Freitag, 29. März 2024

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Der Film "Kater"
"Unsagbares hörbar machen"

Stefan und Andreas leben im Paradies auf Erden: Das schön möblierte Haus mit Garten teilen sie sich mit ihrem Kater Moses. Doch eines Tages kommt es zu einem unerwarteten Gewaltausbruch. Dann zeige sich das Leben als eine einzige Herausforderung, sagte Regisseur Klaus Händl im Corsogespräch über seinen Film "Kater".

Klaus Händl im Corsogespräch mit Marietta Schwarz | 22.11.2016
    Philipp Hochmair als Andreas und Kater Moses
    Philipp Hochmair als Andreas und Kater Moses (DPA / Reiner Riedler / missingFilms)
    Marietta Schwarz: Es gibt es noch, das Paradies auf Erden, zumindest in der ersten Hälfte des Films "Kater" von Händl Klaus: Ein schön möbliertes Haus mit verwunschenem Garten, dort leben Stefan und Andreas, ein schwules Paar, zusammen mit ihrem Kater Moses, sie lieben die klassische Musik, sie feiern das Leben und die Liebe. Sie sind gesellschaftlich bestens integriert, sie haben keine Probleme. Bis es eines schönen Tages zu einem, sagen wir unerwarteten Gewaltausbruch kommt. Er dauert keine Sekunde. Und das Paradies wird fortan, na ja, nicht zur Hölle, aber für beide zu einem unerträglichen Seelenzustand. Bei der Berlinale bekam "Kater" den Teddy Award, am Donnerstag läuft er bei uns in den Kinos an, und Händl Klaus, Regisseur des Films, ist heute zu Gast im Corso-Gespräch. Herzlich willkommen!
    Klaus Händl: Vielen Dank, guten Tag.
    Schwarz: Man braucht für einen guten Film gar nicht so viel, habe ich gedacht, als ich "Kater" gesehen habe. Im Prinzip zwei glückliche Männer, ein Haustier, einen Schock und, jetzt dürfen wir nicht zu viel verraten, was hat Sie an dieser erstmal kargen Konstellation gereizt?
    Händl: Das Wesentliche. Und das sind diese drei Wesen. Diese Männer und das Tier, die miteinander leben. In einer großen Autonomie, was auch das Tier betrifft, das hat seinen Freiraum und wird nicht verniedlicht, sondern ist ein Gefährte der beiden, ein Familienmitglied, wenn man so will. Und auch diese große Liebe, die sich zunächst so ungetrübt zeigt. Und auch dieses Glück natürlich, das wir ja doch auch kennen, die meisten von uns jedenfalls, zum Glück, das aber schon nicht auf sicher ist.
    Liebe ist Liebe
    Schwarz: Ich glaube der Trick ist ja auch, dass der Film ein extrem hohes Identifikationspotential hat, auch wenn die Situation vielleicht eine spezielle ist. Aber wir können uns auch dann doch mit dieser Krise identifizieren, die entsteht.
    Händl: Wir sehnen uns sicher alle nach einem so schönen Leben, wie die beiden das genießen können. Die Arbeit mit Musik im Orchester ist großartig. Also klassische Musik zu machen, einen Freundeskreis zu teilen, der so auch liebevoll ist. Und wenn dann dieser Riss geschieht, ganz unvermutet, unversehens, wie wir das aber auch kennen, zumindest wissen wir, dass es möglich ist, dann zeigt das Leben sich als eine einzige Herausforderung. Und hier haben wir es zu tun mit zwei Liebenden, die ich glaube sogar über ihre eigene Liebe dann noch erschrecken, dass die Liebe als Kraft so stark ist, dass sie sich nicht wegdrücken lässt, obwohl die Katastrophe so schlimm ist, dass das der erste Impuls ist, glaube ich, den man versuchen würde, den geliebten Partner, den man bei einem Akt erlebt hat, für den es keine Worte gibt, eigentlich.
    Schwarz: Genau. Keine Worte. Ich finde, dass es ein Film ist eigentlich, über das Schweigen. Die Katze schnurrt, die spricht nicht. Aber die beiden Männer, die reden ja auch nicht so viel. Glauben Sie die Geschichte hätte sie anders entwickelt, wenn es die Geschichte eines Heteropaares oder eines Frauenpaares gewesen wäre?
