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Der fröhliche Friedhof

Das rumänische Dorf Săpânţa ist weit über die Landesgrenzen für seinen Friedhof bekannt. Grund sind die zahlreichen ungewöhnlichen Grabkreuze, die dort zu finden sind.

Von Grit Friedrich | 22.11.2009
    Jedes Jahr im November wird in Săpânţa der Toten gedacht. Dann wird der Friedhof hergerichtet, einige der über 1500 Kreuze bekommen einen neuen Anstrich und die heilige Messe wird gefeiert. Zum Fest der Toten kommen auch Rumänen, die ihre Heimat schon lange verlassen haben.

    "Viele Leute sind ins Ausland gegangen, denn wenn die Jungen aus der Schule kommen, dann finden sie keine Arbeit. Die Fabriken wurden nach der Revolution zerstört. Darum müssen sie fortgehen um sich später hier ein Haus bauen zu können. Hier gibt es nur Berge und Wälder, von der Landwirtschaft kann hier keiner leben."

    Auf dem Friedhof zünden die Leute von Sapanta Kerzen an und verbringen die Nacht im Gedenken an die Verstorbenen. Es wird gegessen, getrunken und manchmal sogar getanzt, alles zu Ehren der Toten.

    Auf dem Friedhof von Săpânţa stehen allerdings keine Grabsteine, sondern reich bemalte Holzkreuze.

    "Auf ihnen steht, was wirklich geschehen ist – ich lese mal eine Grabinschrift vor: Der Schnaps ist rein, er bringt uns viele Schmerzen ein. Wer viel Schnaps trinkt, gleich mir ins Grab springt."

    Bis heute brennen viele Familien in Săpânţa den hochprozentigen Obstbrand namens Palinka selber. Auf keiner Festtafel darf er fehlen. Auch nicht am Tag der Toten. Die farbenprächtigen Grabkreuze schmücken Bilder von großen Autos, erarbeitet meist in der Fremde. Denn viele Männer aus Săpânţa verdienen ihr Geld auf dem Bau in Spanien, Portugal oder Südfrankreich. Auf anderen Kreuzen kann man lesen, ob Mann, Frau oder Kind eines friedlichen oder gewaltsamen Todes gestorben sind. Die ersten Grabkreuze in dieser Manier schuf ein Mann aus dem Dorf.

    "Ion Stan Patrás wurde 1908 geboren und er hat mit Mitte 20 angefangen, Kreuze für den Friedhof hier im Dorf zu schnitzen. Es war damals ein ganz normaler Friedhof. Auf der Welt. Aber 1935 hat er begonnen, Kreuze mit Sprüchen und Bildern der Verstorbenen zu versehen. Und dann bekam der Friedhof diesen Namen "fröhlicher Friedhof von Săpânţa"

    Heute ist der Gottesacker von Săpânţa ein Touristenmagnet und der Volkskünstler Dumitru Pop führt das alte Handwerk weiter. Angefangen hat er als kleiner Junge, doch zum Beruf machte er das Kreuze Schnitzen erst nach dem Tod seines Lehrmeisters Stan Ion Patras vor über 30 Jahren.

    "Ich interessiere mich beim Schnitzen der Kreuze nicht dafür, was die Familien sagen. Mich interessiert der Mensch der von uns gegangen ist. Ion Patrasch ist sehr viel im Dorf herumgekommen, er hat viele Leute persönlich gekannt, er hat mit den Dorfbewohnern geredet. Und was er im Gedächtnis behielt, war dort gut aufgehoben. Und wenn dann jemand kam und ein Kreuz bestellt hat, kannte er das Leben des Verstorbenen. Und so spiegelt der kleine Vers und alles, was man auf den Kreuzen sieht, das Leben des Verstorbenen wider."

    Fünf Minuten Fußweg trennen den Friedhof in Săpânţa. Vom Wohnhaus des Holzbildhauers Stan Ion Patras – heute ist es ein Museum. Jedes selbst gebaute Möbelstück wurde an seinem angestammten Platz belassen. In den alten Holztruhen bewahrt die Familie bis heute Kleidung auf, erklärt Irina Pop:

    "Bei uns im Dorf wird die traditionelle Tracht noch hergestellt und getragen. Wenn wir am Sonntag in die Kirche gehen, dann kommen alle in dieser Tracht, auch die kleinen Mädchen. Es wäre eine Schande, wenn es nicht so wäre. Einige Frauen nähen Hemden und bestickten Blusen, auch die Schürzen weben sie. Die Kopftücher kaufen wir. Auch junge Leute wollen diese Tracht bewahren."

