Von Anfang an pfeift der Wind durchs Meininger Theater. Die Hintergrundgeräuschkulisse lässt die Baumwipfel rauschen, die Käuzchen rufen und von fern den Donner grollen. Wie der Soundtrack zu einem Film begleitet sie die neue "Freischütz"-Inszenierung von Anfang bis Ende. Ab und an lässt sie der Musik den Vortritt, gelegentlich eskaliert sie zum akustischen Gewitter mit schweren Einschlägen.
Wie zu erwarten, resultiert die erste Regiearbeit von Philipp Stölzl für das Musiktheater ganz und gar aus der Gedanken- und Bildwelt des Films. Des Grusel- und Heimatfilms. Allerdings mit ein paar leckeren ironischen Brechungen à la "Black Rider" von Tom Waits.
Also: Ein Hochwald mit Baumriesen aus Pappe, ein Dorf wie aus dem Kinderbuch (die Fensterchen leuchten des Nachts so traulich ins Dunkel); für die Wolfsschlucht ein Styroporgebirge und überhaupt Kulisse, dass die Schwarte wackelt. Nebelschwaden ziehen schon zu Anfang durch diese schöne heile Opernwelt, die uns allerdings in den folgenden drei Stunden demonstriert, dass sie von der Rezeptionsgeschichte doch nicht unbehelligt und unbeschädigt blieb - und Unheil lauert allenthalben.
Das kündigt bereits der Vorspann an, den der Regisseur aus dem dritten Aufzug ableitete: Die Braut Agathe, deren Verlobter Max als routinierter Schütze zuletzt beruflich total versagte, besucht den Eremiten - wie Rotkäppchen bringt sie ihm einen Korb mit Milch, selbst gebackenem Brot und frischem Obst. Und wird gewarnt. Denn längst sind finstre Mächte am Werk.
"Durch die Wälder, durch die Auen" - mit dem Freischütz von Friedrich Kind und Carl Maria von Weber geht es ins Dickicht der Natur und der Seelen, aber auch ein Stück weit ins Freie. Wenigen Werken ist von ihren Urhebern in so hohem Maß Lokalkolorit zugedacht worden wie diesem. Das Stück, beflügelt vom ersten Windzug des deutschen Vormärz, befasste sich keineswegs nur akzidentiell mit den Böhmischen Wäldern am Ende des 30-jährigen Krieg - einem mit Ängsten und Schrecken konnotierten Gelände, in dem sich lange so mancher "falscher Glaube" versteckte.
Dennoch - oder gerade deswegen - war es in den letzten zwei Jahrzehnten auf die unterschiedlichsten Weisen zu sehen: Werner Tübke zum Beispiel bebilderte die Geschichte von den Jägersburschen - von Kaspar, dem Bösen, und Max, dem Schwachen - und ihrem Verhältnis zur grundguten Agathe, zum Forsthaus und zu den Hilfestellungen des Wilden Reiters in der Wolfsschlucht auf die Weise, wie in seinem gewaltigen Bauernkriegspanorama für Frankenhausen, akzentuierte also das Archaische und Atavistische des Stoffs.
Ruth Berghaus hinzeigte die Oper aus dem Jahr 182, die substantiell von einer erhofften Stärkung der bürgerlichen Lebensformen in einem fortbestehenden feudalen Rahmen handelt, ohne Wald und Schonung - andere noch rigoroser als psychologische oder psychoanalytische Studie. Zu deren Abstraktions- oder Übertragungsmodellen geht Philipp Stölzl entschieden auf Gegenkurs.
Mit der Machtart des dunkel getönten Historien- und Kostümfilms, vielfältigen Anspielungen auf Armut und Brutalität einer rückständigen bäuerlichen Gesellschaft und fortdauernden feudalen Strukturen gelingt ihm ein dezidiert anti-modernes Experiment, das die sozialen Fragen allerdings mit größerer Warmherzigkeit behandelt und das weiß, was zwischen Geschichte und Gegenwart eben nicht kongruent ist und daher der differenzierten Darstellung bedarf. Der Tanz der Landleute in die Abenddämmerung gerät zu einem Tableau wie ein altniederländisches Genrebild.
Zu Beginn lässt Stölzl durch Zwischentitel auf das Jahr 1648 hinweisen und die Lage der Soldaten, die aus dem Krieg zurückkehren und sich zivilisieren wollen, aber dies nicht einfach können. Und am Ende wird eine ungünstige Sozialprognose für die Ehe von Max und Agathe gegeben. Leider wird nicht nur, leise, leise, die alte fromme Weise der Agathe in Meiningen unzulänglich gesungen; auch sonst gibt's viel Aussprache- und Intonationsprobleme, dazu rhythmische Reibereien zwischen den Sängern und dem von Generalmusikdirektor Alan Buribayev geleiteten Orchester.
