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Der Favorit

Der Wettbewerb um die Olympischen Winterspiele 2018 geht in seine entscheidende Phase. Viereinhalb Monate vor der Wahl besucht eine IOC-Prüfungskommission derzeit die drei Bewerber - und verlässt nun Pyeongchang in Südkorea.

Von Jens Weinreich |
    Die IOC-Evaluierungskommission stellt zwar keine Rangliste auf, doch Pyeongchang hat seine Führung im Olympia-Wettbewerb deutlich gefestigt. Während der fünf Tage in Pyeongchang klappte fast alles erstklassig, es fiel sogar Schnee, die Bedingungen im für Milliarden errichteten Ressort Alpensia hätten nicht besser sein können. Bei Pyeongchangs ersten beiden Bewerbungen für 2010 und 2014, als man jeweils knapp an Vancouver und Sotschi scheiterte, war dieses Wintersport-Zentrum noch ein Projekt - inzwischen ist es Wirklichkeit. Die Südkoreaner haben seit einem Jahrzehnt alle Versprechen gehalten. Dies wiederholen sie gebetsmühlenartig - es ist die Wahrheit.

    Kwang-Bae Kang ist Sportdirektor der Olympiabewerbung. Er hat in allen drei Schlitten-Wettbewerben insgesamt viermal an Winterspielen teilgenommen: im Rodeln, Skeleton und Bob. Außerdem ist Kang Vizepräsident des Welt-Bobverbandes. Er sagt:

    "Wir haben das Dream-Programm. Und wir haben die Sportstätten schon gebaut. Und schließlich: 60 Prozent der Weltbevölkerung leben in Asien. Das ist ein neuer Markt für den Wintersport. Das wollen wir dem IOC erklären, das ist unsere Hausaufgabe."

    Ihre Hausaufgaben haben sie blendend erledigt. In diesen wenigen Sätzen Kangs bündelt sich die Botschaft der Koreaner: Das Dream-Programm, in dem sie mit vielen Millionen Dollar seit etlichen Jahren Sportler aus Entwicklungsländern unterstützen und ihnen eine Ausbildung in der Olympiaregion finanzieren, gehört ebenfalls dazu. Und das ist keinesfalls olympischer Kokolores, sondern extrem wichtig in diesem Business. Denn es geht natürlich auch um die Stimmen aus jenen Nationen, die kaum Wintersport betreiben können.

    Gunilla Lindberg, Chefin der IOC-Prüfungskommission:

    "Das Dream-Programm wurde ja schon in früheren Bewerbungen initiiert. Korea hat alle Versprechen gehalten und es war tolle Momente für uns, die jungen Sportler aus der ganzen Welt beim Training beobachten zu dürfen."

    Gunilla Lindberg ist selbst IOC-Mitglied. Als Berufsfunktionärin kennt sie das Geschäft wie nur wenige. Ihre Aussagen klangen, als seien sie von den PR-Leuten der Koreaner verfasst worden. Es war eine einzige Lobeshymne. Ein Beispiel:

    "Wir sind beeindruckt von den Fortschritten in Pyeongchang im Vergleich zu den anderen beiden Bewerbungen, von der Unterstützung durch die Politik, durch die Bevölkerung und von den Entwicklungen im koreanischen Wintersport."

    Die Zahlen hatte Lindberg parat: 2002 in Salt Lake City gewannen die Koreaner vier Eisschnelllauf-Medaillen - 2010 in Vancouver feierten sie die Rekordausbeute von 14 Medaillen, überstrahlt von Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Kim Yu-Na.

    Noch einmal Gunilla Lindberg:

    "Ich muss natürlich die Unterstützung der Menschen in der Region Gangwon erwähnen. Es war wunderbar, so viele Menschen zu sehen, die die Spiele hier in Korea haben wollen."

    Etwa in der Curling-Arena: Dort trat der Chor der Provinz Gangwon mit Abba-Hits auf. Karaoke aus 2018 Kehlen.

    Mit Olympia-Gegnern hat sich die IOC-Kommission nicht getroffen, schlicht weil es keine organisierte Opposition gibt. In München wird das in der übernächsten Woche anders sein, auch wenn bislang noch keinen Gesprächstermin feststeht.

    Lindbergs Truppe gab sich wie schon zuvor in Annecy überaus verschlossen und wurde hermetisch abgeschirmt. Kontakte zu Medienvertretern sind nicht erlaubt. Es gab lediglich eine kurze Pressekonferenz mit diplomatischen Botschaften zum Abschluss - das wird in zwei Wochen in München ebenso sein.

    Auf dem einzigen Pressetermin wurde natürlich die Sicherheits-Frage gestellt, die außerhalb Koreas offenbar mehr interessiert als im geteilten Land, wo die Menschen seit sechs Jahrzehnten damit leben. Darauf wies auch Lindberg hin, ihre Antwort hätte von einem Pyeongchang-Bewerber kommen können: In all den Jahrzehnten hat Südkorea trotz der Gefahr aus dem Norden problemlos sichere Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften ausgerichtet. Anders als 1972 in München gab es dabei keine terroristischen Übergriffe. Lindberg sagte auch, dass sie mit Präsident und Premier darüber gesprochen habe. Details verriet sie nicht.

    Für Südkoreas NOK-Präsidenten Yong-Sung Park war der IOC-Besuch ein Erfolg. "Natürlich bleibe ich optimistisch", sagt Park, "wir machen so weiter und geben alles. Bis Durban ist es noch ein weiter Weg."

    Viereinhalb Monate sind es noch bis zur Entscheidung in Südafrika, gespickt mit zahlreichen Präsentationen vor dem IOC-Wahlvolk. Sportdirektor Kang sagt:

    "Wir müssen uns konzentrieren und gut trainieren. Der Wettkampf ist am 6. Juli. Wenn wir konzentriert bleiben, können wir das gewinnen!"