Die deutsche Wirtschaft wird, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, in diesem Jahr vermutlich um sechs Prozent schrumpfen. Das ist der größte Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg. Und auch die Weltwirtschaft wird - zum ersten Mal seit Jahrzehnten - weniger wachsen.
Erst langsam wird die eigentliche Dimension dessen klar, was derzeit in der Weltwirtschaft passiert: Die Krise mag zwar bei amerikanischen Hypotheken-Spekulationen ihren Ausgang genommen haben, ihr zugrunde lag aber etwas, das viel tiefer reicht: Das zurückliegende Wachstum in Asien und Amerika, aber auch in Osteuropa und Russland war in erster Linie auf Schulden begründet und ging mit immer größeren Ungleichgewichten in Handel und Kapitalverkehr einher. Es war ein Wachstum auf Pump - kein nachhaltiges Wachstum. Staat und Bürger haben zum Teil weit über ihre Verhältnisse gelebt. Jetzt wird uns - und zwar Schuldnern wie Gläubigern - dafür die Rechnung aufgemacht.
Die Weltwirtschaft erlebt zurzeit somit ihre erste schwere Krise im 21. Jahrhundert. Und es bleibt abzuwarten, wie es mit der Globalisierung und dem freien Welthandel weitergehen wird. Christoph Schmidt, Chef des "Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung" in Essen und frisch ernanntes Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung ist sich sicher, dass sich die Intensität der Globalisierung in den nächsten Jahren verlangsamen wird:
"Denken wir doch beispielsweise an die Unterstützung einzelner Industrien, wie beispielsweise die Unterstützung der amerikanischen Autoindustrie. Die sind natürlich vom Charakter her nicht neutral auszugestalten. Ich kann schlechterdings einer Industrie, die heimisch stark ist, unter die Arme greifen, sie damit gegenüber Konkurrenten bevorzugen und gleichzeitig die Freiheit des Welthandels verfechten. Das ist nicht völlig vereinbar, und die große Gefahr ist: Wenn alle das tun und alle sehen, die anderen machen es ja auch, deswegen tue ich es auch, dann sind wir schnell dabei, das Rad der Globalisierung wieder zurückzudrehen. Und das wäre gerade für diejenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten am meisten davon profitiert haben, dann auch am härtesten zu verkraften."
Genau darum geht es: Die Ursache dafür, dass Deutschland zurzeit - und in den nächsten Monaten wahrscheinlich noch mehr - so stark unter der Weltwirtschaftskrise zu leiden hat, liegt ausgerechnet in den deutschen Erfolgen der Vergangenheit: Wenn etwas wuchs, dann war es der Export - 2004 und 2005 ging praktisch das gesamte Wirtschaftswachstum auf sein Konto, in den Jahren danach noch knapp die Hälfte. Seither gehen die Bestellungen aus dem Ausland jedoch zurück; in atemberaubendem Tempo: Im Januar lag die Exportquote um 21 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, die Auftragseingänge des Maschinenbaus sind zuletzt sogar um fast die Hälfte eingebrochen.
Für einen Wirtschaftsexperten wie Jürgen Matthes vom Kölner "Institut der deutschen Wirtschaft" steht fest, dass wir an einer Art Wegscheide stehen:
"Die Wachstumsraten in der Weltwirtschaft, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, waren historisch - historisch hoch und historisch lang andauernd. Dahinter stand zum gewissen Maße eine Blase. Aber die Blase bestand letztlich nicht in der Tatsache, dass überhaupt positive Wachstumsraten da waren, sondern dass es sehr hohe Wachstumsraten waren. Das heißt, wir werden in Zukunft niedrigere Wachstumsraten haben, wenn man einmal die Übersteigerungen der letzten Jahre korrigiert hat."
Viele Experten fürchten: Dieser Rückgang wird kein vorübergehendes Phänomen sein - ganz im Gegenteil. Denn wenn die Welt aus dieser Krise eine Lehre ziehen sollte, dann die: Sie muss sparen! Auch und gerade dann, wenn - wie zurzeit - Milliarden an Euros und Dollars in die Weltwirtschaft gepumpt werden. Und Sparen heißt in Bezug auf Deutschland, das sich gerne als Exportweltmeister rühmt: weniger Exporte, weil die Welt sie sich künftig immer weniger wird leisten können. Der Konjunkturexperte Marcus Kappler vom "Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung" in Mannheim ist sich sicher:
"Dieser Abbau von Überkapazitäten wird stattfinden. Der wird natürlich insgesamt für die betroffenen Unternehmen und Länder nicht reibungslos vonstatten gehen. Das gehört eben zur gesamtwirtschaftlichen Aktivität dazu, dass wir Zeiten hoher Kapazitätsauslastung haben und Zeiten mit sinkender Kapazitätsauslastung, sonst hätten wir gar keine zyklischen Bewegungen. Sonst wären wir ständig auf einem Pfad der Normalproduktion."
