wenn er irgendwie etwas schreibt; natürlich: Das hat Wirkung in der Bevölkerung!

    Sein Hla OO hatte an einer Universität in den Vereinigten Staaten Journalismus studiert und war nach seiner Ausbildung nach Birma zurückgekehrt. Mit spitzer Feder nutzte er zunächst die Nische der Filmkritik, um hintergründig die Zensur zu unterlaufen und die birmesische Diktatur an den Pranger zu stellen. Später las man in der Tageszeitung Botahtaung zwischen seinen Zeilen die Wahrheit über das Land. Über ethnische Konflikte, Zwangsarbeit, willkürliche Verhaftungen und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Sein Hla Oos Texte kursierten im Untergrund in Abschriften. Als Ende der 80er Jahre die Nationale Liga für Demokratie zur breiten Volksbewegung wird, engagiert sich der Journalist in der NLD, organisiert die Pressearbeit der Partei und wird 1990 bei den Wahlen, zum Abgeordneten gewählt. .

    Michael Baumann: Eine einmalige Situation in der Welt, wo ein Parlament gewählt wurde, und die Machthaber hinterher gesagt haben, wir erkennen das nicht an; und ein großer Teil der Parlamentarier ist damals ins Ausland geflohen, fast alle, die im Land geblieben sind, sind ins Gefängnis gekommen und nach und nach freigelassen worden. Dieser Herr, Sein Hla Oo, ist ein ganz bekannter Journalist in Burma gewesen, und Journalisten sind nun diejenigen, die an vorderster Front stehen, wenn es um Demokratie geht und die von den Regimen immer als gefährlich angesehen werden.

    . Auch Sein Hla Oo wird 1990, unmittelbar nach seiner Wahl zum Abgeordneten, inhaftiert und kommt zwei Jahre später im Rahmen einer Amnestie frei.. "Du hast uns wohl vermisst!" scherzt ein einstiger Zellennachbar als Sein Hla Oo 1994 erneut ins Gefängnis eingeliefert wird. Der erwidert: "Ich bin zurückgekehrt, weil die Legislaturperiode abgelaufen ist und ich wirklich scharf auf eine zweite bin." - Sein Hla Oos grimmiger Humor hat seine Vernehmer nicht zur Sanftmut inspiriert. Entlassene Mithäftlinge haben gegenüber Amnesty International und Reporter Ohne Grenzen bezeugt, dass der Journalist Isolationshaft, Nachtverhöre , Nahrungsentzug und Waschverbot zu erdulden hatte. Mittlerweile wurde er in das Gefängnis von Myitkyina im Norden des Landes verlegt, berichtet Khin Maung Yin vom Verein Burma-Projekt in Berlin. Das sei wahrlich kein gesunder Ort. .

    Khin Maung Yin: Da ist wettermäßig kalt. Und ist auch sehr bekannt, dass so viele Krankheiten in diesem Gefängnis sind. Zum Beispiel Aids, viele HIV-infizierte Gefangene; und Malaria Krankheiten und so weiter. Wenn jemand krank ist, wird er nicht sofort behandelt, und die dürfen auch nur 10 bis 15 Minuten sich waschen, und dann kriegen sie auch Mahlzeiten nicht genügend, nur zwei mal am Tag, das sind die Situationen im Gefängnis.

    . Im August 2001 sollte der Journalist entlassen werden. Doch das Regime behielt ihn im Gefängnis. Während seiner 7jährigen Haftzeit durfte seine Frau ihn nur selten besuchen. Ihre Hoffnung, er würde im Rahmen einen geänderten Politik zusammen mit anderen politischen Gefangenen freigelassen werden, hat sich nicht erfüllt. Seit Februar hat sie nichts mehr von Sein Hla Oo gehört.