Archiv


Der Fall Wolffsohn

Patrick Honecker: Am Telefon begrüße ich jetzt Bernhard Kempen. Herr Kempen ist nicht nur Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, sondern auch Professor für Öffentliches Recht an der Universität Köln und als solcher ein ausgewiesener Kenner des deutschen Dienstrechts. Guten Tag, Herr Kempen.

    Bernhard Kempen: Guten Tag, Herr Honecker.

    Honecker: Herr Kempen, wie beurteilen Sie die Aussagen ihres Kollegen Wolffsohn?

    Kempen: Lassen Sie mich vielleicht vorausschicken, dass Folter selbstverständlich im Rechtsstaat kein Mittel der Politik sein kann. Ich habe aber auch in diesem Sinne Herrn Wolffsohn nicht verstanden, denn ich glaube, er wollte nur deutlich machen, dass im Kampf gegen den internationalen Terrorismus die rechtsstaatlichen Mittel unter Umständen nicht hinreichen und man über andere Mittel nachdenken muss. Er wollte einen Diskussionsanstoß geben, so hat er das selber dargestellt.

    Honecker: Jetzt denkt man aber schon über die Konsequenzen nach und es drängen sich natürlich die Parallelen auf zu dem Fall Künzel, dem Bundeswehrgeneral, der damals sein Amt verlassen musste. Kann denn ein Bundeswehrprofessor genauso behandelt werden wie ein Bundeswehrgeneral?

    Kempen: Nein, er kann nicht genauso behandelt werden. Er besitzt die Freiheit von Forschung und Lehre, die ihn allerdings nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Diese Schwelle hat Herr Wolffsohn aus meiner Sicht aber nicht überschritten, er hat ja nicht dazu aufgefordert, dass nun gefoltert werden muss oder dass deutsche Staatsorgane zur Folter greifen müssen. Er wollte einen Beitrag zur Diskussion der Bekämpfung des internationalen Terrorismus geben.

    Honecker: Wenn wir von der Freiheit von Forschung und Lehre sprechen, es sind ja in beiden Fällen Beamte betroffen, sowohl bei dem Soldaten als auch bei dem Professor. Bestimmte Grundrechte sind für Soldaten ja eingeschränkt, gilt das auch für einen Professor, der an einer Bundeswehrhochschule arbeitet?

    Kempen: Nein, das gilt nicht genauso. Die Professoren an den Bundeswehrhochschulen sind den Professoren an den staatlichen Hochschulen in dieser Hinsicht vollkommen gleichgestellt. Sie besitzen also die Freiheit von Forschung und Lehre, das heißt, sie dürfen auch laut nachdenken, auch über sehr unbequeme Themen laut nachdenken.

    Honecker: Wie beurteilen Sie die Reaktion der Politiker, die jetzt eben die Ablösung von Herrn Wolffsohn fordern?

    Kempen: Dass Politiker hier beunruhigt und besorgt sind, kann ich sehr gut verstehen, aber ich denke, man darf es jetzt aber auch nicht übertreiben. Wir sind hier doch weit unterhalb der Schwelle eines wirklich ernsten Disziplinarverfahrens.

    Honecker: Wie soll es jetzt weitergehen?

    Kempen: Ich denke, man muss Herrn Wolffsohn eine Chance geben, seine Äußerung zu erklären und zu erläutern. Das hat er bereits getan auf seiner Homepage kann man erkennen, wie er das selber verstanden wissen will und ich denke, wir sollten jetzt hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

    Honecker: Sie selber sprechen so, als hätten Sie ein recht klares Bild von Herrn Wolffsohn. Haben Sie einen persönlichen Kontakt auch zu ihm einmal gehabt?

    Kempen: Ich habe Herrn Wolffsohn in der Vergangenheit einmal flüchtig kennen gelernt, aber einen engen persönlichen Kontakt habe ich nicht.

    Honecker: Aber, dass er radikale Ansichten vertritt, das schließen Sie aus.

    Kempen: Er ist ganz sicherlich kein Extremist, wenn Sie das meinen, überhaupt nicht. Sondern ich würde ihn fachlich so einschätzen, dass er ein durchaus besonnener Kollege ist.

    Honecker: Professor Bernhard Kempen war das, Dienstrechtsexperte der Universität Köln und Präsident des Deutschen Hochschulverbandes zu den Diskussionen um den Münchner Historiker Michael Wolffsohn.