Das Wort von der Export- oder Globalisierungsblase macht die Runde. Eine Bezeichnung, die nach Einschätzung von Jürgen Matthes nicht ganz unzutreffend ist:
"Insoweit, dass wir sehr starke weltwirtschaftliche Ungleichgewichte gesehen haben, wenn wir auf die Leistungsbilanzunterschiede geschaut haben. Die USA mit einem Leistungsbilanzdefizit von bis zu sieben Prozent, einige andere europäische Länder mit Leistungsbilanzdefiziten von über 20 Prozent in Osteuropa - bis zu 14 Prozent in Griechenland. Dagegen Leistungsbilanzüberschüsse bei Deutschland, Japan, bei China und einigen anderen europäischen Ländern wie etwa Schweden und den Niederlanden oder Finnland."
Mit gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft, die nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass die ursprüngliche Finanzkrise weltweit so rasant umschlagen konnte auf die Realwirtschaft. Noch einmal Jürgen Matthes vom "Institut der deutschen Wirtschaft":
"Da hat sich durch die Ungleichgewichte in der Tat so etwas wie eine gewisse Globalisierungsblase gebildet, erklärbar dadurch, dass letztlich die Überschussländer den Defizitländern Kredite gegeben haben, vereinfacht ausgedrückt, um ihre Waren zu kaufen, und die Defizitländer auf diese Art und Weise in zu starkem Maße auf Pump gelebt haben und jetzt die Schulden, die sie dadurch aufgebaut haben, wieder zurückführen müssen, um dadurch wieder auf ein nachhaltiges Wachstumsmodell zurückkehren zu können. Gewisse Ungleichgewichte sind immer tolerabel: Deutschland ist immer ein Überschussland gewesen, was die Leistungs- und Handelsbilanz anbetrifft, und das wird in Zukunft voraussichtlich auch weiter so sein, aber was wir in den letzten Jahren gesehen haben, war in gewisser Weise eine Übersteigerung."
Um es in Zahlen auszudrücken: 2007 nahm Deutschland mit Exporten 179 Milliarden Euro mehr ein, als es für Importe ausgeben musste. Im Jahr darauf sank dieser Wert zwar auf 164 Milliarden Euro; doch auch 2008 war kein schlechtes Jahr. Immerhin fanden Waren und Dienstleistungen in einem Gesamtvolumen von einer Billionen Euro ihren Weg ins Ausland. Das entspricht der jährlichen Wirtschaftsleistung von Staaten wie Ungarn, Estland, Lettland und Bulgarien - alle zusammengenommen wohlgemerkt.
Demgegenüber verzeichnen Länder wie die Vereinigten Staaten, aber auch das konsumfreudige Spanien sowie Australien und viele Staaten Osteuropas, hohe Importüberschüsse. In der Ukraine und Ungarn beispielsweise betrug das Leistungsbilanzdefizit im vorigen Jahr jeweils mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Griechenland waren es sogar 14 Prozent - in den USA immerhin noch 4,9 Prozent - 667 Milliarden Dollar!
Lief also die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren doch nicht so "rund"? Gab es so etwas wie eine "Unwucht", die heute und in der nächsten Zeit die Globalisierung aus den gewohnten Bahnen laufen lässt? Und: Hätte man hinter die immer wiederkehrenden Rekordmeldungen über die deutsche Exportwirtschaft nicht schon früher ein Fragezeichen setzen müssen?
Für den Wirtschaftsressortleiter der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Rainer Hank, stellt sich die Gemengelage noch ein wenig komplizierter dar. Dabei beruft sich der überzeugte Marktwirtschaftler auf den "linken" amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz:
"Es wird im Moment immer diskutiert, als seien Leistungsbilanz-Ungleichheiten per se etwas Schlechtes - eben durch den Begriff: Über die Verhältnisse gelebt. Alle haben davon profitiert. Es war ja nicht nur so, dass die Amerikaner - oder nicht nur die Osteuropäer oder die Chinesen: Alle haben davon profitiert. Das Problem, sagt Stiglitz, der Fehler war, dass das amerikanische Finanzsystem nicht das tat, was es eigentlich tun soll, Risiko zu streuen und Kapital in produktive Wirtschaftsbereiche zu lenken. Das ist interessant, dass Stiglitz dies sagt, denn das sagen die Liberalen auch. Wenn das Geld zu billig ist, dann führt das zu ineffizienter Allokation, dann verführt das zur Laxheit, zu Verschwendung. Insofern ist billiges Geld schon die Voraussetzung des Wachstums, aber zu billiges Geld führt dazu, dass es unproduktiv versickert."
