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Der fremde Nachbar

Einst galt Warschau als das "Jerusalem des Nordens", weil die jüdische Gemeinde in der polnischen Hauptstadt einmal die größte in Europa war: Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bekannte sich noch fast ein Drittel der Warschauer Bevölkerung zum jüdischen Glauben.

Von Johanna Herzing und Melanie Longerich | 13.04.2013
    Doch nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen änderte sich das Leben in Warschau schlagartig. Schon bald wurde ein Ghetto errichtet, das größte im besetzten Europa. Dort lebte etwa eine halbe Million Juden dicht an dicht. 1942 schließlich begann ihre Deportation in die Vernichtungslager, das Ghetto sollte aufgelöst werden. Auch für den 19. April 1943 - den Vorabend des Pessach-Festes war ein Transport vorgesehen.

    Einige Hundert jüdische Männer und Frauen traten jedoch den deutschen Soldaten entgegen. Mehrere Wochen lang leisteten sie Widerstand, letztlich blieben sie chancenlos: Der Aufstand im Warschauer Ghetto wurde niedergeschlagen, nur wenige überlebten.

    Heute, 70 Jahre später, entdecken viele Polen das Judentum wieder für sich. In Warschau gibt es mittlerweile drei jüdische Gemeinden: eine orthodoxe, eine liberale und eine chassidische. Und auch das kulturelle Angebot ist groß. Aber wie lebt man seinen Glauben in einer Stadt, die jüdischen Nachbarn auch in der Zeit des Sozialismus argwöhnisch gegenüberstand? Wie lässt sich eine jüdische Gemeinde wiederaufbauen, wo doch noch heute antisemitische Strömungen in Polen existieren?

    Das jüdische Warschau, eine Reportage von Johanna Herzing und Melanie Longerich in der Werkstatt Europa