Dass der französische Landschaftsmaler Camille Corot als Portraitist kaum bekannt wurde, ist zuallererst ihm selber zu verdanken. Ganze vier Porträts (von insgesamt 300) reichte Corot beim Pariser Salon ein, Freunde sprachen sogar von einem "Geheimschrank", in dem er seine Figurenbilder aufbewahrte. Richtig ist daran nur, dass Corot skrupulös mit seinen Menschenbildern umging, und das hatte seinen Grund. Zunächst waren Menschen für ihn ja nur Staffagefiguren in der Landschaft gewesen. Sie ins Zentrum zu rücken, muss für ihn auch bedrohlich gewesen sein.
Schon früh hatte sich Corot für das Weiträumige, Offene, für die pastorale Landschaft als Bühne entschieden, und im Übergang zwischen Neoklassizismus und Frühimpressionismus wurde er dann zum führenden Kopf der im Freien malenden Barbizon-Bewegung. Ein Italienaufenthalt in den 1820iger Jahren hatte aber bleibende Spuren hinterlassen: eine Begeisterung für die italienische Frau. Allerdings muss die immer drapiert und kostümiert werden, durch spielerisch-farbige bäuerliche Trachten. Der in seiner Jugend äußerst schüchterne Corot tendiert zu einer Idealisierung der weiblichen Figur, die er mit Vorliebe als Lesende darstellt, also entrückt und kontemplativ. Das Motiv zieht sich über viele Jahre durch das Werk - und steht nun auch im Zentrum der Winterthurer Ausstellung, die von Mariantonia Reinhard-Felice kuratiert wird.
"Ich glaube, das mit der Lektüre ist verbunden mit der Idee, dass diese Figuren auch die Natur, die Landschaft verkörpern. Weil er war ja hauptsächlich Landschaftsmaler, nicht wahr. Und dass dieses Buch auch ein Symbol ist für die Natur - es ist eigentlich das Buch der Natur. Das Buch, in dem sich die Natur widerspiegelt."
Die Natur der Frau selber kommt dabei allerdings auffällig kurz. Diesem Eindruck widersprechen nur zwei - großartig sinnliche - Akte: "Marietta in Rom", eine intim hingeräkelte Verführung, die formal der klassizistischen "Grande Odalisque" von Ingres nachempfunden ist. Und die ungemein plastisch modellierte Bleistiftskizze eines üppigen Frauenakts, der in lasziver Wölbung Brust und Hüfte ausstellt und aus leichter Untersicht gezeichnet ist - vielleicht das beste Werk der Ausstellung.
Das sind die Ausnahmen im Kosmos des guten Sohns Camille Corot, der bis zu deren Tod bei den begüterten Eltern wohnte und Frauen meist als Wesen höherer Art inszenierte. Andererseits: die Sammlung Oskar Reinhart "Am Römerholz" ist vor allem dem Impressionismus gewidmet, und dass nun einige der besten Figurenbilder Corots in diesen Zusammenhang gezeigt werden, in einer magischen Villa am Waldrand, ist natürlich ein Glück. Bestimmte Anbindungen des oft als gefällig geschmähten Corot an die Moden des 19.Jahrhunderts können hier gut demonstriert werden: Orientalismen, Bezüge auf die eher steife englische Gesellschaftsmalerei (etwa im Porträt der Claire Sennegon von 1837) oder Mythisierungen wie die "Femme à la Perle", die wie eine Antwort auf die Mona Lisa gemalt ist.
Sich selbst stellte Corot im Bezug auf die Meister der Renaissance im stolzen Halbprofil dar, weshalb das Bild nun auch im Renaissance-Zimmer gezeigt wird. Die depressive Seite des später als "Père Corot" von den Künstlerkollegen verehrten Malers zeigen die pyramidal gebauten Mönchs-Bilder, vor allem der kurz vor Corots Tod (1875) gemalte "Mönch mit dem Violoncello": hier dominieren die düsteren, gedeckten Farben und Stimmungen.
Auch in seinen Landschaften wird Corot ja oft gräulich und silbrig, und obwohl Baudelaire, dem das Fahle und Bleiche natürlich gefiel, schon in den 1840iger Jahren ein Loblied auf Corot sang, fällt doch eine gewisse träge Eindimensionalität in seiner Farbgebung auf. Corots ganz auf innerlich stilisierte Frauenfiguren passen in diese passive Malweise natürlich hinein. Dass Corot am Ende seines Lebens äußerst freigiebig war und auch Kopien und Fälschungen bereitwillig mit seinem Namen versah, macht diese erlesene Ausstellung umso wertvoller: hier werden nur hochkarätige Porträts aller Werkphasen gezeigt - und das geschah letztmals 1962, im Louvre.