Aber zu "billiges" Geld, das die Notenbanken ja auch jetzt wieder in schwindelerregendem Ausmaß in die Märkte pumpen, ist eben nur die eine Seite der augenblicklichen Malaise. Die andere sind die weltweiten Schuldenberge, die zurzeit angehäuft werden. Das gilt besonders für ein Land wie die USA, das sich gerade mit einem 800 Milliarden Dollar schweren Konjunkturpaket so massiv verschuldet, wie noch nie in seiner Geschichte. Die USA werden deshalb als Absatzmarkt für Exportgüter, ja als Konjunkturlokomotive für den Rest der Welt, erst einmal ausfallen. Was aber passiert dann - mit Deutschland, dem Exportweltmeister, und der Weltwirtschaft insgesamt? Noch einmal Rainer Hank:
"Amerika hat üppig mit billigem Geld gelebt in den letzten Jahren: billige Zinsen, zugleich hohen finanziellen Nachschub aus China. Die Chinesen haben Dollar gekauft, um ihre Währung künstlich niedrig zu halten. Sie haben das dann wieder angelegt in amerikanischen Staatsanleihen, davon hat Amerika profitiert. Die Sparquote war nahezu null. Jetzt könnte es sein, dass sich das ändert - wenn die Amerikaner ihre Sparquote auf fünf Prozent erhöhen, dann verkauft die Weltwirtschaft für 500 Milliarden Euro weniger Waren nach Amerika. Also, das sind nun nicht alles nur importierte Waren, sondern - das ist ein riesiger Binnenmarkt - eigenproduzierte, eben die Autos, die gekauft oder nicht mehr gekauft werden. Aber vieles davon sind nicht mehr nur chinesische T-Shirts, sondern sind eben auch deutsche Qualitätsprodukte, auf die wir so stolz sind."
500 Milliarden Dollar weniger - Jahr für Jahr wohlgemerkt - würde bedeuten, dass Exportunternehmen Kapazitäten zurückfahren und viele Menschen entlassen müssten. Noch versuchen viele von ihnen hierzulande, durch Kurzarbeit den Kern ihrer Belegschaften zu halten. Knapp 690.000 Kurzarbeiter gibt es derzeit in Deutschland - vor allem im stark exportlastigen Maschinenbau setzen Unternehmen auf dieses Mittel. Doch auch wenn die Politik dieser Tage die zeitliche Ausdehnung der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate diskutiert - für manche Firmen ist schon jetzt klar, dass sie nicht unbeschadet aus der Krise herauskommen werden.
Beispiel: der Druckmaschinenhersteller Heidelberg Druck. Das Unternehmen wird bis Ende des Jahres weitere 2500 Mitarbeiter weltweit entlassen, wie der MDAX-Konzern Ende März mitteilte. Das sind doppelt so viele wie im Herbst vergangenen Jahres ursprünglich angekündigt. Der Konzern leidet unter der schlechtesten Auftragslage seit mehr als zehn Jahren.
Folge: Ganze Standorte, wie der in Mönchengladbach, werden geschlossen. Aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden von Heidelberg Druck, Bernhard Schreier, schlägt die aktuelle Krise alles, was bisher da war. Was noch kommen wird? - Da wagt auch Christoph Schmidt vom "Rheinisch Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung" keine genauen Prognosen. Er warnt allerdings vor allzu kurzsichtigen Entscheidungen heute:
"Im Augenblick denkt jeder an die Rettungsmaßnahmen. Alle Volkswirtschaften kämpfen darum, ein wenig von dem Abschwung zu bekämpfen, wieder zurückzudrängen, und dass kann durchaus dann auch so darauf hinauslaufen, dass die einzelnen Nationalstaaten immer nur an ihre eigenen Firmen, an ihre eigenen Unternehmer, an ihre eigenen Arbeitnehmer denken - und damit vermeintlich kurzfristig etwas Gutes tun und langfristig aber der gesamten Sache schaden. Und das wäre für Deutschland insbesondere ganz fatal."
Und auch Konjunkturexperte Marcus Kappler vom "Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung" meint:
"Es wird Veränderungen in den internationalen Gleichgewichten, Kraftzentren geben, deren genaue Effekte momentan noch schwer abzuschätzen sind, aber die tendenziell auch das Potenzial besitzen, zunächst einmal auf die kurze bis mittlere Sicht die gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten, den Austausch, etwas zu dämpfen."
Kommen jetzt also nach den - biblisch gesprochen - guten, fetten Jahren, die mageren, schlechten? Wirtschaftsweiser Christoph Schmidt befürchtet es, sieht aber auch Chancen:
"Was wir leider lernen mussten im vergangenen Jahr, also 2008, war, dass die anderen Länder die USA nicht als Motor der Weltwirtschaft ablösen konnten. Die Hoffnung bestand ja zu Beginn des Jahres 2008. Das wird nicht funktionieren. Da das so ist, da die Welt und die Wirtschaftsnationen der Welt eine Leidens- und Schicksalsgemeinschaft bilden, wird es sicherlich vielleicht so sein, dass wir uns alle einrichten müssen auf einige Jahre, in denen das Wachstum nicht so grandios laufen wird. Andererseits: Wer wachsen will, muss investieren - und Investitionsgüter, das ist das Feld, auf dem Deutschland punktet, und von daher wird es auch möglich sein, sich diese Nische weiter zu erobern und da Erfolg zu haben."
