Gleich zu Beginn der Retrospektive in Lille, aus Rubens frühen Antwerpener Lehrjahren, das Gemälde : "Suzanne und die Alten" , eine unbekleidete , junge Frau, die zwei alte Männer anstarrt, welche sich reichlich lüstern über sie beugen – Erotik und Keuschheit, Wollust und Tugend sind nur einige von Rubens zahlreichen Themen .
Komplett, ambitiös , ausgewogen und objektiv - so sieht Arnaud Brejon , der Kurator, diese überhaupt erste monographische Rubens-Ausstellung in Frankreich – mit einer Reihe von Werken - aus englischen Schlössern oder dem Privatbesitz des englischen Königshauses, die für die Öffentlichkeit so gut wie noch nie zu sehen waren. Arnaud Brejon:
Ich wollte Rubens zeigen , wie er ist , als Maler und Dekorateur. Den Landschaftsmaler, den Porträtmaler, den Maler religiöser Themen und von Stilleben. Als Dekorateur seine Arbeiten für Whitehall in London ansprechen, für die Torre de la Parada in Madrid, für Frankreich – die Tapisserien für Maria di Medici . Mein Ziel war, den Rubens der sich in Italien ausbildet, den Rubens in Antwerpen und den europäischen Maler vorzustellen.
Von 1600 an verbrachte der im westfälischen Siegen geborene Flame acht lange Jahre in Italien , am Hof von Mantua , wo Galilei und Monteverdi verkehrten, in Genua, und in Rom, konfrontierte sich mit den Antike und den Werken eines Raphael und eines Michelangelo.
Bei Rubens Rückkehr nach Antwerpen bezeichnen ihn die Stadtväter dort bereits als den "Gott unter den Malern" - der sich vor Auftragsarbeiten für reiche Bürger , Adlige und den Erzherzog kaum retten kann , - zum Teil für die Paläste der Herrschaften , zum Teil für die Kirchen der Niederlande, die in dieser Zeit der Gegenreformation ihrer Bilder noch beraubt waren. Ein Selbstporträt aus jener Zeit zeigt Rubens, nicht etwa als Maler , sondern im Gewand eines Patriziers von Antwerpen, der bald zum Diplomat werden sollte und an den Höfen in Madrid, London und Paris zu Hause war.
Er ist Europäer , seine Gemälde und seine Korrespondenz belegen dies. Er ist ein Künstler von bemerkenswerter Intelligenz und von 1600 bis 1640 im Herzen Europas zu Hause , unglücklich über die Kriege zwischen den nördlichen und südlichen Niederlanden, zwischen Spanien und England, Spanien und Frankreich, zwischen Katholiken und Protestanten.
Kampf, Konfrontation ,Gewalt und Grausamkeit, das sich Anziehen und Abstossen der Körper, sind Rubens Motive, so manche Komposition von Körpern in seinen Gemälden inspiriert bis heute die Choreographen. Viele der in Lille gezeigten Werke quellen über von Energie und Bewe gung, bieten diese ausufernde , unvergleichliche Fülle von Formen. Die Barrieren zwischen Kunstwerk und Betrachter niederreissen , das Leben nicht idealisieren, wie es noch im 16. Jahrhundert vorherrschte, sondern es malen, wie es ist.
Er hat die europäische Malerei revolutioniert bis in die Zeit der Anfänge des Impressionismus. Im 18 . Jahrhundert wurde er von Watteau und Fragonard bewundert , noch im 19 . von Delacroix bis hin zu Cézannne – sein Werk war eine Revolution für die europäische Malerei – nach Rubens konnte es nicht mehr den gleichen Diskurs geben wie vor ihm.
Die Ausstellung in Lille endet in einem 50 Meter langen Gang, dessen Wände bedeckt sind mit Wandteppichen , die der Meister entworfen hatte – der Höhepunkt dieser Retrospektive ist wohl die bislang einmalige Konfrontation zweier monumentaler Kreuzabnahmen, die Rubens für Kirchen in Lille und Saint Omer gemalt hat.