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Der Fall Werner Goldmann

Mit dem Dopinggeständnis des Kugelstoßtrainers Werner Goldmann wird es immer wahrscheinlicher: Der von Goldmann betreute Kugelstoßer Ulf Timmermann war vermutlich gedopt, als er 1988 einen neuen Weltrekord aufstellte. Eigentlich müsste er daher aus der Rekordliste gestrichen werden. Doch Sportfunktionäre und Politiker sträuben sich, Konsequenzen aus den Dopingfällen zu ziehen.

Von Thomas Purschke |
    Nach fast 20-jährigem Schweigen hatten Anfang April nun sechs deutsche Leichtathletiktrainer schriftlich erklärt, ihren einstigen Athleten in der DDR Dopingmittel verabreicht zu haben. Einer von ihnen ist der Berliner Trainer Werner Goldmann, der in der DDR auch die einstige Diskus-Weltrekordlerin Irina Meszynski und den Kugelstoßolympiasieger von 1988, Ulf Timmermann betreute. Timmermann ist noch immer der Inhaber des deutschen und des Europarekordes im Kugelstoßen. Damit stellt sich nun einmal mehr auch die Frage nach der Aberkennung der durch Doping - also durch Betrug - zustande gekommenen Rekordleistungen der damaligen Athleten.

    Eine Vielzahl von bis heute gültigen deutschen Leichtathletikrekordmarken sind ohne Doping nahezu unerreichbar: etwa die 47,6 Sekunden von Marita Koch über 400 Meter im Jahr 1985 oder die 74,08 Meter 1986 von Diskuswerfer Jürgen Schult, der heute Bundestrainer des DLV ist.

    Der Deutsche Leichtathletikverband hat die Aberkennung dieser schwer dopingbelasteten Rekorde bisher immer abgelehnt mit dem Verweis auf sogenannte juristische Schwierigkeiten und Schadenersatzforderungen der Athleten. Obwohl ein für den Deutschlandfunk im Jahr 2007 erarbeitetes Gutachten der Stuttgarter Sportrechts-Experten Wüterich und Breucker zu der begründeten Feststellung kam, dass nachweislich mit Hilfe von Doping erzielte Rekorde, aberkannt werden können.

    Nur die ehemalige DDR-Weltklasse-Sprinterin Ines Geipel vom Sportclub Motor Jena und Vereins-Staffel-Weltrekordlerin über 4 mal 100 Meter von 1984, hat als Einzige bisher ihren Namen aus der deutschen Rekordliste streichen lassen, weil dieser, wie sie im Jahr 2006 erklärte, kriminell zustande kam und die Athletinnen damals mit gesundheitsschädigenden männlichen Sexualhormonen gedopt waren.

    Gerd Jacobs, der einstige DDR-Kugelstoßer vom TSC Berlin und Trainingspartner des späteren Olympiasiegers Ulf Timmermann, hatte vor den Sommerspielen in Peking 2008 schwere Dopingvorwürfe gegen seinen damaligen Trainer Werner Goldmann erhoben. Jacobs, staatlich anerkanntes DDR-Dopingopfer hatte im Jahr 2004 ein Spenderherz erhalten. Sein Ex-Trainer Goldmann hatte als Mitglied des deutschen Olympia-Teams 2008 wahrheitswidrig eine Ehrenerklärung unterzeichnet, nie in Dopingpraktiken involviert gewesen zu sein.

    Nun hingegen hat Goldmann nach langjährigem Leugnen ein formaljuristisch formuliertes Teilgeständnis abgelegt und eine Entschuldigungserklärung unterschrieben, verbunden mit dem Zusatz, er bedaure die schweren gesundheitlichen Schäden von Gerd Jacobs. Allerdings persönlich hat sich Goldmann bei Jacobs bis heute nicht entschuldigt, weder per Brief noch per Telefon, was ein Beleg dafür sein dürfte, wie glaubwürdig diese Entschuldigung ist.

    Bereits Ende der 90er-Jahre hatten mehrere ehemalige TSC-Athletinnen gegenüber Kriminalbeamten über ihren Trainer Goldmann und dessen Dopingpraktiken in der DDR ausgesagt. Die Ex-Athletin Annette Wolf stellte Strafantrag gegen Goldmann, genau wie die einstige Diskuswerferin und Kugelstoßerin Simone Kischnick vom TSC Berlin, auch ein anerkanntes DDR-Dopingopfer, die bereits als Minderjährige von Goldmann vermännlichende Sexualhormone verabreicht bekam.

    Goldmanns erfolgreichste Athleten in der DDR waren die Diskus-Weltrekordlerin Irina Meszynski und der Kugelstoß-Olympiasieger von Seoul, Ulf Timmermann. Insofern dürfte für Spannung sorgen, ob Goldmann nun nach fast zwanzig Jahren des Vertuschens, endlich die ganze Wahrheit sagt. Dann müsste Goldmann nach Ansicht des Heidelberger Molekularbiologen Werner Franke auch zum Beispiel die Anabolikadosierung seines einstigen Schützlings, des späteren Olympiasiegers Ulf Timmermann nennen, die ja in den wissenschaftlichen Schriften des DDR-Sportwissenschaftlers Lothar Hinz dokumentiert, im Jahr 1984 bei 3325 Milligramm Oralturinabol lag. Das heißt - zum Vergleich -, fast 1000 Milligramm weniger nahm der kanadische Dopingsprinter Ben Johnson.

    Durch ein Geständnis von Goldmann bezüglich seines erfolgreichsten Athleten Timmermann, wüsste man dann auch, sagt Werner Franke Franke,

    "dass nicht nur dessen Olympiasieg, sondern auch der 1988 von Timmermann aufgestellte Kugelstoß-Weltrekord von 23 Metern und sechs Zentimetern und bis heute geführte Europa- und wohl auch ewige deutsche Kugelstoß-Rekord, eben auch nur Dopingschwindel ist."

    Ulf Timmermann hat bisher die Einnahme von Anabolika kategorisch abgestritten.

    Nur der US-Amerikaner Randy Barnes und Olympiazweite von Seoul 1988 konnte Timmermann 1990 um sechs Zentimeter auf 23 Meter zwölf übertreffen. Barnes, der 1996 in Atlanta Olympiasieger wurde, wurde zwar mehrfach des Dopings überführt und lebenslang gesperrt, durfte dennoch den Weltrekord bis heute behalten.
    Bundesinnen- und Sport-Minister Wolfgang Schäuble, der die Amnestieregelung des DOSB für DDR-Dopingtrainer, die eine Entschuldigungspauschalerklärung unterschreiben, ebenso befürwortete wie die DOSB-Spitzenfunktionäre Thomas Bach und Michael Vesper, erklärte kürzlich in einem Zeitungsinterview in Bezug auf die deutsche Leichtathletik:

    "Wir haben ja ganze Rekordlisten abgeschafft."

    Was bisher nicht geschah, kann vielleicht ja noch kommen.