Etwas drastischer sieht es dagegen Rainer Hank von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Für ihn steht schon jetzt mindestens eine Konsequenz für Deutschland klar und deutlich fest:
"Unser Geschäftsmodell, auf Export zu setzen und zugleich eine hohe Sparquote durchhalten zu können, das ist jetzt in die Krise geraten. Und die ganz große Frage ist: Werden wir uns umstellen können? Werden wir also den Binnenkonsum erhöhen, um damit zu kompensieren, was wir im Export, zumindest an Anteilen, verlieren?"
Trotz anhaltender Krise: Die Stimmung der Verbraucher bleibt - vorerst zumindest - stabil; auch dank niedriger Inflation und geringerer Energiepreise. Doch der Absturz vor allem auf dem Arbeitsmarkt könnte auch hier schneller kommen, als es uns allen lieb ist. Denn ein ewiges Gegensteuern durch immer neue "Abwrackprämien" und durch eine nochmalige Verlängerung der Kurzarbeit wird sich der Staat auf Dauer nicht leisten können. Mit achteinhalb Millionen weniger Arbeitsplätzen in Europa rechnet die EU-Kommission in diesem und im nächsten Jahr. Zum Vergleich: 2007 und 2008 waren in der Europäischen Union unter dem Strich noch neuneinhalb Millionen neue Jobs entstanden. Für Deutschland rechnet die Behörde mit einer zunehmenden Arbeitslosenquote von achteinhalb Prozent im Jahr 2009 - und zehneinhalb Prozent im Jahr 2010, wenn die Weltwirtschaft nicht deutlich und schnell wieder Tritt fasst.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Die deutsche Wirtschaft war und ist auf Export getrimmt, weitreichende Änderungen lassen sich nicht von heute auf morgen realisieren. Oder aber sie sind mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Veränderungen verknüpft. Und ob die deutsche Gesellschaft bereit ist, diese zu tragen, daran zweifelt ein Experte wie Christoph Schmidt vom "Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung". Mit Blick auf eine Steigerung des Binnenkonsums in Deutschland meint er:
"Ich kann da auch an eine ganz andere Organisation unseres Wirtschaftslebens denken, bei dem man einfachen Tätigkeiten, einfachen Dienstleistungstätigkeiten mehr Raum gibt und damit natürlich, das lässt sich einfach nicht trennen, auch anderen Lohn- und Einkommensstrukturen freien Raum lässt. Ich kann mir nicht vorstellen - wenn man vergleicht, Länder, die mit einer starken binnenwirtschaftlichen Struktur ausgestattet sind, wie die USA, die haben eine hohe Lohnspreizung -, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir es schaffen, das gleiche, auf sehr sozialen Ausgleich ausgerichtete System - Gesellschafts- und Wirtschaftssystem - zu verfechten und gleichzeitig darauf zu verzichten, dass der Export daran einen hohen Anteil hat. Export hat den Vorteil gegenüber der Binnenwirtschaft, dass einfach der Markt sehr viel größer ist, dass man sich also besser spezialisieren kann, weil man nicht nur im eigenen Land nach Nachfrage suchen muss."
Mag die Politik im Wahljahr 2009 also noch so viel Zweckoptimismus verbreiten, dass es noch in diesem, spätestens aber im nächsten Jahr, wieder aufwärts gehen werde - im Zeitalter weltweiter Verflechtungen zählen solche, auf den nationalen Rahmen beschränkte Botschaften nicht viel, weswegen Rainer Hank von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" deutliche Worte findet. Eine schnelle Erholung der Märkte sieht er nicht - im Gegenteil. In seinen Augen macht die Globalisierung in den nächsten Jahren eine Pause. Sie hält sozusagen den Atem an. Mit weitreichenden Konsequenzen - nicht nur für den deutschen Export, sondern für die gesamte Weltwirtschaft bis hin zur Überwindung von Armut und Hunger:
"Das könnte dazu führen, dass eine Generation lang deren Wohlstandsgewinn, der ja nicht nur ein Wohlstandsgewinn im materiellen Gewinn ist, sondern auch ein Zuwachs an Freiheit, das der aufgehalten wird. Im 20. Jahrhundert kann man sagen, von den 30er-Jahren bis in die späten 70er-Jahre hat die Weltwirtschaft eine Pause eingelegt. Das war insgesamt damals auch schon auf hohem Niveau, aber auf hohem Niveau in der westlichen Welt. Und ganz Asien, von Afrika gar nicht zu reden, hat daran nicht partizipiert. Auf lange Sicht muss man nicht skeptisch sein, was die internationale Arbeitsteilung betrifft, aber auf kurze Sicht - und das können dann schon mal 20, 30 Jahre sein - muss man im Moment sehr - ängstlich würde ich nicht sagen - aber doch skeptisch sein."