Aber das von Intendanten-Querelen heimgesuchte Theater hat den ersehnten Publikumserfolg bekommen. Und die Leute werden auch wieder von weiter her kommen und sich Stölzls neokonservative dunkle Glanzleistung ansehen.
Wie zu erwarten, resultiert die erste Regiearbeit von Philipp Stölzl für das Musiktheater ganz und gar aus der Gedanken- und Bildwelt des Films. Des Grusel- und Heimatfilms. Allerdings mit ein paar leckeren ironischen Brechungen à la "Black Rider" von Tom Waits.
Also: Ein Hochwald mit Baumriesen aus Pappe, ein Dorf wie aus dem Kinderbuch (die Fensterchen leuchten des Nachts so traulich ins Dunkel); für die Wolfsschlucht ein Styroporgebirge und überhaupt Kulisse, dass die Schwarte wackelt. Nebelschwaden ziehen schon zu Anfang durch diese schöne heile Opernwelt, die uns allerdings in den folgenden drei Stunden demonstriert, dass sie von der Rezeptionsgeschichte doch nicht unbehelligt und unbeschädigt blieb - und Unheil lauert allenthalben.
Das kündigt bereits der Vorspann an, den der Regisseur aus dem dritten Aufzug ableitete: Die Braut Agathe, deren Verlobter Max als routinierter Schütze zuletzt beruflich total versagte, besucht den Eremiten - wie Rotkäppchen bringt sie ihm einen Korb mit Milch, selbst gebackenem Brot und frischem Obst. Und wird gewarnt. Denn längst sind finstre Mächte am Werk.
"Durch die Wälder, durch die Auen" - mit dem Freischütz von Friedrich Kind und Carl Maria von Weber geht es ins Dickicht der Natur und der Seelen, aber auch ein Stück weit ins Freie. Wenigen Werken ist von ihren Urhebern in so hohem Maß Lokalkolorit zugedacht worden wie diesem. Das Stück, beflügelt vom ersten Windzug des deutschen Vormärz, befasste sich keineswegs nur akzidentiell mit den Böhmischen Wäldern am Ende des 30-jährigen Krieg - einem mit Ängsten und Schrecken konnotierten Gelände, in dem sich lange so mancher "falscher Glaube" versteckte.
Dennoch - oder gerade deswegen - war es in den letzten zwei Jahrzehnten auf die unterschiedlichsten Weisen zu sehen: Werner Tübke zum Beispiel bebilderte die Geschichte von den Jägersburschen - von Kaspar, dem Bösen, und Max, dem Schwachen - und ihrem Verhältnis zur grundguten Agathe, zum Forsthaus und zu den Hilfestellungen des Wilden Reiters in der Wolfsschlucht auf die Weise, wie in seinem gewaltigen Bauernkriegspanorama für Frankenhausen, akzentuierte also das Archaische und Atavistische des Stoffs.
Ruth Berghaus hinzeigte die Oper aus dem Jahr 182, die substantiell von einer erhofften Stärkung der bürgerlichen Lebensformen in einem fortbestehenden feudalen Rahmen handelt, ohne Wald und Schonung - andere noch rigoroser als psychologische oder psychoanalytische Studie. Zu deren Abstraktions- oder Übertragungsmodellen geht Philipp Stölzl entschieden auf Gegenkurs.
Mit der Machtart des dunkel getönten Historien- und Kostümfilms, vielfältigen Anspielungen auf Armut und Brutalität einer rückständigen bäuerlichen Gesellschaft und fortdauernden feudalen Strukturen gelingt ihm ein dezidiert anti-modernes Experiment, das die sozialen Fragen allerdings mit größerer Warmherzigkeit behandelt und das weiß, was zwischen Geschichte und Gegenwart eben nicht kongruent ist und daher der differenzierten Darstellung bedarf. Der Tanz der Landleute in die Abenddämmerung gerät zu einem Tableau wie ein altniederländisches Genrebild.
Zu Beginn lässt Stölzl durch Zwischentitel auf das Jahr 1648 hinweisen und die Lage der Soldaten, die aus dem Krieg zurückkehren und sich zivilisieren wollen, aber dies nicht einfach können. Und am Ende wird eine ungünstige Sozialprognose für die Ehe von Max und Agathe gegeben. Leider wird nicht nur, leise, leise, die alte fromme Weise der Agathe in Meiningen unzulänglich gesungen; auch sonst gibt's viel Aussprache- und Intonationsprobleme, dazu rhythmische Reibereien zwischen den Sängern und dem von Generalmusikdirektor Alan Buribayev geleiteten Orchester.
Aber das von Intendanten-Querelen heimgesuchte Theater hat den ersehnten Publikumserfolg bekommen. Und die Leute werden auch wieder von weiter her kommen und sich Stölzls neokonservative dunkle Glanzleistung ansehen.