Schon früh hatte sich Corot für das Weiträumige, Offene, für die pastorale Landschaft als Bühne entschieden, und im Übergang zwischen Neoklassizismus und Frühimpressionismus wurde er dann zum führenden Kopf der im Freien malenden Barbizon-Bewegung. Ein Italienaufenthalt in den 1820iger Jahren hatte aber bleibende Spuren hinterlassen: eine Begeisterung für die italienische Frau. Allerdings muss die immer drapiert und kostümiert werden, durch spielerisch-farbige bäuerliche Trachten. Der in seiner Jugend äußerst schüchterne Corot tendiert zu einer Idealisierung der weiblichen Figur, die er mit Vorliebe als Lesende darstellt, also entrückt und kontemplativ. Das Motiv zieht sich über viele Jahre durch das Werk - und steht nun auch im Zentrum der Winterthurer Ausstellung, die von Mariantonia Reinhard-Felice kuratiert wird.
"Ich glaube, das mit der Lektüre ist verbunden mit der Idee, dass diese Figuren auch die Natur, die Landschaft verkörpern. Weil er war ja hauptsächlich Landschaftsmaler, nicht wahr. Und dass dieses Buch auch ein Symbol ist für die Natur - es ist eigentlich das Buch der Natur. Das Buch, in dem sich die Natur widerspiegelt."
Die Natur der Frau selber kommt dabei allerdings auffällig kurz. Diesem Eindruck widersprechen nur zwei - großartig sinnliche - Akte: "Marietta in Rom", eine intim hingeräkelte Verführung, die formal der klassizistischen "Grande Odalisque" von Ingres nachempfunden ist. Und die ungemein plastisch modellierte Bleistiftskizze eines üppigen Frauenakts, der in lasziver Wölbung Brust und Hüfte ausstellt und aus leichter Untersicht gezeichnet ist - vielleicht das beste Werk der Ausstellung.
Das sind die Ausnahmen im Kosmos des guten Sohns Camille Corot, der bis zu deren Tod bei den begüterten Eltern wohnte und Frauen meist als Wesen höherer Art inszenierte. Andererseits: die Sammlung Oskar Reinhart "Am Römerholz" ist vor allem dem Impressionismus gewidmet, und dass nun einige der besten Figurenbilder Corots in diesen Zusammenhang gezeigt werden, in einer magischen Villa am Waldrand, ist natürlich ein Glück. Bestimmte Anbindungen des oft als gefällig geschmähten Corot an die Moden des 19.Jahrhunderts können hier gut demonstriert werden: Orientalismen, Bezüge auf die eher steife englische Gesellschaftsmalerei (etwa im Porträt der Claire Sennegon von 1837) oder Mythisierungen wie die "Femme à la Perle", die wie eine Antwort auf die Mona Lisa gemalt ist.
Sich selbst stellte Corot im Bezug auf die Meister der Renaissance im stolzen Halbprofil dar, weshalb das Bild nun auch im Renaissance-Zimmer gezeigt wird. Die depressive Seite des später als "Père Corot" von den Künstlerkollegen verehrten Malers zeigen die pyramidal gebauten Mönchs-Bilder, vor allem der kurz vor Corots Tod (1875) gemalte "Mönch mit dem Violoncello": hier dominieren die düsteren, gedeckten Farben und Stimmungen.
Auch in seinen Landschaften wird Corot ja oft gräulich und silbrig, und obwohl Baudelaire, dem das Fahle und Bleiche natürlich gefiel, schon in den 1840iger Jahren ein Loblied auf Corot sang, fällt doch eine gewisse träge Eindimensionalität in seiner Farbgebung auf. Corots ganz auf innerlich stilisierte Frauenfiguren passen in diese passive Malweise natürlich hinein. Dass Corot am Ende seines Lebens äußerst freigiebig war und auch Kopien und Fälschungen bereitwillig mit seinem Namen versah, macht diese erlesene Ausstellung umso wertvoller: hier werden nur hochkarätige Porträts aller Werkphasen gezeigt - und das geschah letztmals 1962, im Louvre.