Erst langsam wird die eigentliche Dimension dessen klar, was derzeit in der Weltwirtschaft passiert: Die Krise mag zwar bei amerikanischen Hypotheken-Spekulationen ihren Ausgang genommen haben, ihr zugrunde lag aber etwas, das viel tiefer reicht: Das zurückliegende Wachstum in Asien und Amerika, aber auch in Osteuropa und Russland war in erster Linie auf Schulden begründet und ging mit immer größeren Ungleichgewichten in Handel und Kapitalverkehr einher. Es war ein Wachstum auf Pump - kein nachhaltiges Wachstum. Staat und Bürger haben zum Teil weit über ihre Verhältnisse gelebt. Jetzt wird uns - und zwar Schuldnern wie Gläubigern - dafür die Rechnung aufgemacht.
Die Weltwirtschaft erlebt zurzeit somit ihre erste schwere Krise im 21. Jahrhundert. Und es bleibt abzuwarten, wie es mit der Globalisierung und dem freien Welthandel weitergehen wird. Christoph Schmidt, Chef des "Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung" in Essen und frisch ernanntes Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung ist sich sicher, dass sich die Intensität der Globalisierung in den nächsten Jahren verlangsamen wird:
"Denken wir doch beispielsweise an die Unterstützung einzelner Industrien, wie beispielsweise die Unterstützung der amerikanischen Autoindustrie. Die sind natürlich vom Charakter her nicht neutral auszugestalten. Ich kann schlechterdings einer Industrie, die heimisch stark ist, unter die Arme greifen, sie damit gegenüber Konkurrenten bevorzugen und gleichzeitig die Freiheit des Welthandels verfechten. Das ist nicht völlig vereinbar, und die große Gefahr ist: Wenn alle das tun und alle sehen, die anderen machen es ja auch, deswegen tue ich es auch, dann sind wir schnell dabei, das Rad der Globalisierung wieder zurückzudrehen. Und das wäre gerade für diejenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten am meisten davon profitiert haben, dann auch am härtesten zu verkraften."
Genau darum geht es: Die Ursache dafür, dass Deutschland zurzeit - und in den nächsten Monaten wahrscheinlich noch mehr - so stark unter der Weltwirtschaftskrise zu leiden hat, liegt ausgerechnet in den deutschen Erfolgen der Vergangenheit: Wenn etwas wuchs, dann war es der Export - 2004 und 2005 ging praktisch das gesamte Wirtschaftswachstum auf sein Konto, in den Jahren danach noch knapp die Hälfte. Seither gehen die Bestellungen aus dem Ausland jedoch zurück; in atemberaubendem Tempo: Im Januar lag die Exportquote um 21 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor, die Auftragseingänge des Maschinenbaus sind zuletzt sogar um fast die Hälfte eingebrochen.
Für einen Wirtschaftsexperten wie Jürgen Matthes vom Kölner "Institut der deutschen Wirtschaft" steht fest, dass wir an einer Art Wegscheide stehen:
"Die Wachstumsraten in der Weltwirtschaft, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, waren historisch - historisch hoch und historisch lang andauernd. Dahinter stand zum gewissen Maße eine Blase. Aber die Blase bestand letztlich nicht in der Tatsache, dass überhaupt positive Wachstumsraten da waren, sondern dass es sehr hohe Wachstumsraten waren. Das heißt, wir werden in Zukunft niedrigere Wachstumsraten haben, wenn man einmal die Übersteigerungen der letzten Jahre korrigiert hat."
Viele Experten fürchten: Dieser Rückgang wird kein vorübergehendes Phänomen sein - ganz im Gegenteil. Denn wenn die Welt aus dieser Krise eine Lehre ziehen sollte, dann die: Sie muss sparen! Auch und gerade dann, wenn - wie zurzeit - Milliarden an Euros und Dollars in die Weltwirtschaft gepumpt werden. Und Sparen heißt in Bezug auf Deutschland, das sich gerne als Exportweltmeister rühmt: weniger Exporte, weil die Welt sie sich künftig immer weniger wird leisten können. Der Konjunkturexperte Marcus Kappler vom "Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung" in Mannheim ist sich sicher:
"Dieser Abbau von Überkapazitäten wird stattfinden. Der wird natürlich insgesamt für die betroffenen Unternehmen und Länder nicht reibungslos vonstatten gehen. Das gehört eben zur gesamtwirtschaftlichen Aktivität dazu, dass wir Zeiten hoher Kapazitätsauslastung haben und Zeiten mit sinkender Kapazitätsauslastung, sonst hätten wir gar keine zyklischen Bewegungen. Sonst wären wir ständig auf einem Pfad der Normalproduktion."