    Händl: Das glaube ich gar nicht. Weil Liebe ist Liebe. Es hätte sich vielleicht die Frage nach einem Kind gestellt, zwischen Frau und Mann oder zwischen zwei Frauen. Natürlich, es gibt auch adoptierte Kinder, es gibt Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Aber das Schweigen in diesem Film betrifft eigentlich einen relativ kleinen Teil, das ist der Tag der Katastrophe oder der Abend und morgen danach. Der sich aber auf der Stelle tritt. Da kommt es zu einem Stillstand, aber es gibt noch etwas, das für die beiden spricht und zu ihnen spricht. Und das ist tatsächlich die Musik. Ich meine jetzt Musik von Schubert, von Mendelsohn, von Ravel, von Bach, Janáček auch, ganz wichtig, das Streichkonzert "Intime Briefe", das sind Stimmen, die etwas Unsagbares hörbar machen können.
    Ein zärtliches Schweigen
    Schwarz: Und die beiden sind ja auch Musiker, zumindest der eine ist Musiker in einem Orchester, der andere ist der Disponent. Das Leben dieser beiden hat auch sehr viel mit der klassischen Musik zu tun. Ich würde trotzdem noch einmal auf dieses Schweigen zurückkommen. Es gibt diese eine Szene, wo Stefan beim Fußballspiel in Tränen ausbricht, so einen richtig emotionalen Ausbruch hat. Alle seine Kameraden stehen um ihn herum, Schulterklopfen, es fällt kein Wort. Und dann scheint er sich zusammenzureißen und dann geht es weiter. Business as usual. Fußball. Funktioniert so männliche Kommunikation?
    Händl: Es ist eine ganz große, zärtliche Szene. Es gibt ein Schweigen, das ist ein ganz zärtliches, ein einvernehmliches, ein bejahendes. Ein auch den anderen in den Arm nehmendes. Er darf sich ausweinen im Kreis seiner Freunde, was etwas Unglaubliches ist. Es geschieht sehr selten im Leben. Und danach ist es aber auch gut. Das heißt, man teilt dieses Geheimnis, diesen intimen Moment. Und warum sollte man noch darüber sprechen? Man hat ihn ja erfahren.
    Schwarz: Sie haben großartige Schauspieler gewinnen können. Lukas Turtur und Philipp Hochmair, die ja erstmal mit diesen etlichen Sex- und Nacktszenen herausgefordert sind. Das ist ja auch ein extrem erotischer Film. Zumindest zu Beginn. Wie haben Sie die beiden befreit?
    Nacktheit als Teil des Paradieses
    Schwarz: Die waren dazu bereit. Das war eine lange Suche. Natürlich, es ist eine Vertreibung aus dem Paradies. Und die Nacktheit ist ein Teil des Paradieses, die dann nicht mehr möglich ist, jedenfalls für eine gewisse Zeit. Ich habe tatsächlich sehr, sehr viele Schauspieler getroffen und da war sehr bald klar, dass die diesen Weg nicht gehen wollen. Die wollen ihren nackten Körper nicht als Werkzeug einsetzen. Und das ist es ja tatsächlich. Es ist ja so, dass man als Schauspieler sich in den Dienst einer Figur stellt oder einer Erzählung.
    Schwarz: Mit allem, was man hat.
    Händl: Mit allem, was man hat. Vielleicht auch darüber hinaus, wenn einem die Geschichte oder die Botschaft ein Anliegen ist, auch persönlich. Ich jedenfalls verstehe das immer so und glaube auch, dass ich nur mit Schauspielern, Schauspielerinnen arbeiten kann, die sich identifizieren mit dem Ganzen. Aber es ist tatsächlich ein ganz zärtliches Drehen gewesen, im ganz unschuldigen Sinne zärtliches, leidenschaftliches. Wir waren ein ganz kleines Team und auch die Intimität, die durch dieses kleine Team möglich war, hat uns geholfen, mit allerdings auch noch sehr viel Zeit verbunden. Wir haben fast zehn Wochen lang gedreht mit den Menschen und nochmal fast zwei Wochen mit dem Toni, dem Kater, der mein eigener ist, den ich aus dem Tierheim geholt habe. Weil ich eben auch da mit einem, sich identifizierenden Freund arbeiten wollte.
    Schwarz: Das Ergebnis ist ab Donnerstag in den Kinos zu sehen. "Kater", der Film von Händel Klaus. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und wünsche ihnen ebenso viel Erfolg.
    Händl: Ich danke Ihnen herzlich.