Von Anfang an wird gern und oft gebürstet, gemöbelt, gerammelt – coram publico und vorzugsweise a tergo. Quälender Realismus von hinten wie von vorn in filmisch genau choreographierten, aber leider nicht akkurat musizierten Ensemble- und Massen-Szenen.
Mitten im Steh-Blues des freigesetzten Fleisches die Super-Hure: die schlank, rassige Natalia Ushakova mit ihrer schlanken, ziemlich scharfen und häufig zu hoch intonierenden Stimme: eine Power-Frau, die Krankheit und Todeskampf nur vortäuscht. Ihr Leiden ist – wie alles in der Bieito-Welt – lediglich "inszeniert".
Was geht vor? Calixto Bieito setzte den Kurs konsequent fort, mit dem bereits Giuseppe Verdis Librettist Francesco Maria Piave vom Roman Alexandre Dumas d. J. abhob. In der literarischen Vorlage ist die Violetta Valéry bereist mausetot und begraben, wenn die Handlung einsetzt, die Rekonstruktion der Liebesgeschichte. Die Oper erweckte die Kurtisane zum realen Bühnen-Leben, um sie in akustischen Wonnen untergehen und im, zartesten Pianissimo sterben zu lassen. Bieto aber verlängert diesen Kurs der Beschönigung einfach: die viel ge- und missbrauchte Schöne entzieht sich der Männerwelt. Sie geht ins Offene, ins Freie.
Calixto Bieto inkliniert zu drastischem Überpointieren. Die Naivität Alfredos tobt sich bei der morgendlichen Körperertüchtigung auf dem Hometrainer aus; Dottore Grenvil ist ein von der Theke weggeholtes verkommenes Subjekt, das auch bei der Untersuchung einer Lungenkranken die Fluppe nicht aus der Hand nimmt; der Animateur auf Floras Fest lässt auf seinem Pferde-Phallus Karten spielen. All diese Provokationsmuster des fortgeschrittenen 20. Jahrhunderts wirken inzwischen ältlich. Und die Motivation für den großen Verzicht der Violetta Valéry, der die Heirat von Alfredos kleiner Schwester ermöglichen soll, entfällt in dem von Bieito herbeibeorderten gesellschaftlichen Umfeld vollständig.
Da auch die musikalische Realisation unter Leitung von Enrique Mazzola so manches zu wünschen übrig ließ, gibt es gute Gründe, mit der neuen "Traviata" zu hadern. Doch das Rest-Publikum in der Hauptstadt Niedersachsens spendierte frenetischen Applaus auf der Linie: "Theater muss sein". Gewiss. Doch es verhält sich wie mit dem Beton: Es kommt darauf an, was man aus ihm macht.
Mitten im Steh-Blues des freigesetzten Fleisches die Super-Hure: die schlank, rassige Natalia Ushakova mit ihrer schlanken, ziemlich scharfen und häufig zu hoch intonierenden Stimme: eine Power-Frau, die Krankheit und Todeskampf nur vortäuscht. Ihr Leiden ist – wie alles in der Bieito-Welt – lediglich "inszeniert".
Was geht vor? Calixto Bieito setzte den Kurs konsequent fort, mit dem bereits Giuseppe Verdis Librettist Francesco Maria Piave vom Roman Alexandre Dumas d. J. abhob. In der literarischen Vorlage ist die Violetta Valéry bereist mausetot und begraben, wenn die Handlung einsetzt, die Rekonstruktion der Liebesgeschichte. Die Oper erweckte die Kurtisane zum realen Bühnen-Leben, um sie in akustischen Wonnen untergehen und im, zartesten Pianissimo sterben zu lassen. Bieto aber verlängert diesen Kurs der Beschönigung einfach: die viel ge- und missbrauchte Schöne entzieht sich der Männerwelt. Sie geht ins Offene, ins Freie.
Calixto Bieto inkliniert zu drastischem Überpointieren. Die Naivität Alfredos tobt sich bei der morgendlichen Körperertüchtigung auf dem Hometrainer aus; Dottore Grenvil ist ein von der Theke weggeholtes verkommenes Subjekt, das auch bei der Untersuchung einer Lungenkranken die Fluppe nicht aus der Hand nimmt; der Animateur auf Floras Fest lässt auf seinem Pferde-Phallus Karten spielen. All diese Provokationsmuster des fortgeschrittenen 20. Jahrhunderts wirken inzwischen ältlich. Und die Motivation für den großen Verzicht der Violetta Valéry, der die Heirat von Alfredos kleiner Schwester ermöglichen soll, entfällt in dem von Bieito herbeibeorderten gesellschaftlichen Umfeld vollständig.
Da auch die musikalische Realisation unter Leitung von Enrique Mazzola so manches zu wünschen übrig ließ, gibt es gute Gründe, mit der neuen "Traviata" zu hadern. Doch das Rest-Publikum in der Hauptstadt Niedersachsens spendierte frenetischen Applaus auf der Linie: "Theater muss sein". Gewiss. Doch es verhält sich wie mit dem Beton: Es kommt darauf an, was man aus ihm macht.