Das Wort von der Export- oder Globalisierungsblase macht die Runde. Eine Bezeichnung, die nach Einschätzung von Jürgen Matthes nicht ganz unzutreffend ist:
"Insoweit, dass wir sehr starke weltwirtschaftliche Ungleichgewichte gesehen haben, wenn wir auf die Leistungsbilanzunterschiede geschaut haben. Die USA mit einem Leistungsbilanzdefizit von bis zu sieben Prozent, einige andere europäische Länder mit Leistungsbilanzdefiziten von über 20 Prozent in Osteuropa - bis zu 14 Prozent in Griechenland. Dagegen Leistungsbilanzüberschüsse bei Deutschland, Japan, bei China und einigen anderen europäischen Ländern wie etwa Schweden und den Niederlanden oder Finnland."
Mit gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft, die nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, dass die ursprüngliche Finanzkrise weltweit so rasant umschlagen konnte auf die Realwirtschaft. Noch einmal Jürgen Matthes vom "Institut der deutschen Wirtschaft":
"Da hat sich durch die Ungleichgewichte in der Tat so etwas wie eine gewisse Globalisierungsblase gebildet, erklärbar dadurch, dass letztlich die Überschussländer den Defizitländern Kredite gegeben haben, vereinfacht ausgedrückt, um ihre Waren zu kaufen, und die Defizitländer auf diese Art und Weise in zu starkem Maße auf Pump gelebt haben und jetzt die Schulden, die sie dadurch aufgebaut haben, wieder zurückführen müssen, um dadurch wieder auf ein nachhaltiges Wachstumsmodell zurückkehren zu können. Gewisse Ungleichgewichte sind immer tolerabel: Deutschland ist immer ein Überschussland gewesen, was die Leistungs- und Handelsbilanz anbetrifft, und das wird in Zukunft voraussichtlich auch weiter so sein, aber was wir in den letzten Jahren gesehen haben, war in gewisser Weise eine Übersteigerung."
Um es in Zahlen auszudrücken: 2007 nahm Deutschland mit Exporten 179 Milliarden Euro mehr ein, als es für Importe ausgeben musste. Im Jahr darauf sank dieser Wert zwar auf 164 Milliarden Euro; doch auch 2008 war kein schlechtes Jahr. Immerhin fanden Waren und Dienstleistungen in einem Gesamtvolumen von einer Billionen Euro ihren Weg ins Ausland. Das entspricht der jährlichen Wirtschaftsleistung von Staaten wie Ungarn, Estland, Lettland und Bulgarien - alle zusammengenommen wohlgemerkt.
Demgegenüber verzeichnen Länder wie die Vereinigten Staaten, aber auch das konsumfreudige Spanien sowie Australien und viele Staaten Osteuropas, hohe Importüberschüsse. In der Ukraine und Ungarn beispielsweise betrug das Leistungsbilanzdefizit im vorigen Jahr jeweils mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Griechenland waren es sogar 14 Prozent - in den USA immerhin noch 4,9 Prozent - 667 Milliarden Dollar!
Lief also die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren doch nicht so "rund"? Gab es so etwas wie eine "Unwucht", die heute und in der nächsten Zeit die Globalisierung aus den gewohnten Bahnen laufen lässt? Und: Hätte man hinter die immer wiederkehrenden Rekordmeldungen über die deutsche Exportwirtschaft nicht schon früher ein Fragezeichen setzen müssen?
Für den Wirtschaftsressortleiter der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Rainer Hank, stellt sich die Gemengelage noch ein wenig komplizierter dar. Dabei beruft sich der überzeugte Marktwirtschaftler auf den "linken" amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz:
"Es wird im Moment immer diskutiert, als seien Leistungsbilanz-Ungleichheiten per se etwas Schlechtes - eben durch den Begriff: Über die Verhältnisse gelebt. Alle haben davon profitiert. Es war ja nicht nur so, dass die Amerikaner - oder nicht nur die Osteuropäer oder die Chinesen: Alle haben davon profitiert. Das Problem, sagt Stiglitz, der Fehler war, dass das amerikanische Finanzsystem nicht das tat, was es eigentlich tun soll, Risiko zu streuen und Kapital in produktive Wirtschaftsbereiche zu lenken. Das ist interessant, dass Stiglitz dies sagt, denn das sagen die Liberalen auch. Wenn das Geld zu billig ist, dann führt das zu ineffizienter Allokation, dann verführt das zur Laxheit, zu Verschwendung. Insofern ist billiges Geld schon die Voraussetzung des Wachstums, aber zu billiges Geld führt dazu, dass es unproduktiv versickert."
