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Der Flick-Konzern im Dritten Reich

Als die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Anfang 2003 verkündete, sie wolle die umfangreiche Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick zeigen, wurde auch in Deutschland heftig diskutiert. Die Stiftung preußischer Kulturbesitz erwies sich als lernfähig, organisierte eine Reihe von begleitenden Diskussionsveranstaltungen und gab außerdem eine historische Studie über den Flick-Konzern im Dritten Reich in Auftrag. Diese wurde gestern in Berlin in den Räumen der Stiftung vorgestellt.

Von Tomas Fitzel | 09.07.2008
    Die Muster sind mittlerweile immer dieselben, wenn in Deutschland moralische Empörung und die schwierige deutsche Vergangenheit aufeinanderstoßen. Auf eine Phase der heftigen Erregung folgt anschließend der Absturz in die kollektive Amnesie, um beim nächsten, anstößigen Fall wieder von vorne beginnen zu können. Ein beliebtes Mittel sind auch Historikerkommissionen. Sie sollen suggerieren: Erst ihre Ergebnisse bringen die Diskussion auf einen neuen Stand. So muss nun auch die Frage an diese sehr detaillierte und umfangreiche Studie lauten: bringt sie tatsächlich Neues?

    Antwort gab gestern darauf der Unternehmensgeschichtler Bernhard Gotto:

    "Was ist das Neue? Wir wären schlechte Historiker, wenn wir jetzt darauf keine Antwort hätten. Das Neue, was Sie bislang in einer Unternehmensstudie so nicht finden ist überhaupt Informations- und Kommunikationswesen zu einem Schlüsselbegriff für den Erfolg zu machen, und wir glauben, dass das einige Erklärungskraft hat. "

    Etwa dafür, warum Friedrick Flick in drei unterschiedlichen politischen Systemen so enorm erfolgreich sein konnte. Er war ein äußerst geschickter Kommunikationsstratege: Einerseits schnelle Informationsbeschaffung und -verarbeitung, andererseits Manipulation der Öffentlichkeit und der Aktienkurse, Streuung von Falschinformationen, um die Regierung in seinem Sinne agieren zu lassen, die er dann auch selbst ernannt berät. So bereiteten seine Hausjuristen das Arisierungsgesetz vor. Kein anderer privater Unternehmer profitierte daher so sehr von der Arisierung wie er. Gleiches gilt für die Beschäftigung von Zwangsarbeitern bei Flick. Moral muss man konstatieren, war zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere je ein Handlungskriterium, nicht vor '33, nicht nach '45 und dazwischen schon gar nicht. Keine Zeile ist in dieser Studie zu lesen aus welchem Anlass die Stiftung preußischer Kulturbesitz diese in Auftrag gab und dass sie von Friedrich Christan Flick mit rund einer halben Million Euro finanziert wurde. Bekamen denn die Historiker wenigstens Einblick in alle Archive?

    "Sie haben noch nach den Quellen gefragt, ob es solche gab, die wir darüber hinaus noch gerne hätte auswerten können? Alle Historiker träumen davon, ein großes Familienarchiv mit den Schlüsseldokumenten zu finden und selbstverständlich wollen wir nicht ausschließen, dass es so etwas gibt. Uns ist es nicht offen gewesen. Die Wahrscheinlichkeit dass es anderen Forschern irgendwann mal offen steht, halten wir für ziemlich gering. "

    An der Studie selbst und ihren Erkenntnissen ist keine Kritik zu üben. Sie ist tadellos, die Beweise und Erkenntnisse sind einfach niederschmetternd. Merkwürdig mutete allerdings das Verhalten der Historiker bei der Präsentation an, so als ob der Finanzier heimlich im Raume säße. Axel Drecoll ließ sich sogar dazu hinreißen, der eigenen Studie zu widersprechen:

    "Das heißt bis er in Landsberg aus der Haft entlassen worden ist, war es für ihn tatsächlich auch wenn diese Bezeichnung sonst zurecht sehr angezweifelt wird, gab es tatsächlich so eine Stunde Null für ihn, weil er schon aus dem Nichts wieder kommen musste."

    Dabei beschreibt Axel Drecoll selbst sehr gut die durchtriebene Verteidigungsstrategie von Friedrich Flick als Angeklagter vor dem Nürnberger Militärtribunal, so dass am Ende seine Verurteilung zu sieben Jahren Gefängnis sogar noch als moralischer Freispruch verkauft werden konnte. Er hatte es sogar geschafft, die Entschädigungsforderungen der von ihm arisierten Petschek-Gruppe auf die Bundesregierung abzuwälzen, und darüber hinaus von dieser für wertlose Aktienpakete 45 Millionen DM zu erhalten. Selbst die geforderte Konzernentflechtung wendete er noch zu seinem Vorteil. Eine viertel Million DM konnte er dadurch am Ende in die neuen Zukunftsindustrien investieren und all dies zu seiner Stunde Null deklarieren. Dies ist aber entscheidend zur Beantwortung der Frage, worauf das Erbe seines Enkels Friedrich Christan Flick aufbaut. Für die Stiftung preußischer Kulturbesitz, gestern vertreten durch ihren ehemaligen Präsidenten Klaus-Dieter Lehmann, sind allerdings nun mit der vorgelegten Studie alle Fragen erledigt. Da soll man auch nicht mehr weiter nachfragen nach den Steueroasen des Herrn Friedrich Christan Flick.

    "Das ist aus der Welt, ja die Untersuchungen haben zu keinem Ergebnis geführt, das diese Vorwürfe erhärtet hätte."

    Ein wenig dünnlippig wirkte Klaus Dieter Lehmann bei dieser Antwort schon, denn ob der Bundesrechnungshof die Zusammenarbeit der Stiftung mit Flicks Contemporary Art Ltd. mit Sitz auf der Kanalinsel Guernsey genauso unproblematisch betrachtet, das wird sich erst noch erweisen müssen, dies meint zumindest der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding. Aber eines zeigt sich, mit der schwierigen Vergangenheit Deutschlands lassen sich viele offene Fragen der
    Gegenwart wunderbar ummänteln.