    Die jungen Frauen tragen zu den knielangen, etwas abstehenden Röcken aber nicht mehr Filzschuhe oder flache Stiefel wie ihre Großmütter. Auf hohen Schuhen bahnt sich die nächste Generation ihren Weg über schlammige Wege. Und nach dem Kirchgang kocht Irina Pop für die Familie und ihre Gäste Mamalige und Branze, Maisbrei mit Käse, ein traditionelles rumänisches Hirtenessen.

    "Zu uns kommen sehr viele Touristen, die lieben es, wenn wir unsere Trachten tragen. Sie probieren sie an und machen dann viele Fotos. Wir empfangen Besucher aus der ganzen Welt, es gefällt mir, diese Leuten etwas zu zeigen und zu erklären wie wir leben. Wer einmal hier war, der kehrt wieder, das steht fest."

    Alle Wände im kleinen Museum sind mit Holzarbeiten zugehängt. Schräg über dem Bett ein geschnitztes Bild des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei aus den 70er-Jahren. "Der alte Patrasch schnitze Holzköpfe", hätten böse Zungen meinen können. Denn besonders heroisch sehen die Funktionäre bei ihm nicht gerade aus. Sein Nachfolger Dumitru Pop will nichts im Museum verändern, alles gehöre zur Geschichte – und die Touristen aus dem Westen fragen immer wieder nach der Ceausescu Zeit:

    "Ceausescu war viermal in diesem Zimmer. Das kann man nicht so einfach wegwerfen. Es gab niemanden, dem diese Region nicht gefallen hat. Und an der Giebelwand des Hauses war die Geschichte Rumäniens abgebildet. Von Decebal bis Ceausescu."

    Ceausescu wurde vor 20 Jahren gestürzt, für die Leute in Săpânţa begann keine leichte Zeit. Heute füllt sich das Dorf nur im Sommer mit jungen Leuten. Sie kommen auf Heimaturlaub und feiern ihre Hochzeiten hier, taufen die Kinder, besuchen die Toten. Aber auch Neues ist entstanden, wie das Kloster mit seinem circa 75 Meter hohen Kirchturm. Und im Dorfzentrum stehen viele kleine Pensionen. Ileana Pop hat vier Gästezimmer und in einem kleinen Kiosk vor dem Haus verkauft sie Kreuze, selbst genähte Umhängetaschen, aber auch traditionelle Hemden und Röcke.

    "Aus ganz Europa aber auch aus Rumänien kommen die Touristen her, denn unser Friedhof ist sehr gut besucht. Jeder ist hier willkommen, denn sie kommen her und wir profitieren davon als Dorf. Wir haben ein Kloster gebaut und es an die Nonnen übergeben und jetzt reparieren wir die Kirche. Sie soll schöner werden, all das kostet Geld und wenn die Leute kommen, dann geben sie auch Geld bei uns aus."

    Sehr schön sind die dunkelblauen oder schwarzen Westen aus Filz und die kurzen Mäntel aus Schafswolle, sogar selbst gewebte Handtücher kann man kaufen. Eben alles, was die Frauen in der Maramures den langen kalten Winter über anfertigen. Wer farbenfrohe Teppiche, wärmende Decken aus Schafswolle oder antike Stoffe sucht, der sollte ins wenige Kilometer entfernte Sighetu Marmatiei fahren. Dort findet an jedem ersten Montag im Monat, sommers wie winters, ein großer Markt statt, auf dem auch rumänische Bäuerinnen aus der Ukraine ihre Waren anbieten.

    Maria Tanase war die größte rumänische Volkssängerin:
    Lebte von 1913 bis 1963. Aufgenommen in Bukarest 1955 ist es ein traditionelles normalerweise von Männern gesungenes Liebeslied aus der Maramuresch, der swingende Rhythmus regt zum Tanzen an, die Tanase singt das Lied etwas langsamer als normal

    In der ganzen Maramuresch
    Gibt es keine Kerle wie mich und dich
    Gar viele Blumen an der Iza
    Habe ich mit der Liebsten gepflanzt
    In der ganzen Maramuresch
    Gibt es keine Kerle wie mich und dich
    Und keine Stadt wie Sighetu