Aber zu "billiges" Geld, das die Notenbanken ja auch jetzt wieder in schwindelerregendem Ausmaß in die Märkte pumpen, ist eben nur die eine Seite der augenblicklichen Malaise. Die andere sind die weltweiten Schuldenberge, die zurzeit angehäuft werden. Das gilt besonders für ein Land wie die USA, das sich gerade mit einem 800 Milliarden Dollar schweren Konjunkturpaket so massiv verschuldet, wie noch nie in seiner Geschichte. Die USA werden deshalb als Absatzmarkt für Exportgüter, ja als Konjunkturlokomotive für den Rest der Welt, erst einmal ausfallen. Was aber passiert dann - mit Deutschland, dem Exportweltmeister, und der Weltwirtschaft insgesamt? Noch einmal Rainer Hank:
"Amerika hat üppig mit billigem Geld gelebt in den letzten Jahren: billige Zinsen, zugleich hohen finanziellen Nachschub aus China. Die Chinesen haben Dollar gekauft, um ihre Währung künstlich niedrig zu halten. Sie haben das dann wieder angelegt in amerikanischen Staatsanleihen, davon hat Amerika profitiert. Die Sparquote war nahezu null. Jetzt könnte es sein, dass sich das ändert - wenn die Amerikaner ihre Sparquote auf fünf Prozent erhöhen, dann verkauft die Weltwirtschaft für 500 Milliarden Euro weniger Waren nach Amerika. Also, das sind nun nicht alles nur importierte Waren, sondern - das ist ein riesiger Binnenmarkt - eigenproduzierte, eben die Autos, die gekauft oder nicht mehr gekauft werden. Aber vieles davon sind nicht mehr nur chinesische T-Shirts, sondern sind eben auch deutsche Qualitätsprodukte, auf die wir so stolz sind."
500 Milliarden Dollar weniger - Jahr für Jahr wohlgemerkt - würde bedeuten, dass Exportunternehmen Kapazitäten zurückfahren und viele Menschen entlassen müssten. Noch versuchen viele von ihnen hierzulande, durch Kurzarbeit den Kern ihrer Belegschaften zu halten. Knapp 690.000 Kurzarbeiter gibt es derzeit in Deutschland - vor allem im stark exportlastigen Maschinenbau setzen Unternehmen auf dieses Mittel. Doch auch wenn die Politik dieser Tage die zeitliche Ausdehnung der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate diskutiert - für manche Firmen ist schon jetzt klar, dass sie nicht unbeschadet aus der Krise herauskommen werden.
Beispiel: der Druckmaschinenhersteller Heidelberg Druck. Das Unternehmen wird bis Ende des Jahres weitere 2500 Mitarbeiter weltweit entlassen, wie der MDAX-Konzern Ende März mitteilte. Das sind doppelt so viele wie im Herbst vergangenen Jahres ursprünglich angekündigt. Der Konzern leidet unter der schlechtesten Auftragslage seit mehr als zehn Jahren.
Folge: Ganze Standorte, wie der in Mönchengladbach, werden geschlossen. Aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden von Heidelberg Druck, Bernhard Schreier, schlägt die aktuelle Krise alles, was bisher da war. Was noch kommen wird? - Da wagt auch Christoph Schmidt vom "Rheinisch Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung" keine genauen Prognosen. Er warnt allerdings vor allzu kurzsichtigen Entscheidungen heute:
"Im Augenblick denkt jeder an die Rettungsmaßnahmen. Alle Volkswirtschaften kämpfen darum, ein wenig von dem Abschwung zu bekämpfen, wieder zurückzudrängen, und dass kann durchaus dann auch so darauf hinauslaufen, dass die einzelnen Nationalstaaten immer nur an ihre eigenen Firmen, an ihre eigenen Unternehmer, an ihre eigenen Arbeitnehmer denken - und damit vermeintlich kurzfristig etwas Gutes tun und langfristig aber der gesamten Sache schaden. Und das wäre für Deutschland insbesondere ganz fatal."
Und auch Konjunkturexperte Marcus Kappler vom "Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung" meint:
"Es wird Veränderungen in den internationalen Gleichgewichten, Kraftzentren geben, deren genaue Effekte momentan noch schwer abzuschätzen sind, aber die tendenziell auch das Potenzial besitzen, zunächst einmal auf die kurze bis mittlere Sicht die gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten, den Austausch, etwas zu dämpfen."
Kommen jetzt also nach den - biblisch gesprochen - guten, fetten Jahren, die mageren, schlechten? Wirtschaftsweiser Christoph Schmidt befürchtet es, sieht aber auch Chancen:
"Was wir leider lernen mussten im vergangenen Jahr, also 2008, war, dass die anderen Länder die USA nicht als Motor der Weltwirtschaft ablösen konnten. Die Hoffnung bestand ja zu Beginn des Jahres 2008. Das wird nicht funktionieren. Da das so ist, da die Welt und die Wirtschaftsnationen der Welt eine Leidens- und Schicksalsgemeinschaft bilden, wird es sicherlich vielleicht so sein, dass wir uns alle einrichten müssen auf einige Jahre, in denen das Wachstum nicht so grandios laufen wird. Andererseits: Wer wachsen will, muss investieren - und Investitionsgüter, das ist das Feld, auf dem Deutschland punktet, und von daher wird es auch möglich sein, sich diese Nische weiter zu erobern und da Erfolg zu haben."
Etwas drastischer sieht es dagegen Rainer Hank von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Für ihn steht schon jetzt mindestens eine Konsequenz für Deutschland klar und deutlich fest:
"Unser Geschäftsmodell, auf Export zu setzen und zugleich eine hohe Sparquote durchhalten zu können, das ist jetzt in die Krise geraten. Und die ganz große Frage ist: Werden wir uns umstellen können? Werden wir also den Binnenkonsum erhöhen, um damit zu kompensieren, was wir im Export, zumindest an Anteilen, verlieren?"
Trotz anhaltender Krise: Die Stimmung der Verbraucher bleibt - vorerst zumindest - stabil; auch dank niedriger Inflation und geringerer Energiepreise. Doch der Absturz vor allem auf dem Arbeitsmarkt könnte auch hier schneller kommen, als es uns allen lieb ist. Denn ein ewiges Gegensteuern durch immer neue "Abwrackprämien" und durch eine nochmalige Verlängerung der Kurzarbeit wird sich der Staat auf Dauer nicht leisten können. Mit achteinhalb Millionen weniger Arbeitsplätzen in Europa rechnet die EU-Kommission in diesem und im nächsten Jahr. Zum Vergleich: 2007 und 2008 waren in der Europäischen Union unter dem Strich noch neuneinhalb Millionen neue Jobs entstanden. Für Deutschland rechnet die Behörde mit einer zunehmenden Arbeitslosenquote von achteinhalb Prozent im Jahr 2009 - und zehneinhalb Prozent im Jahr 2010, wenn die Weltwirtschaft nicht deutlich und schnell wieder Tritt fasst.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Die deutsche Wirtschaft war und ist auf Export getrimmt, weitreichende Änderungen lassen sich nicht von heute auf morgen realisieren. Oder aber sie sind mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Veränderungen verknüpft. Und ob die deutsche Gesellschaft bereit ist, diese zu tragen, daran zweifelt ein Experte wie Christoph Schmidt vom "Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung". Mit Blick auf eine Steigerung des Binnenkonsums in Deutschland meint er:
"Ich kann da auch an eine ganz andere Organisation unseres Wirtschaftslebens denken, bei dem man einfachen Tätigkeiten, einfachen Dienstleistungstätigkeiten mehr Raum gibt und damit natürlich, das lässt sich einfach nicht trennen, auch anderen Lohn- und Einkommensstrukturen freien Raum lässt. Ich kann mir nicht vorstellen - wenn man vergleicht, Länder, die mit einer starken binnenwirtschaftlichen Struktur ausgestattet sind, wie die USA, die haben eine hohe Lohnspreizung -, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir es schaffen, das gleiche, auf sehr sozialen Ausgleich ausgerichtete System - Gesellschafts- und Wirtschaftssystem - zu verfechten und gleichzeitig darauf zu verzichten, dass der Export daran einen hohen Anteil hat. Export hat den Vorteil gegenüber der Binnenwirtschaft, dass einfach der Markt sehr viel größer ist, dass man sich also besser spezialisieren kann, weil man nicht nur im eigenen Land nach Nachfrage suchen muss."
Mag die Politik im Wahljahr 2009 also noch so viel Zweckoptimismus verbreiten, dass es noch in diesem, spätestens aber im nächsten Jahr, wieder aufwärts gehen werde - im Zeitalter weltweiter Verflechtungen zählen solche, auf den nationalen Rahmen beschränkte Botschaften nicht viel, weswegen Rainer Hank von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" deutliche Worte findet. Eine schnelle Erholung der Märkte sieht er nicht - im Gegenteil. In seinen Augen macht die Globalisierung in den nächsten Jahren eine Pause. Sie hält sozusagen den Atem an. Mit weitreichenden Konsequenzen - nicht nur für den deutschen Export, sondern für die gesamte Weltwirtschaft bis hin zur Überwindung von Armut und Hunger:
"Das könnte dazu führen, dass eine Generation lang deren Wohlstandsgewinn, der ja nicht nur ein Wohlstandsgewinn im materiellen Gewinn ist, sondern auch ein Zuwachs an Freiheit, das der aufgehalten wird. Im 20. Jahrhundert kann man sagen, von den 30er-Jahren bis in die späten 70er-Jahre hat die Weltwirtschaft eine Pause eingelegt. Das war insgesamt damals auch schon auf hohem Niveau, aber auf hohem Niveau in der westlichen Welt. Und ganz Asien, von Afrika gar nicht zu reden, hat daran nicht partizipiert. Auf lange Sicht muss man nicht skeptisch sein, was die internationale Arbeitsteilung betrifft, aber auf kurze Sicht - und das können dann schon mal 20, 30 Jahre sein - muss man im Moment sehr - ängstlich würde ich nicht sagen - aber doch skeptisch sein."